ÖSTERREICH JOURNAL NR. 213 / 19. 12. 2024WissenschaftTeilen macht Freu(n)deMitteleuropas erste Bauerngesellschaft lebte gleichberechtigt – GenetischeStudie belegt auch Weitwanderungen in jungsteinzeitlichen Gesellschaften136© Department für Evolutionäre Anthropologie Universität WienKarte der LBK-Kultur und der untersuchten Fundorte (dies ist eine der Abbildungen aus dem Paper)Ein internationales Forschungsteam unterder Leitung von Pere Gelabert und RonPinhasi von der Universität Wien und DavidReich von der Harvard University hat den bis -her vollständigsten Satz genetischer Datenaus dem Frühneolithikum in Mitteleuropavorgelegt. Die Ergebnisse der Studie, die En -de November im wissenschaftlichen Fachmagazin„Nature Human Behaviour“ veröffentlichtwurden, zeigen, daß die Kultur, dievor 8.000 Jahren für die Ausbreitung derLandwirtschaft in Mitteleuropa verantwortlichwar, keine Anzeichen von sozialerSchichtung aufwies.Die Ausbreitung der Landwirtschaft inMit teleuropa fand im sechsten Jahrtausendvor Christus statt. Innerhalb weniger Generationenbreiteten sich BäuerInnen aus demBalkanraum das Donautal hinunter bis insheutige Frankreich und ostwärts bis ins heutigeUngarn und die Ukraine aus. Deren kulturellenSpuren sind in diesem Gebiet einheitlichund erstrecken sich über Tausendevon Kilometern – das Fehlen genetischer Da -ten von mehreren Familien macht es jedochschwierig zu verstehen, ob diese Gemeinschaftenin sozialer Gleichheit lebten, oderzu beurteilen, welche Individuen diejenigenwaren, die über den Kontinent wanderten.WeitwandererEin Forschungsteam aus mehr als 80 Ge -netikerInnen, AnthropologInnen und Archäo -logInnen, das die sozialen Merkmale der sogenannten Linearbandkeramik-Kultur (LBK)untersucht, hat neue genetische Daten vonmehr als 250 Individuen mit umfangreichenDatensätzen verknüpft: Knochenuntersuchungen,Radiokarbondatierungen, Grabbeigabenund Ernährungsdaten. Die Untersuchungder genetischen Beziehungen zwischendiesen neolithischen Individuen hatgezeigt, daß sich die LBK-Menschen innerhalbweniger Generationen über Hundertevon Kilometern ausgebreitet haben. ErstautorPere Gelabert vom Institut für EvolutionäreAnthropologie der Universität Wiensagt: „Wir konnten entfernte Verwandte in»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.atder Slowakei und andere in Westdeutschlandidentifizieren, die mehr als 800 km entferntlebten.“Fehlende soziale Schichtung„In dieser Studie“, erklärt der korrespondierendeAutor Ron Pinhasi, „berichten wirzum ersten Mal, daß sich die Familien anden untersuchten Fundorten Nitra in der Slowakeiund Polgár-Ferenci-hát in Ungarn we -der in Bezug auf die konsumierte Nahrungnoch auf die Grabbeigaben oder ihre Herkunftunterschieden. Dies deutet darauf hin,daß die BewohnerInnen dieser neolithischenStätten nicht nach Familie oder biologischemGeschlecht unterteilt waren, und wirkönnen keine Anzeichen von Ungleichheitim Sinne eines unterschiedlichen Zugangszu Ressourcen oder Raum feststellen.“Brutalität in der SteinzeitDie LBK-Kultur endete um 5.000 v. Chr.,und es wurden seitdem verschiedene Hypothesenüber ihren Untergang aufgestellt. Ei -
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 213 / 19. 12. 2024Wissenschaft137die von einem Team von BioanthropologInnenunter der Leitung von Maria Teschler-Nicola vom Naturhistorischen Museum Wiendurchgeführt wurden, hatten ergeben, daß esunter den Opfern keine jungen Frauen gab,und die neuen Daten bestätigen das Fehlenvon Verwandten. Die Tatsache, daß viele Kin -der unter den Opfern waren, läßt viele Interpretationendieses bemerkenswerten Ereignissesneolithischer Gewalt zu.Foto: Penny BickleBK Longhaus, typisches LBK Haus, Rekonstruktion im MAMUZ Museum in Asparn/Zayanige gehen davon aus, daß es sich um eineZeit der sozialen und wirtschaftlichen Krisenhandelte, die oft von Episoden weit verbreiteterGewalt begleitet war. Eines der bekanntestenEreignisse ist das Massaker von As -parn-Schletz (Niederösterreich), bei demüber 100 Skelette aus einem Grabensystemgeborgen wurden. Zusammen mit Herxheim(Deutschland) stellt dieser Fundort eine dergrößten bekannten Ansammlungen gewaltsamgetöteter Individuen während des Frühneolithikumsdar, wobei die Skelette Anzeichenvon Gewalt und multiple Frakturen auf -weisen. Pere Gelabert dazu: „Unsere detailliertegenetische Untersuchung der Individuenvon Asparn-Schletz hat gezeigt, daßweniger als zehn genetisch miteinander verwandtsind, was die Hypothese widerlegt, daßdas Massaker eine einzige Population repräsentiert.“Frühere anthropologische Studien,unermüdlich neugierig. Seit 1365.Die Universität Wien ist eine der ältestenund größten Universitäten Europas und da -mit die größte Forschungsinstitution und Bil -dungsstätte Österreichs.Rund 7.500 WissenschafterInnen arbeitenvernetzt an 20 Fakultäten und Zentren anneuen Lösungen und leisten einen wichtigenBeitrag zur Weiterentwicklung der Gesellschaft.Die Universität Wien kooperiert mitWirtschaft, Kultur und Gesellschaft. ForscherInnen,Studierende und Lehrende vereintdas Ziel, mit unermüdlicher NeugierInnovationen zu entdecken. In ihrer Lehremit einer Fächervielfalt von 187 Studienbereitet die Universität Wien jährlich rund9.000 AbsolventInnen auf ihre Berufslaufbahnvor und regt sie zu kritischem Denkenund selbstbestimmtem Handeln an. nhttps://www.univie.ac.atFoto: Landessammlungen NiederösterreichSkelett aus dem Massaker von Asparn-Schletz»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Ausg. Nr. 213 • 19. Dezember 2024
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Foto: Sebastian Kocon / Dachverband
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