ÖSteRReIcH JOuRNAl NR. 212 / 29. 10. 2024 Wissenschaft Alternative im Auto und Flugzeugbau 160 Forschenden der tu Graz gelang es mittels 3D-Drucktechnik und ultraschall, den nachwachsenden Rohstoff Holz mit Metall und Kunststoff-Verbundwerkstoffen extrem fest zu verbinden. Der nachwachsende Rohstoff Holz ist klimaneutral, leicht und fest zugleich und dadurch grundsätzlich attraktiv für den Einsatz im Fahrzeugbau. Eine Herausforderung dabei ist bislang die robuste Verbindung zwischen Holz und den anderen Materialien im Fahrzeug wie Metallen und Kunststoff-Verbundwerkstoffen. Das Forschungsteam um Sergio Amancio am Institut für Werkstoffkunde, Fügetechnik und Umformtechnik der TU Graz - Gean Marcatto, Awais Awan, Willian Carvalho und Stefan Herbst - hat nun zwei Techniken erfolgreich getestet, mit denen solche extrem festen Verbindungen ohne Klebstoff oder Schrauben gelingen. Die Anwendung der Techniken am Material Holz sind zum Patent angemeldet und könnten in der Flugzeugindustrie, dem Automobilbau und der Möbelbranche zum Einsatz kommen. Die beiden Fügetechniken eignen sich für jeweils eigene Anwendungsgebiete, als Testmaterialien kamen Buchen- bzw. Eichenholz und ein kohlenstofffaserverstärktes Polyamid und Polyphenylensulfid, sowie Edelstahl 316L und Ti-64-Legierungen zum Einsatz. „Unsere Motivation ist klar der Umweltschutz“, sagt Sergio Amancio. Mit neuen Fertigungsverfahren könnte der nachwachsende Rohstoff Holz Bauteile aus energieintensiven oder schwer recycelbaren Materialien ersetzen. Bei der AddJoining-Technik wird auf einer Oberfläche – in diesem Fall Holz – an - gesetzt und mit einem 3D-Druck-Verfahren direkt ein Bauteil aus Kunststoff-Verbundwerkstoffen aufgedruckt. Das aufgedruckte Material dringt in die Holzporen ein, wo es zu einer chemischen Reaktion kommt, ähnlich der Reaktion von Klebstoff mit Holz. Die daraus entstandenen Verbindungen schlos - sen in mechanischen Belastungstests höchst erfolgreich ab. „Wir konnten nach dem Bruch der Konstruktion in den Holzporen Kunststoff und im Kunststoff Holzfasern finden, was darauf schließen läßt, daß der Bruch im Holz oder Kunststoff, aber nicht an der Verbindung stattgefunden hat“, erklärt Gean Foto: TU Graz / Wolf Foto: TU Graz / Wolf v.l.: Awais Awan, Sergio Amancio und Gean Marcatto vom Institut für Werkstoffkunde, Fügetechnik und Umformtechnik der TU Graz Beim Ultraschallfügen verbinden sich Holz und Grundbauteil durch Reibungshitze Marcatto, der als Postdoc am Institut an diesem Prozeß gearbeitet hat. Diese erfolgreichen Versuche wurden an der unbehandelten Holzoberfläche durchgeführt. Noch wesentlich haltbarere Verbindungen könnten entstehen, wenn vorab durch Ätzen oder Lasern eine Mikro- oder Nano-Struktur in das Holz eingearbeitet wird, um die Poren und damit die Anbindungsflächen zu erhöhen. „Wir wollten aber mit möglichst wenigen Schritten und vor allem ohne Chemikalien arbeiten“, erklärt Sergio Amancio den Hintergedanken. „Diese Technik können wir vor allem mit komplizierten Geometrien gut »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at anwenden, weil die Bauteile direkt auf die Oberfläche gedruckt werden – in welcher Geo metrie auch immer erforderlich.“ Beim Ultraschallfügen wird ein Holzbauteil durch eine Sonotrode in Vibration versetzt. Bei Kontakt mit dem Grundbauteil – in diesem Fall Kunststoff oder Kunststoff-Verbundwerkstoff– entsteht durch die Reibung Hitze und das Holz dringt in die Oberfläche des Grundbauteils ein. So läßt sich eine sehr stabile Punktverbindung erzielen, gemischt aus mechanischer Verzahnung (weil der ge - schmolzene Kunststoff im Holz wieder er - starrt) und Adhäsionskräften. „Diese Technik eignet sich vor allem für lange Bauteile und 2D-Strukturen, da wir eine sehr gezielte statt einer flächigen Verbindung erreichen“, erklärt Awais Awan, der sein Doktorat der Fügetechnik mittels Ultraschalles gewidmet hat. Auch diese Verbindungen konnten äusserst erfolgreich mechanisch getestet werden. Durch eine gezielte Oberflächenbehandlung und Anpassung der Porenstruktur bzw. Oberflächentexturierung könnte die Hybridverbindung ebenfalls verbessert werden. In Zu - kunft möchte das Team mit Partnern aus der Automobil-, Flugzeug- und Möbelbranche weiter an den Technologien feilen. • https://www.tugraz.at/
ÖSteRReIcH JOuRNAl NR. 212 / 29. 10. 2024 Wissenschaft Start für erste tiefengeothermie-Anlage Wiens 161 OMV und Wien energie haben mit dem Gemeinschaftsunternehmen deeep die erforderlichen Genehmigungsverfahren abgeschlossen und starten mit der Bohrplatzeinrichtung. Wien hat ideale Voraussetzungen für die Nutzung von Tiefengeothermie“, sagte Peter Weinelt, Generaldirektor der Wiener Stadtwerke. „Wir haben ein großes natürliches Heißwasserreservoir tief unter der Stadt und ein gut ausgebautes Fernwärmenetz, um die Energie an die Kundinnen und Kunden zu verteilen. Damit wird nicht nur dem Klima geholfen, die Technologie trägt auch zur Versorgungssicherheit und zur Preisstabilität beitragen – denn sie macht Wien ein Stück unabhängiger von Gasimpor ten.“ Derzeit bereitet deeep in Aspern (Wien- Donaustadt) den Bohrplatz für Tiefenbohrungen vor, die im Winter 2024/2025 anlaufen. Die Anlage soll künftig klimaneutrale Fernwärme für umgerechnet bis zu 20.000 Wiener Haushalte erzeugen. „Nach jahrelangen Forschungs- und Planungsarbeiten starten wir nun in die Umsetzung. Gemeinsam mit unserem Partner OMV haben wir letztes Jahr das Gemeinschaftsunternehmen deeep gegründet, um unsere Kräfte zu bündeln. Wir wollen die Tiefengeothermie nutzen, um die Wärmewende in Wien voranzutreiben und die Fernwärme bis 2040 klimaneutral zu erzeugen. Diesem Ziel kommen wir mit der Errichtung der ersten Tiefengeothermie-An - lage Wiens einen großen Schritt näher“, er - klärt Michael Strebl, Vorsitzender der Wien Energie-Geschäftsführung. Die Tiefenbohrungen sind das Herzstück der Anlage in Aspern. Sie gehen über 3.000 Meter in die Tiefe, um das heiße Formationswasser dort für die Wärmeerzeugung zu nutzen. Für den Untertage-Bereich des deeep- Projekts ist OMV verantwortlich. „Die OMV will bis spätestens 2050 Netto-Null-Emissionen erreichen. Die Geothermie spielt eine wichtige Rolle in unserer Strategie. Mit dieser innovativen Technologie senken wir CO 2 -Emissionen und treten dem Klimawandel entgegen. Wir greifen dabei auf unsere jahrzehntelange Erfahrung im Explorationsund Bohrgeschäft zurück. Mit der Errichtung des Bohrplatzes kommen wir nun der Erzeugung von nachhaltiger Fernwärme in Wien einen weiteren Schritt näher“, so Alfred Stern, Foto: deeep / Max Kropitz v.l.: Michael Strebl (Vorsitzender der Wien Energie-Geschäftsführung), Alfred Stern (OMV- Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor), Peter Weinelt (Generaldirektor der Wiener Stadtwerke) und Berislav Gaso (OMV Executive Vice President Energy) Vorstandsvorsitzender der OMV Aktiengesellschaft. Potential: Grüne Wärme für bis zu 200.000 Wiener Haushalte Die erste Tiefengeothermie-Anlage von deeep dient als Grundlage für den weiteren Ausbau der Geothermie in Wien. Insgesamt wollen OMV und Wien Energie Tiefengeothermie-Anlagen mit einer Leistung von bis zu 200 Megawatt entwickeln. Damit kann klimaneutrale Fernwärme für umgerechnet bis zu 200.000 Wiener Haushalte erzeugt werden. Die Partner planen bis zu sieben Tiefengeothermie-Anlagen in Wien im Rahmen von Bohrprogrammen umzusetzen. Bei einem Bohrprogramm werden mehrere Bohrungen und Anlagenstandorte parallel ge - plant und errichtet. Dies hat den Vorteil, daß Ressourcen effizienter eingesetzt werden können. Der genaue Zeitplan für die Umsetzung sowie die Leistung dieser weiteren An - lagen ist von den Erkenntnissen aus der Pi - lotanlage in Aspern abhängig. Die Tiefengeothermie-Anlage in Aspern Der künftige Anlagenstandort befindet sich am Rande der Seestadt Aspern. Die »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at Bohrplatzerrichtung dauert dort knapp drei Monate. In dieser Zeit baut das deeep-Projektteam auf dem künftigen Anlagengelände die Zufahrtswege, bereitet die notwendige In frastruktur vor und richtet Baucontainer ein. Schlußendlich wird der Bohrturm für die Tiefenbohrungen aufgestellt. Auch ein In focenter für AnrainerInnen und InteressentInnen entsteht am Bohrplatz. Noch im Winter 2024/2025 ist der Start der Bohrungen geplant. Oberirdische Anlage wird nach Fördertests errichtet Im Sommer 2025 werden nach den Tiefenbohrungen sogenannte Fördertests durchgeführt. Dabei untersucht das Projektteam das erschlossene Formationswasser hinsichtlich Temperatur, chemischer Zusammensetzung und Fördermenge. Das im östlichen Raum Wiens gespeicherte Thermalwasser weist aufgrund seiner Millionen Jahre langen Isolierung im Gestein jedenfalls eine hohe Mineralisation (z.B. Salzgehalt) auf und ist daher nicht trinkbar. Auf Basis der Erkenntnisse aus diesen Untersuchungen wird ab 2026 die sogenannte Obertage-Anlage – also der Teil der Tiefengeothermie-Anlage an der
Ausg. Nr. 212 • 29. Oktober 2024
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