ÖSTERREICH JOURNAL NR. 211 / 31. 07. 2024 Österreich, Europa und die Welt 22 Foto: Belgian presidency Aus dem Bundeskanzleramt *) Europaministerin Karoline Edtstadler beim Informellen Rat in Brüssel Die EU-Erweiterung und Rechtsstaatlichkeit stehen im Mittelpunkt unserer heutigen Diskussionen“, sagte Europaministerin Karoline Edtstadler am 30. April bei einem Informellen Ratstreffen in Brüssel. „Dabei werden auch die Erweiterungskandidatenländer mit uns am Tisch sitzen. Unser Ziel ist klar: Wir wollen die Erweiterung der Europäischen Union vorantreiben.“ Erst tags zuvor habe man sich bei einer Jubiläumsveranstaltung an die große EU-Osterweiterung vor 20 Jahren erinnert. „Es wird deutlich, daß das heute angesichts der jetzigen geopolitischen Situation vor dem Hintergrund der russischen Aggression nicht mehr so einfach wäre. Wir müssen uns dessen bewußt sein, daß wir nur stark sein können, wenn wir zu - sammenhalten und wenn wir für die Erweite - rungskandidaten glaubwürdige Partner sind, die hier die entscheidenden Schritte setzen.“ „Ich trete dafür ein, daß wir die graduelle Integration weiter vorantreiben und insbeson - dere einen Sonderkoordinator in der Europäischen Kommission bestellen, der dafür sorgt, daß wir die Fortschritte der anderen Kandidatenländer noch besser koordinieren. Aus österreichischer Sicht möchte ich einmal mehr betonen, daß vor allem die Länder des Westbalkans ganz wesentlich für das Zu - sammenführen der Europäischen Union in eine große EU der 33 plus sind“, hielt die Europaministerin in Brüssel fest. Dafür sei neben den Menschenrechten und der Demokratie die Rechtsstaatlichkeit ein ganz wesentlicher Baustein. *) Da wir keine Abonnenten der Austria Presse Agentur sind, steht uns leider nur sehr wenig Pressematerial aus dem Bundeskanzleramt zur Verfügung Foto: BKA / Andy Wenzel „Ich freue mich daher sehr, daß bereits vier Staaten des Westbalkans im jährlichen Rechtsstaatlichkeitsmechanismus dabei sind. Lassen Sie uns öfter mit diesen Ländern darüber sprechen, welche Schritte sie gesetzt haben. Unterstützen wir sie durch Twinning- Projekte und Ähnliches, damit sie an das Niveau der Europäischen Union herangeführt werden können, denn Rechtsstaatlichkeit ist die Basis für das Funktionieren der EU. Nur wenn wir zusammenhalten und die europäischen Werte weitertragen, dann sind wir eine starke geopolitische Union in der Welt, die gegen alle Herausforderungen be - stehen kann“, freute sich die Ministerin auf wichtige und spannende Diskussionen. n »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at 3. European Conference Won Antisemitism in Wien ir müssen uns selbst die Frage stellen, in welcher Art von Gesellschaft wir leben möchten“, sagte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler am 6. Mai eingangs der von ihr initiierten European Conference on Antisemitism im Festsaal der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien. „Derzeit befinden wir uns in einem bedeutenden Moment der Geschichte mit vielen Herausforderungen, Konflikten und Kriegen. Und das hat einen Einfluß auf uns und unsere Gesellschaften. Möchten wir in einer Gesellschaft leben, die Neid, Intoleranz und Haß erlaubt? Oder wollen wir eine von sozialem Frieden, Zusammenhalt und Toleranz geprägte Gemeinschaft, die die Un - terschiede zwischen den Menschen ak - zeptiert?“, ergänzte Edtstadler. Ein Blick auf mehrere Länder zeige, daß dies nicht selbstverständlich sei. Kampf gegen Antisemitismus als Schutz für Demokratie Es gebe unzählige Gründe, warum man sich für jüdisches Leben einsetzen müsse. „Die Ausmaße von antisemitischen Vorfällen sind ein Barometer für die Stärke unserer Gesellschaft. Die Geschichte hat uns ge - zeigt, daß es mit Haß und Intoleranz gegenüber Jüdinnen und Juden beginnt, es aber damit nicht endet. Der Kampf gegen Antise- Verfassungsministerin Karoline Edtstadler bei der von ihr initiierten European Conference on Antisemitism im Festsaal der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien.
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 211 / 31. 07. 2024 Österreich, Europa und die Welt 23 mitismus ist eine Schutzvorrichtung für unsere liberalen Demokratien“, erläuterte die Verfassungsministerin bei ihren Eröffnungsworten. Der Europäische Rat habe bereits in seiner Erklärung vom 2. Dezember 2020 die Bedeutung jüdischen Lebens festgelegt. „Es ist unsere Aufgabe und Pflicht, den Jüdinnen und Juden das gleiche Gefühl von Sicherheit und Freiheit zu vermitteln wie der gesamten restlichen Bevölkerung in der Europäischen Union“, betonte Karoline Edtstadler. Seit 7. Oktober 2023 sei in einigen Ländern die Anzahl von antisemitischen Zwi - schenfällen um mehr als 1.000 Prozent angestiegen. „Wenn die jüdische Bevölkerung dar - um ersucht wird, aus Sicherheitsgründen zu Hause zu bleiben, müssen wir handeln: jetzt und mit Bestimmtheit“, unterstrich Edtstadler. In Österreich seien 2023 die antisemitischen Vorfälle um 60 Prozent gestiegen. „Dis - kriminierung und Gewalt gegen Jüdinnen und Juden passieren zunehmend in der Öffentlichkeit. Erst letzte Woche gab es Graffitiparolen im jüdischen Viertel von Wien, heute eine Farbattacke auf diese Konferenz. Vor allem auch soziale Medien spielen eine wesentliche Rolle bei der Veröffentlichung antisemitischer Meldungen, erleichtert durch eine algorithmische Verstärkerwirkung. Das passiert sowohl offen, als auch verdeckt.“ Koordiniert gegen Antisemitismus vorgehen „Jeder Angriff auf jüdisches Leben ist auch ein Angriff auf unsere Gesellschaft. Das können wir nicht akzeptieren und tolerieren. Problemlösungen dazu sind vielfältig und komplex. Heutzutage zeigt sich Antisemitismus oftmals als Kritik am israelischen Staat, zunehmend von der linken Seite des politischen Spektrums“, sagte Edtstadler und verwies auf Slogans, die den Wunsch nach dessen Zerstörung zeigen würden. Nachdem Österreich 2021 der erste EU-Mitgliedsstaat mit einer umfassenden Nationalen Strategie gegen Antisemitismus gewesen sei, müsse man weiterhin fortlaufend neue Maßnahmen entwickeln. „Daher habe ich erst vor einigen Wochen ein Maßnahmenpaket gegen Online-Antisemitismus präsentiert. Damit soll die Zusammenarbeit mit Online-Plattformen verstärkt und die Widerstandsfähigkeit der Zivilgesellschaft gestärkt werden. Denn An– tisemitismus ist ein Phänomen, gegen das man nur mit koordinierten Aktivitäten ankämpfen kann“, so Edtstadler. Daher habe man diese Konferenz initiiert und die Wiener Erklärung vom 18. Mai 2022 angenommen, die mittlerweile von 15 Mitgliedsstaaten un - terzeichnet wurde. Foto: BKA / Florian Schrötter Unserer Gesellschaft ein friedliches Zusammenleben ermöglichen „Heute begehen wir Yom haShoah, den Tag, an dem wir den Opfern der Shoah ge - denken, nicht nur in Israel, sondern auch in anderen Ländern. Auch das zeigt uns, wie wesentlich unsere Arbeit ist und wie notwendig es ist, an einer Zukunft frei von Antisemitismus zu arbeiten. Meine Vision ist ein Österreich, ein Europa und eine Welt, in der kein Platz für Antisemitismus ist. Nur wenn wir dabei erfolgreich sind, können wir in unserer Gesellschaft ein nachhaltiges, friedliches Zusammenleben ermöglichen. In einer Gesellschaft ohne Furcht, Neid und Haß“, Die Einheit Europas war ein Traum von wenigen. Sie wurde die Hoffnung für viele. Und sie ist heute die Notwendigkeit für alle‘. Diese Worte, die Konrad Adenauer 1954 in seiner Regierungserklärung gesagt hat, haben heute ebenso viel Gewicht und Bedeutung, wie damals“, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer am 6. Mai in seiner Rede beim Festakt zum Europatag 2024 im Parlament, in der er zunächst an die Geschichte und die Anfänge der Europäischen Union erinnerte und an ein Europa, das nach 1945 in Trümmern lag. Es bräuchte immer mutige politische Entscheidungsträger, die über die Grenzen hinausblicken wie etwa Konrad Adenauer, Charles de Gaulle oder Robert Schuman und das Denkunmögliche umsetzen. So sollten durch die Vergemeinschaftung der kriegswichtigen Ressourcen Kohle und Stahl weitere Kriege innerhalb Europas Bundeskanzler Karl Nehammer (r.) Im Bild mit dem amtsführenden Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, Wolfgang Bogensberger »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at schloß die Verfassungsministerin ihre An - sprache. Bei der zum dritten Mal stattfindenden Konferenz waren ExpertInnen dazu eingeladen, gemeinsam Maßnahmen gegen Antisemitismus zu diskutieren und Initiativen zu erarbeiten, die jüdisches Leben in Europa fördern. Zum Themenschwerpunkt der Auswirkungen des terroristischen Anschlags der Hamas auf Israel gab es eine Videobotschaft des israelischen Präsidenten Isaac Herzog. Die Keynote hielt die Sonderbeauftragte der US-amerikanischen Regierung zur Beobachtung und Bekämpfung von Antisemitismus, Botschafterin Deborah Lipstadt. n Festakt zum Europatag im Parlament verhindern werden: „Aus dem Robert Schuman-Plan ist die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl entstanden und aus dieser in weiterer Folge die Europäische Union. Aber der Anlaßfall, der Mut zur Entschlossenheit, zu sagen, daß wir die Ressourcen vergemeinschaften, das war die mutige Idee von mutigen politisch Verantwortlichen. Sie haben sich darauf eingelassen, die eigenen Grenzen zu überwinden, um in weiterer Fol - ge ein viel größeres Projekt zu schaffen. Das ist einzigartig, denn die Europäische Union ist ein jahrzehntelanges Friedensprojekt“, so der Bundeskanzler. Eine so lange Periode des Friedens habe es innerhalb Europas noch nie gegeben. Krieg ist nach Europa zurückgekehrt Man müsse sich jedoch der Realität stellen, daß der Krieg durch den russischen An -
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