ÖSTERREICH JOURNAL NR. 206 / 20. 03. 2023 Österreich, Europa und die Welt 8 Foto: Peter Lechner/HBF Der Apostolische Nuntius, Erzbischof Pedro Lopez Quin tana, bei seinen Begrüßungsworten. Links neben ihm Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit seiner Frau Doris Schmidauer und Außenminister Alexander Schallenberg Ansprache des Bundespräsidenten Hochwürdigster Herr Nuntius! Sehr ge - ehrter Herr Bundesminister Schallenberg! Ex zellenzen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke Ihnen, Hochwürdigster Herr Apostolischer Nuntius, für die herzlichen Wünsche für das neue Jahr und meine zweite Amtszeit, die Sie namens des Diplomatischen Corps überbracht haben. Es ist mir eine besondere Freude Sie alle nach drei Jahren Pandemie endlich wieder persönlich hier in der Hofburg empfangen zu können *) , um Ihnen meinen Dank und Glück - wünsche zum Neuen Jahr auszudrücken. Da es unser erstes Treffen in meiner zweiten Amtszeit ist, möchte ich die Gelegenheit nut - zen, um Ihnen für die hervorragende Zu - sammenarbeit in den letzten sechs Jahren zu danken. Sie alle haben einen wichtigen Beitrag zur Pflege und zum Ausbau der guten bilateralen Beziehungen geleistet und viele von Ihnen engagieren sich tagtäglich im Rahmen der in Wien ansässigen internationalen Organisationen. Ich freue mich auf die Fortführung unserer Zusammenarbeit in den kommenden Jahren. Bevor ich mit meiner Rede beginne, möchte ich ein paar Worte zum tragischen Erbeben in Türkiye und Syrien sagen. Mein tief empfundenes Mitgefühl gilt den zehntausenden Opfern, jenen die ihre Liebsten, *) Der letzte Neujahrsempfang fand 2020 statt, 2021 und 2022 hielt der Bundespräsident seine Reden Corona-bedingt virtuell. ihre Familien, ihre Freunde und ihr zu Hause verloren haben. Österreich hat 82 Soldatinnen und Soldaten, die Teil der sogenannten Austrian Forces Disaster Relief Unit (AFDRU) sind, nach Türkiye entsandt und österreichische NGOs leisten Hilfe vor Ort. Wir werden weiterhin unser Bestmögliches tun, um humanitäre Hilfe zu leisten und das Leid der Opfer und der betroffenen Gemeinden zu lindern. Es ist wesentlich den Zugang zur humanitären Hilfe für alle Be - troffenen, egal wo sie leben, sicherzustellen. Ich glaube, wir sind uns alle einig: 2022 war kein leichtes Jahr. Zwar ist es uns gelungen, dank der hervorragenden internationalen Kooperation, die Pandemie in den Griff zu bekommen, aber vor fast genau einem Jahr hat Präsident Putin einen schrecklichen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen. Was ich im Rahmen meiner Reise in die Ukraine vor zwei Wochen sah, hat mich tief ge troffen. Das Leid, die Zerstörung, das Un - recht, die Grausamkeit des Krieges. Die Ukrainer und Ukrainerinnen kämpfen tagtäglich unter unvorstellbarem Einsatz entschlossen für ihre Freiheit. Für Österreich bedeutet dieser Krieg eine enorme Umwälzung. Das ist auf den ersten Blick vielleicht nicht so zu erkennen: Wir haben viele Verbindungen, sowohl zur Ukraine als auch zu Rußland, unsere Länder sind wirtschaftlich stark vernetzt. Wir sind auch in unserer Energieversorgung stark mit der Ukraine und vor allem mit Rußland verknüpft. Darauf werde ich noch genauer eingehen. Und, wir sind ein neutrales Land. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich das jetzt hier in aller Deutlichkeit sagen: Österreich ist zwar militärisch neutral, aber wir sind keineswegs neutral in unserer Haltung. Neutralität ist nicht Gleichgültigkeit! Wir sind nicht neutral gegenüber dem eklatanten Bruch des Völkerrechts. Wir sind nicht neutral gegenüber Kriegsverbrechen. Wir sind nicht neutral ge - genüber dem Kampf eines Landes zur Verteidigung seiner Souveränität und Unabhängigkeit und für seine Freiheit. Österreich verurteilt den russischen Angriffskrieg ge - gen die Ukraine auf das Schärfste. Seit Kriegsbeginn hat Österreich die Ukraine mit humanitären und finanziellen Unterstützungsleistungen in der Höhe von circa 120 Millionen Euro unterstützt und ca. 90.000 ukrainische Vertriebene, meist Frauen und Kinder, haben in Österreich Zuflucht vor den Schrecken des Krieges gefunden. Es ist unser aller Aufgabe, jene Grundsätze zu verteidigen, zu denen wir uns in der Satzung der Vereinten Nationen verpflichtet haben: souveräne Gleichheit der Staaten, Sicherung des Weltfriedens, Einhaltung des Völkerrechts, Schutz der Menschenrechte, und die Förderung internationaler Zusammenarbeit. Dieser brutale Angriffskrieg hat Folgen, die weit über die Ukraine und Europa hinausgehen. Die plötzliche Knappheit von »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 206 / 20. 03. 2023 Österreich, Europa und die Welt 9 Nah rungsmitteln und Energieträgern, hat auf der ganzen Welt hohe Inflationsraten ausgelöst. Unbeteiligte Zivilisten auf der ganzen Welt werden somit in Geiselhaft genommen. Wir werden mit dieser Knappheit in einer ohnehin schon angeschlagenen Post-Covid- 19-Weltwirtschaft konfrontiert. Auch hier gilt es Solidarität zu beweisen, und jene Länder zu unterstützen, die am schlimmsten davon betroffen sind. Wir haben gelernt, wie gefährlich Abhängigkeiten werden können. Wir müssen nun daran arbeiten, Abhängigkeiten zu reduzieren und zu diversifizieren. In Österreich galt dies vor allem für den Energiebereich. Es ist uns im letzten Jahr ge - lungen, unsere Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen zu senken. Wir müssen wei - terhin alles tun, um möglichst rasch aus Kohle, Öl und Erdgas auszusteigen. Das ist essentiell für den Klimaschutz und unsere Unabhängigkeit. Der Umstieg wird nicht von einem Tag auf den anderen möglich sein, wir müssen jeden Tag hart daran arbeiten. Unser Fokus muß ganz klar sein: Hinein in saubere und leistbare erneuerbare Energien! Der Kampf gegen die Klimakatastrophe, war und bleibt eine meiner politischen Prioritäten. Sie ist die größte globale Herausforderung, und wir können sie nur gemeinsam, als internationale Staatengemeinschaft, lösen. Nur wenn wir global alle an einem Strang ziehen, werden wir das Ruder noch herumreißen können. Das Jahr 2022 war geprägt von Waldbrän - den, Dürren, dramatischen Überschwemmungen und anderen Wetterextremen. Die Klimaveränderung schreitet sogar noch ra - santer voran als von der Wissenschaft vorhergesagt. Ich habe den Eindruck, vielen ist nicht klar, daß unsere Existenz auf dem Spiel steht. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres hat es treffend ausgedrückt: „Es ist entweder ein Klima-Solidaritätspakt – oder ein kollektiver Selbstmordpakt.“ Das Ergebnis der COP27 im letzten November, an der ich un mittelbar nach meiner Wiederwahl teilge - nom men habe, war dennoch ernüchternd. Es ist nicht gelungen, sich auf ambitioniertere Ziele im Bereich der Emissionsreduktionen zu einigen. Ein Lichtblick war die Einigung zur Errichtung eines Fonds zur Entschädigung von Klimaschäden. Ein wichtiger Schritt in Richtung Klimagerechtigkeit. Aber bei weitem nicht genug. Es braucht viel mehr, viel schneller. Ich verstehe nur zu gut, daß junge Menschen wütend und verzweifelt sind. Es geht Foto: Peter Lechner/HBF Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei seiner Neujahrsansprache im Zeremoniernsaal um ihre Zukunft. Wir müssen mehr tun und wir müssen es schneller tun! Ich werde mich weiterhin bemühen im Rahmen meiner zweiten Amtsperiode das Meinige dazu beizutragen. Neben dem Kampf gegen den Klimanotstand Climate Emergency, möchte ich noch auf drei weitere Schwerpunkte eingehen, denen ich mich im kommenden Jahr und vermutlich auch im Laufe meiner gesamten zweiten Amtsperiode widmen werde: die multilaterale Zusammenarbeit, unser Europäischer Zusammenhalt und der Schutz der Menschrechte. Wir leben zweifelsohne in einer verflochtenen Welt. Umso wichtiger ist es, daß sich alle Länder an die vereinbarten Grundsätze halten. Das Funktionieren der werte- und regelbasierten internationalen Ordnung ist unerlässlich für die Sicherheit und Zukunft jedes Landes. Als neutraler Staat und als Sitzstaat der UNO, der OSZE, der EU Menschenrechtsagentur und zahlreicher anderer wichtiger internationaler Organisationen setzt sich Österreich unermüdlich für den Multilateralismus ein. Österreich steht bereit, zusätzliche Verantwortung für die internationale Staatengemeinschaft zu übernehmen. Wir haben vor etwa zehn Jahren unsere Kandidatur als nichtständiges Mitglied im UNO- Sicherheitsrat für die Periode 2027/2028 angekündigt. Wir hoffen, daß wir auf Ihre Unterstützung zählen können! »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at Der Angriffskrieg Rußlands gegen die Ukraine hat uns einmal mehr vor Augen ge - führt, daß die Europäische Vereinigung European Uniflcation die beste Idee ist, die wir je hatten. Ich habe darauf ja schon oft hingewiesen. Als Europäische Union haben wir es ge schafft, uns geopolitisch zu positionieren, geeint auf diesen Krieg zu reagieren und die daraus resultierenden Herausforderungen ge - meinsam zu bewältigen. Wir haben bewiesen, daß wir eine politische, wirtschaftliche und eine Wertegemeinschaft sind. Wir haben be - wie sen, daß wir uns konsequent und ent - schlos sen an der Seite unserer Partner für Sou veränität, Freiheit und Demokratie einsetzen. Unsere östlichen Nachbarn und unsere Partner am Westbalkan sind Teil der europäischen Familie. Wie sie wissen, setzt sich Österreich seit Jahren für die europäische Integration der Länder des Westbalkans ein. Die Entscheidung des Europäischen Rates im Dezember, Bosnien und Herzegowina den EU-Beitrittskandidatenstatus zu verleihen, die Einigung über die Visaliberalisierung für den Kosovo ab 2024 und die endlich erfolgte Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit Nord Mazedonien und Albanien – ich werde Ende März beide Länder besuchen – sind positive Entwicklungen und senden wichtige Signale an die gesamte Region. Der Wunsch der Ukraine, Moldaus und Ge - orgiens, Mitglieder der EU zu werden, ist
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Foto: Flughafen Wien AG ÖSTERREICH
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