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Ausgabe 212

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Das unparteiische, unabhängige Magazin für ÖsterreicherInnen in aller Welt mit dem Schwerpunkt „Österreich, Europa und die Welt“ erscheint vier Mal im Jahr.

ÖSTERREICH JOURNAL NR.

ÖSTERREICH JOURNAL NR. 212 / 29. 10. 2024 Österreich, Europa und die Welt / Oberösterreich Gedenkfeier Lern- und Gedenkort Schloß Hartheim 42 Die diesjährige Gedenkrede wurde von Nikolaus Habjan gehalten. Am 1. Oktober 2024 gedachten zahlreiche Ehrengäste, darunter Angehörige und Nachkommen von Opfern, sowie diplomatische VertreterInnen aus 20 Ländern – unter ihnen BotschafterInnen – im Lern- und Ge - denkort Schloß Hartheim den Menschen, die hier während der NS-Herrschaft ermordet wurden. Insgesamt hatten 219 Gäste teilgenommen. Der 1. Oktober ist historischen For - schungen zufolge das Datum, an dem der sogenannte „Gnadentoderlaß“ Adolf Hitlers erlassen und später auf den 1. September rück - datiert wurde. Dieses historische Dokument bot die Grundlage der Euthanasiemorde in Hartheim und fünf weiteren Tötungsanstalten in der NS-Zeit. Im Renaissanceschloß Hartheim, das bis März 1940 eine Pflegeeinrichtung für Menschen mit Behinderungen war, wurden zwischen Mai 1940 und November 1944 30.000 Menschen ermordet. 18.000 von ihnen wa - ren Menschen mit Behinderungen, psychischen oder chronischen Krankheiten, 12.000 waren Häftlinge aus Konzentrationslagern, die aufgrund der körperlichen Ausbeutung nicht mehr arbeiten konnten, sowie Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Die Menschen wurden in einer Gaskammer im Erdgeschoß ermordet und die Leichen anschliessend in einem eigens dafür eingebauten Ofen verbrannt. Um möglichst wenig Spuren zu hinterlassen, wurden die Asche und letzte persönliche Gegenstände der Menschen rund um das Schloß am Gelände vergraben. Nach archäologischen Grabungen Anfang der 2000er-Jahre wurde die Asche wieder beigesetzt und ein Grabmal errichtet. An diesem Grabmal findet auch die jährliche Gedenkfeier statt. Nach der Begrüßung durch die Obfrau des Vereins Schloß Hartheim, Prof. Konsulen - tin Brigitte Kepplinger, sprach Landeshauptmann Thomas Stelzer Worte des Gedenkens. Er betonte in seiner Rede: „Die Gedenkfeier in Schloß Hartheim ist jedes Jahr ein sichtbares Zeichen dafür, daß sich Oberösterreich zu seiner Verantwortung aus der Geschichte bekennt. Schloß Hartheim ist ein Ort, an dem es darum geht, den ,Wert des Lebens‘ immer wieder neu zu diskutieren und die Foto: Land OÖ / Max Mayrhofer Landeshauptmann Thomas Stelzer (r.): „Die Gedenkfeier in Schloß Hartheim ist jedes Jahr ein sichtbares Zeichen dafür, daß sich Oberösterreich zu seiner Verantwortung aus der Geschichte bekennt.“ Menschen – vor allem junge Menschen, für dieses Thema zu gewinnen. Unser Erinnern darf aber niemals erst in der Stunde null, im Jahr 1945 anfangen. Zu unserem Erinnern gehört auch das Bewußtsein, daß unser Land in den Jahren davor vom Nationalsozialis - mus in den Abgrund des Verbrechens gestossen wurde. Es ist ein fester Bestandteil der Erinnerungskultur, diesen Abgrund auszuschildern und sichtbar zu machen. Das macht eine gemeinsame Erinnerungskultur so wichtig. Zu ihr gehört der demokratische Grundkonsens der Null-Toleranz gegenüber zerstörerischen Hetzern und Extremisten aller Art.“ Die diesjährige Gedenkrede wurde von Nikolaus Habjan gehalten. Der Nestroy- Preisträger hat sich unter anderem durch sein Figurentheater „F. Zawrel – erbbiologisch und sozial minderwertig“ einen Namen in der Gedenkkultur gemacht. Er befaßt sich darin mit dem Schicksal von Friedrich Zaw - rel, der die medizinischen Experimente am Wiener „Spiegelgrund“ überlebte und später als Zeitzeuge seine Erlebnisse schilderte. Nikolaus Habjan hebt in seiner Rede hervor, daß eine Geschichtsvergessenheit dazu führen würde, daß sich am Ende die Dinge nicht »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at zum Positiven verbessern können. Einen Anlaß für seine Auseinandersetzung mit der Geschichte bot die Bekanntschaft mit Friedrich Zawrel: „Was hier im Schloß Hartheim geschah, weiß ich nur, weil ich das Glück hatte, Friedrich Zawrel kennengelernt zu ha - ben. Einen Menschen, der mir in Sachen Ge - schichte die Augen geöffnet hat. Als einer der vielen Opfer der unmenschlichen NS- Justiz und NS-Medizin, hat er jahrzehntelang gelitten, sich aber nie unterkriegen lassen. Er schrieb als Zeitzeuge seine Ge - schichte in viele Köpfe und Herzen junger Menschen, denen er eine Ahnung von der Ungerechtigkeit und Grausamkeit der Jahre 1938 bis 1945 vermittelte. Emotional erfahrbar machte. Er erzählte von seiner Jugend, von den Umständen, die den Menschen von damals, es leicht machten, im März 1938 begeistert einem Führer zuzujubeln, der so - fort danach begann, das sogenannte ,Gesindel‘, Homosexuelle, Roma und Sinti, sowie das ,unwerte‘ Leben zu vernichten.“ Habjan führt weiter aus, daß in seiner Schullaufbahn das Thema NS-Euthanasie nur gestreift wurde, zudem legt er dar, wie die Gedenkkultur in unterschiedlichen Regionen in Österreich gelebt wird und wurde. Daß die

ÖSTERREICH JOURNAL NR. 212 / 29. 10. 2024 Österreich, Europa und die Welt / Oberösterreich 43 Foto: Land OÖ / Max Mayrhofer v.l.: Rudi Hemetsberger, Abg. zum OÖ Landtag und Bürgermeister von Attersee, Sabine Binder, Zweite Präsidentin des Oö. Landtags, Landeshauptmann Thomas Stelzer, Stadträtin der Stadtgemeinde Eferding Astrid Zehetmair und Thomas Antlinger, Abgeordneter zum Oö. Landtag Opfer der Euthanasie zum Großteil na men - los bleiben und auch über die Tä terInnen lange nicht gesprochen wurde. Er merkte zudem an, daß die öffentliche Auseinandersetzung mit den TäterInnen als sehr ambivalent eingestuft werden muß und der Aushandlungsprozeß der Bewertung bis heu te andauert und man mancherorts gerne den Mantel des Schweigens über die Geschehnisse breiten würde. Habjan kam zu folgendem Fazit: „Halten wir die Erinnerung an das schreckliche Ge - schehen frisch, auch wenn die Zahl der Zeitzeugen immer kleiner wird. Nützen wir alle Möglichkeiten, die uns von der Technik, der Kommunikation und der Kunst geboten werden. Es geht um die Menschlichkeit, die den Mördern in Weiß gefehlt hat. Bewahren wir dieses Gefühl, das uns als mitfühlende, mitleidende, helfende und tröstende Wesen auszeichnet[…].“ Im Anschluß an die Gedenkrede wurden auf dem Friedhof der Opfer Gebete von Vertretern der katholischen und der evangelischen Kirche sowie der Israelitischen Kultus - gemeinde gesprochen und Kränze von diplomatischen VertreterInnen und Organisationen niedergelegt. Anläßlich der Gedenkfeier wurde dem Lern- und Gedenkort auch ein Mahnmal zur Erinnerung an die Euthanasie-Opfer übergeben und eine Ausstellung von Werken von SchülerInnen des Körnergymnasiums Linz eröffnet. Im Vorfeld der Gedenkveranstaltung erhielt der Lern- und Gedenkort das Mahnmal „Reichsausschusskind“ als Schenkung vom Österreichischen Berufsverband Foto: © Wikipedia / / CC-BY 4.0 / Isiwal »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at der Sozialen Arbeit. Das Mahnmal entstand 2006 und wurde zum Gedenken an die Opfer der NS-Fürsorge von Karl-Heinz Simonitsch gestaltet. Bei der Übergabe anwesend waren Vertreter des Österreichischen Berufsverbands der Sozialen Arbeit, u.a. der Vorsitzende Christoph Krenn und VertreterInnen des Vereins Schloß Hartheim. Die Ausstellung des Körnergymnasiums Linz „Streiflichter im Nebel“ befaßt sich mit dem Lern- und Gedenkort als Gesamtheit: Un ter der Projektleitung von Peter Pohn, Andreas Egger und Cornelia Werth haben SchülerInnen des Körnergymnasiums Linz in den Fächern Geschichte, Ethik und Kunst ein Ausstellungsprojekt realisiert. Ganz im Sinne von Sehen, Hören und Lesen vertschränken sich bei dieser Ausstellung Ebenen der Fotografie, Malerei, Literatur und In - terviews zu einem kompletten Werk. Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Atelier Neuhauserstadl des Instituts Hartheim unter Leitung von Alfred Heindl und zeigt auch Werke aus deren Sammlung. Sie wurde im Rahmen der Gedenkfeier am 1. Ok - tober eröffnet und ist bis 30. November 2024 zu den Öffnungszeiten des Lern- und Ge - denkorts Schloß Hartheim in der Sala terrena zu besichtigen. Zum Ort und seiner Geschichte: In Schloß Hartheim in Alkoven (OÖ) war von 1940 bis 1944 eine NS-Euthanasieanstalt untergebracht, in der nahezu 30.000 Menschen ermordet wurden. Sie waren teils Be - wohnerInnen von Heil- und Pflegeanstalten sowie Betreuungseinrichtungen, teils arbeits - unfähige KZ-Häftlinge aus den Lagern Mauthausen, Gusen, Dachau und Ravensbrück sowie ZwangsarbeiterInnen. 1995 wurde der Verein Schloß Hartheim gegründet, dessen Ziel es war, in Schloß Hartheim einen angemessenen Ort der Erinnerung, des Gedenkens und der gesellschaftlichen Auseinandersetzung zu schaffen. Im Jahr 2003 wurde aus Mitteln des Landes OÖ und des Bundes mit der Gedenkstätte und der Ausstellung „Wert des Lebens“ der Lernund Gedenkort Schloß Hartheim errichtet. 2021 öffnete die neue Dauerausstellung – finanziert aus Mitteln des Landes OÖ – ihre Türen. n https://www.schloss-hartheim.at/ Ein Video der Ge denkfeier steht auf dem You tube-Kanal des Lern- und Gedenkorts zur Verfügung: https://is.gd/2WiD4Q Der Lern- und Gedenkort Schloß Hartheim im oberösterreichischen Alkoven im Bezirk Eferding

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