ÖSTERREICH JOURNAL NR. 211 / 31. 07. 2024 Österreich, Europa und die Welt 24 griffskrieg gegen die Ukraine nach Europa zurückgekehrt sei. Die EU sei daher gefordert, Haltung zu zeigen und die europäischen Werte zu verteidigen. Die Grundpfeiler da - bei seien die Werte Wohlstand, Demokratie und „der Gedanke der Freiheit in ihrer Vielfalt, wie sie die Europäische Union auszeichnet“, hielt Nehammer fest. Man müsse sich der Wertediskussion stellen, was Freiheit, Rede- und Versammlungsfreiheit heiße und was es bedeute, diese Werte nicht nur zu leben, sondern sie auch zu verteidigen, denn: „Wir sind als Demokratie auf der Welt eine Minderheit“, so der Bundeskanzler. „Besser gemeinsam als einsam“ Karl Nehammer erinnerte in seiner Rede auch an den erfolgreichen Abschluß der EU- Beitrittsverhandlungen vor 30 Jahren als einen der wichtigsten Momente in der österreichischen Geschichte. Obwohl es nicht wenige gegeben hätte, die Angst vor der Veränderung hatten, habe sich gezeigt, daß die Vorteile überwältigend seien: „Sie lassen sich monetär und faktisch festhalten: 1,2 Millionen Arbeitsplätze sind dazugekommen, jeder zweite Arbeitsplatz in Österreich hängt an der Exportwirtschaft. Ein gemeinsamer Markt ermöglicht den Export und Verhandlungen mit den großen und mächtigen Konkurrenten auf der Welt“, hielt Karl Nehammer fest. Die Wertegemeinschaft ermögliche es auch, daß man Probleme gemeinsam diskutiert und löst. Durch die Krisen und vielfältigen Herausforderungen der letzten Jahre gebe es nun eine neue Atmosphäre der Zusammenarbeit, in der durch Allianzen Kompromisse geschlossen würden. Kompromiss nicht Schwäche, sondern Stärke der Demokratie Den 27 Mitgliedsstaaten mit völlig verschiedenen Zugängen zu Herausforderungen und anderen Erfahrungen gelinge es im Dis - kurs immer wieder, Verschiedenes zusam - men zuführen und einen Kompromiß zu su - chen: „Der Kompromiß ist das Fundament der Demokratie. Es ist uns verloren gegangen, das zu betonen: nicht als Schwäche, sondern als Stärke des Diskurses. Das ist so wichtig und das muß man erklären: Demokratie heißt immer, aufeinander zuzugehen. Demokratie heißt immer, ein Stück weit von seinen eigenen Ansprüchen zurückzutreten und die des anderen anzunehmen“, betonte der Kanzler. Die Aufgabe der Regierungschefs in den EU-Gremien sei das Ringen um die besseren Ideen und stets den Ansatz zu verfolgen, wie man die EU verbessern kön - Foto: BKA / Florian Schrötter Ein Blick auf den Festakt im Plenarsaal des Parlaments ne. 2024 sei ein besonderes Jahr, weil alle die Chance hätten, bei der Europawahl wieder ihre Stimme über die künftige Richtung der EU abzugeben. Herausforderungen über die Zukunft der EU Um die Zukunft zu sichern, die Union weiterzuentwickeln und etwas zu bewegen, müßten Herausforderungen angegangen werden. Der Bundeskanzler nannte hier in er - ster Linie das Thema Migration mit den Be - reichen Außengrenzschutz, schnellere Asylverfahren und Rückkehrmöglichkeiten für jene, die nicht bleiben können sowie Ab - kommen mit Drittstaaten, die wichtig seien, um Druck von den Außengrenzen zu nehmen. Auch das Thema Sicherheit stehe auf der Agenda ganz oben: „Es geht um den Kampf gegen den Terror sowie um den Kampf ge - gen organisierte Kriminalität und Menschenhandel. Dazu kommt das Phänomen der irregulären Migration, das die Systeme überlastet, die Stimmung in Europa kippen läßt und den Glauben an die Einheit Europas in die Minderheit bringen kann. Das Thema ist mehr als wichtig. Umso wichtiger ist es, daß wir hier Prioritäten setzen“, so der Bundeskanzler. Europäisches Selbstverständnis überdenken Es brauche in Europa aber auch ein Um - denken über das eigene Selbstverständnis. „Wir neigen in Europa aufgrund unserer langen Geschichte dazu, uns für sehr überlegen zu empfinden. Das ist eine Einstellung und »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at Haltung, die höchst bedenklich ist, wenn man an den Umgang der anderen großen Partner in der Welt denkt“, so Nehammer, der gleichzeitig an bevölkerungs- und wirtschaftsstarke Länder wie Indien oder China erinnerte. Man müsse lernen, daß man mit den eigenen Haltungen nicht die Welt überzeugen könne und Verbündete suchen. Über den Weg des Dialogs und der Kooperation könnten dann neue Wege der Zusammenarbeit be - schritten werden. Denn die Welt sei oft wettbewerbsfähiger und dynamischer als Europa, hier müßte man reagieren und die Konkurrenzfähigkeit erhöhen. „Wir haben mo - mentan das Phänomen, daß wir in vielen Bereichen überreguliert sind. Wir brauchen die Freiheit in Forschung und bei Innovationen, damit wir den Anschluß an jene nicht verlieren, die nicht zögern, uns wirtschaftund standortpolitisch zu überholen“, so Ne - hammer. Die Europäische Union sei eine der wohlhabendsten Regionen der Welt. Dies könne aber nur durch Leistung und Arbeit bewahrt werden und indem man die Produkte, die man herstelle, auch verkaufen könne. Das seien große Herausforderungen, denen man sich stellen müsse. Auch die ge - plante Erweiterung der Union um den Westbalkan oder eine gemeinsame Sicherheitsund Verteidigungspolitik zähle dazu. Aber es brauche ein klares Signal von der EU-Kommission und des EU-Parlaments. Daher sei die Europawahl so wichtig. „Jede Stimme zählt. Am 9. Juni ist Ihre Chance bei der Europawahl abzustimmen. Bitte gehen Sie hin“, so Nehammer abschließend. n
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 211 / 31. 07. 2024 Österreich, Europa und die Welt 25 »DenkStein Eiserner Vorhang« Gerade als junge Politikerin aus dem Mühlviertel halte ich es für enorm wich - tig, daß wir uns an dieses dunkle Kapitel unserer Geschichte erinnern“, betonte Ju - gendstaatssekretärin Claudia Plakolm im Vor - feld des Europatags am 8. Mai bei einem Festakt in Guglwald, Gemeinde Vorderweissenbach in Oberösterreich. „Das Zusammenleben, wie wir es heute kennen, ist nicht selbstverständlich. Das müssen wir auch stärker nach außen tragen und das tut der Verein mit seiner wertvollen Arbeit und dieser wichtigen Initiative und Erhaltung des DenkSteins in Guglwald. Auseinandersetzung mit Freiheit und Demokratie fördern Anläßlich des Europatags am 9. Mai legten dort die Staatssekretärin und Bernhard Winkler, Obmann des Vereins „DenkStein Eiserner Vorhang“, an der „DenkStätte Ei - serner Vorhang“ einen Kranz nieder. Der Fall des Eisernen Vorhangs jährt sich heuer zum 35. Mal. Winkler wies in seiner Ansprache darauf hin, daß an diesem Ort zur Reflexion über den Wert von Freiheit und Demokratie angeregt werden solle, jenseits der Erinnerung an vergangene Unterdrückung. Das Anliegen des Vereins sei es, die proaktive Auseinandersetzung mit Freiheit und Demokratie in einem grenzenlosen Europa, besonders bei der Ju - gend, zu fördern. Das werde durch den ge - wählten Leitspruch „Impulse für Europa“ zusätzlich betont. Daher wurde der Termin für diesen Festakt bewußt bereits im Vorfeld zum Europatag gewählt. Der Rektor der Budweiser Hochschule für Europa- und Regionalstudien, Jiří Dušek, be - tonte aus tschechischer Perspektive, wie wichtig ein starker Zusammenhalt innerhalb Europas und insbesondere zwischen den beiden Nachbarstaaten sei. Mit dem Gedenken halte man die gemeinsamen Werte Freiheit, Toleranz und Solidarität hoch, die heute selbstverständlich seien, aber damals unvorstellbar waren. Foto: BKA / Andy Wenzel Foto: BKA / Andy Wenzel Staatssekretärin Claudia Plakolm und Bernhard Winkler, Obmann des Vereins „DenkStein Eiserner Vorhang“, … … und mit Staatssekretär a. D. Helmut Kukacka in Guglwald beim Gedenken an den Eisernen Vorhang Originaler Stacheldrahtballen erstmals präsentiert Die gemeinsame Kranzniederlegung er - folgte vor einem originalen Stacheldrahtballen des früheren Eisernen Vorhangs. Diese Installation wurde erst wenige Tage vor der Veranstaltung realisiert und erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Der Kranzniederlegung wohnten unter anderem Staatssekretär a. D. Helmut Kukacka, der Vize-Präsident des Bundesrats Dominik Reisinger, die Nationalratsabgeordnete Johanna Jachs, der Bürgermeister von Vorderweißenbach Bernhard Thumfart sowie weitere Vertreter aus der Region und aus Tschechien bei. DenkStein Eiserner Vorhang Europa wurde bis ins Jahr 1989 durch den Eisernen Vorhang in zwei Teile getrennt. Dessen Verlauf lag genau entlang der Grenze zu Österreich, unter anderem im Mühlviertel. Stacheldrahtsperren, Minen und elektrisch geladene Zäune machten das Überschreiten der Grenze unmöglich. Vielen jungen Menschen ist dieses dunkle Kapitel der europäischen Geschichte gar nicht mehr bewußt. Der DenkStein in Guglwald soll da - her als mahnendes Artefakt für diese düstere Zeit stehen. n https://eisernervorhang.eu/ »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
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