Ausgabe 211

ÖSTERREICH JOURNAL NR.

ÖSTERREICH JOURNAL NR. 211 / 31. 07. 2024 Österreich, Europa und die Welt / Burgenländische Gemeinschaft Chicago, die Stadt der Burgenländer, einst und heute 118 Foto: Pixabay / Manfred Reinert Gebt mir eure Müden, eure Armen, eure geknechteten Massen, die frei zu atmen begehren!“ Diese Worte, die am Sockel der Freiheitsstatue in New York eingraviert sind, galten als ein Willkommensgruß und als Ma - nifest der Freiheit an die Millionen Einwanderer, die in die „Neue Welt“, in die Vereinig - ten Staaten von Amerika kamen, sagte Em - merich Koller, der 1960 mit seiner Familie aus Bildein nach Amerika ausreiste. Heute lebt er in Chicago, wo einst mehr als 30.000 Burgenländer – doppelt so viele wie heute in Eisenstadt – lebten. Chicago wurde daher oft gerne als die „Stadt der Burgenländer“ be - zeichnet. Die ersten „Pioniere von Chicago“ reisten 1900 mit dem riesigen Dampfer der „Kaiser Wilhelm“ als „Zwischendecker“ in der Holzklasse in die aufstrebende Metropole am Süd ufer des Lake Michigan, in der ein grosser Bedarf an Arbeitskräften bestand. Sie ka - men hauptsächlich aus dem Bezirk Oberwart unter ihnen der aus Grodnau stammende Jo - hann Wenzel, der mehrere Auswandertrans - porte nach Amerika zusammenstellte und in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten brachte. Die Bereitschaft, sich durch harte Arbeit das Leben in der neuen Heimat aufzubauen, ein sehr aktives Vereinsleben und der gesellschaftliche Rang vieler Burgenländer machten die tausenden Einwanderer aus dem Burgenland zu einer nicht übersehenden Gruppe in der Stadt. Als der damalige Landeshauptmann des Burgenlandes Johann Wagner im Jahre 1957 den Bürgermeister von Chicago besuchte, wurde ihm von diesem bescheinigt: „Die Burgenländer sind brave und fleißige Leute. Ich wollt’, ich hätte mehr Burgenländer in meiner Stadt, dann hätte ich mehr Freude und weniger Sorgen!“ schreibt Prof. Walter Dujmovits in seinem Buch „Die Amerikawanderung der Burgenländer“. Was ist nun aus der einst so starken Community der Burgenländer in Chicago heute geworden? http://www.burgenlaender.com/ Sie hat sich über die Jahrzehnte im Schmelztiegel der pulsierenden, heute drittgrößten Stadt Amerikas fast aufgelöst. Die meisten Nachkommen der burgenländischen Migranten von einst, kennen das Burgenland nur noch in Form nostalgischer Erzählungen. Es gibt zwar noch eine kleine burgenländische Gemeinschaft, wie den „Jolly Burgenländer Social Club“ unter der Leitung der früheren „Miss Burgenland Chicago“ Anita Walthier, die sich bei Zusammenkünften und Feierlichkeiten ihrer Wurzeln besinnt. Ge - meinsame Versammlungen sind jedoch selten geworden. Prof. Emmerich Koller sieht im allmählichen Verschwinden der Burgenland-Community eine gelungene Integration in die amerikanische Gesellschaft, wie sie sich jedes Land nur wünschen kann. Die Burgenländer haben längst tiefe Wurzeln in Amerika geschlagen und sind gute Amerikaner geworden, aber treue Burgenländer ge - blieben. Edi Nicka

ÖSTERREICH JOURNAL NR. 211 / 31. 07. 2024 Wirtschaft WIFO Prognose für 2024/2025 Hohe Verunsicherung hält Österreichs Wirtschaft in der Stagnation Nach der Rezession im Vorjahr wird die österreichische Wirtschaft 2024 stagnie - ren. Vorlaufindikatoren geben weiterhin keine Hinweise auf eine baldige Konjunkturbelebung. Erst 2025 könnte eine etwas günstigere Entwicklung einsetzen, sobald mit der Weltkonjunktur auch die Exporte anziehen und den Impuls der inländischen Nachfrage verstärken. Nach dem Rückgang im Jahr 2023 (0,8 %) und der Stagnation 2024 wird das BIP daher erst 2025 wieder nennenswert wachsen (+1,5 %). „Die Konjunktur ist 2024 von einer Zweiteilung geprägt: Einer Expansion der Marktdienstleistungen steht eine anhaltende Industrierezession ge - genüber“, so Christian Glocker, einer der Autoren der aktuellen WIFO-Prognose. Die österreichische Wirtschaft befindet sich bereits seit Ende des II. Quartals 2022 in einer Schwächephase. Sowohl aus dem In - land als auch aus dem Ausland fehlen expansive Impulse. Die flaue Inlands- und Exportnachfrage ließen Industrie und Bauwirtschaft in die Rezession schlittern, während 119 die ungünstige Auftragslage zusammen mit der rückläufigen Endnachfrage und der ge - drückten Stimmung die Investitionsbereitschaft dämpfte. Vorlaufindikatoren lassen auch für 2024 keine Konjunkturbelebung erwarten – zum Teil haben sie sich zuletzt sogar wieder verschlechtert. Vieles spricht dafür, daß die Binnenkonjunktur weiterhin schleppend verlaufen wird. Zwar hat bei den Marktdienstleistern bereits ein Aufwärtstrend eingesetzt, der durch eine moderate Belebung des priva- Hauptergebnisse der Prognose Quelle: WIFO, Arbeitsmarktservice Österreich, Dachverband der Sozialversicherungsträger, OeNB, Statistik Austria, Umweltbundesamt. 2024 und 2025: Prognose. 1) Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck. 2) Einschließ- lich militärischer Waffensysteme und sonstiger Anlagen. 3) Ohne Personen in aufrechtem Dienstverhältnis, die Kinderbetreuungsgeld beziehen bzw. Präsenzdienst leisten. 4) Nominelles BIP deflationiert mit dem impliziten Preisindex der inländischen Verwendung. – 5) Anteil der Personen in privaten Haushalten mit einem verfügbaren Äquivalenzeinkommen unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle (60% des nationalen verfügbaren Medianäquivalenzeinkom- mens. Ab 2023: Prognose. – 6) S80/S20: Verhältnis des gesamten verfügbaren Äquivalenzeinkommens der Bevölkerung in privaten Haushalten im obersten Einkommensquintil zu dem der Bevölkerung im untersten Einkommensquintil. Ab 2023: Prognose. – 7) 2022: Schätzung gemäß Umweltbundesamt. Ab 2023: Prognose. »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at