ÖSTERREICH JOURNAL NR. 209 / 21. 12. 2023 Kultur Das Stift Heiligenkreuz Das Zisterzienserstift im Wienerwald ist eines der bedeutendsten und lebendigsten Klöster Österreichs. 174 © Wikipedia / / CC-BY 4.0 // Foto: C.Stadler/Bwag Auf Bitten seines Sohnes Otto, der in der burgundischen Zisterzienserabtei Morimond das Ordenskleid genommen hatte, entschloß sich Markgraf Leopold III. um 1133 zur Stiftung eines Zisterzienserklosters im südlichen Wienerwald, das von Anfang an, und nicht erst seit dem Erhalt der großen Kreuzreliquie im Jahr 1187, Sancta Crux, Heiligenkreuz, genannt wurde. Im 12. und 13. Jahrhundert erlebte das Stift eine erste Blütezeit: So wuchs in dieser Zeit der klösterliche Besitzstand rasch an, wobei sich neben der babenbergischen Herrscherfamilie und den ungarischen Königen auch zahlreiche Adelige und Bürger als Gönner hervortaten. Der damalige Aufschwung spiegelt sich aber auch in der bis zum heutigen Tag erhaltenen eindrucksvollen mittelalterlichen Klosteranlage wider, die aus dem 12. und 13. Jahrhundert datiert: 1187 wurde der romanische Kirchenbau geweiht, 1220 bis 1240 die Klosteranlage frühgotisch um ge - Ein Blick auf das beeindruckende Stift Heiligenkreuz, das im Jahr 1133 gegründet wurde. © Wikipedia / / CC-BY 4.0 / bau t, 1295 der gotische Hallenchor und das Brunnenhaus vollendet. »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at An der Filiationstätigkeit des Wienerwald - klosters werden dessen Personalressourcen Stift Heiligenkreuz von Süden - kolorierter Kupferstich von Georg Matthäus Vischer 1672
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 209 / 21. 12. 2023 Kultur 175 erkennbar: Heiligenkreuzer Mönche besiedelten innerhalb von zwei Jahrhunderten sieben weitere Zisterzienserabteien, namentlich Zwettl (1138), Baumgartenberg (1142), Czikador (1142), Marienberg (1197), Lilienfeld (1202), Goldenkron (1263) und Neuberg (1327). Schließlich ist auch auf die Leistungen der Mönche auf kulturellem Gebiet zu verweisen: Abgesehen von der Produktion wertvollster Handschriften (bis 1230 ist die Entstehung von 54 Codices in der Heiligenkreuzer Schreibstube nachweisbar) sind in diesem Zusammenhang vor allem die wissen schaft - lichen Leistungen einiger Mönche zu nennen, die, wie etwa Gutolf von Heiligenkreuz, zu den bedeutendsten Köpfen ihrer Zeit zählten. Das spätere Mittelalter stellte Heiligenkreuz vor vielfältige Herausforderungen. Schon seit dem 13. Jahrhundert nahm die Zahl der Heiligenkreuzer Mönche, nicht zu– letzt aufgrund des Aufschwungs der Bettelorden in den Städten, stark ab. Aber auch die große Pestepidemie in den 1340er-Jahren de zimierte den Konvent. Auch litt das Kloster schwer unter den politisch wechselhaften Zeiten. Durch die ständigen Kriege und durch die Auseinandersetzungen im Haus Habsburg stand das Stift mehrmals am Ran - de des Ruins. Fehden nahmen überall überhand. Söldnerbanden suchten Heiligenkreuz und seine Besitzungen heim. Hungersnöte brachen aus, weil die Ernte durch das kriegerische Treiben vernichtet oder nicht eingebracht werden konnte. Eine arge Inflation tat das übrige. Erst im ausgehenden 15. Jahrhundert beruhigte sich die Situation ein we - nig. Doch auch die Folgezeit brachte keine echte Besserung der Lage. Sehr zu leiden hatte das Kloster unter den Türkenkriegen von 1529 und 1532. Und auch die aufkommende Reformation stellte den Konvent vor so manches Problem. Nicht we - nige der Mönche verließen damals das Kloster. Personell stand es in den 1540er-Jahren vor dem Aus. Doch wendete sich das Blatt mit dem Abbatiat Konrad Schmids (1547- 1558), unter dessen Leitung eine Phase der personellen, wirtschaftlichen und kulturellen Konsolidierung eingeleitet wurde, die unter seinen Nachfolgern Abt Ulrich Müller (1558- 1584) und Abt Johann Rueff (1585-1599) eine Fortsetzung fand. Die so bald wieder gefestigte Stellung des Stiftes machte auch die Inangriffnahme neuer Aufgaben möglich, wobei in diesem Zusammenhang vor allem auf die Pfarrseelsorge zu verweisen ist: Seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde sie systematisch in Angriff ge - nommen und entwickelte sich bald zu einem zentralen Betätigungsfeld der Mönche. Im 17. und 18. Jahrhundert gelangte Heiligenkreuz unter den Äbten Michael Schnabel (1637-1658), Klemens Schaeffer (1658- 1693), Marian Schirmer (1693-1705), Gerhard Weichselberger (1705-1728), Robert Leeb (1728-1755) und Alberich Fritz (1756- 1787) zu neuer Blüte. Sie manifestierte sich auf vielfache Weise. Hervorzuheben ist si - cherlich eine zweite von Heiligenkreuz ausgehende Filiationswelle: Unter Abt Klemens Schaeffer wurde eine Schar seiner Mönche in das Zisterzienserstift Säusenstein bei Ybbs entsandt, das dadurch vor seinem Un - tergang bewahrt wurde. Bedeutender war aber die unter Abt Ro - bert Leeb, freilich unter größten finanziellen Anstrengungen, vollzogene Erwerbung der seit 1570 dem Orden entfremdeten Zisterzienserabtei Sankt Gotthard in Ungarn, die 1734 von Heiligenkreuz aus wiederbesiedelt wurde. Bis heute erkennbar ist der damalige Aufschwung des Klosters aber auch an einer regen Bautätigkeit: Im 17. und 18. Jahrhundert erhielt die (äußere) Klosteranlage von Heiligenkreuz ihr heutiges Aussehen. Ge - baut und ausgebaut wurde auch das Priorat Sankt Gotthard und der Wiener Heiligenkreuzerhof. Eine Reihe bedeutender Künstler arbeitete in dieser Zeit für das Stift, unter ihnen Michael Rottmayr, Martino Altomonte, Giovanni Giuliani und Raffael Donner. Durch die kirchlichen Reformpläne Jo - seph II. geriet auch Heiligenkreuz in arge Bedrängnis. Aufgrund der seelsorglichen Agenden der Mönche entging das Kloster aber seiner Aufhebung. Doch wurde dem Konvent ganze zehn Jahre lang die Aufnahme von Novizen untersagt, wodurch die Mitgliederzahl in diesem Zeitraum von 80 auf 48 Mönche herabsank. Auch litt das mona- © Wikipedia / / CC-BY 4.0 / Erwin Pendl Stift Heiligenkreuz – „Vorhof“, Aquarell von Erwin Pendl um 1909 »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
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