ÖSTERREICH JOURNAL NR. 206 / 20. 03. 2023 Österreich, Europa und die Welt Ende der Zeitzeugenschaft? Sonderausstellung im Haus der Geschichte Österreich über die zu Ende gehende Ära der ZeitzeugInnen und die »Gemachtheit« der ZeitzeugInneninterviews 60 Foto: hdgö / Lorenz Paulus Die Ära der ZeitzeugIinnen des Holocaust geht ihrem Ende entgegen. Nur noch wenige Überlebende der NS-Herrschaft können aus eigener Erfahrung sprechen – oder von jenen Menschen berichten, die im Holocaust ermordet wurden. Was bleibt, sind neben literarischen Zeugnissen auch unzählige Video- und Audiointerviews der Überlebenden. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie Gesellschaften in Zukunft mit dieser Erb - schaft umgehen wollen. Wie kann man mit dem Vermächtnis, das uns die Überlebenden hinterlassen haben, verantwortungsvoll verfahren? Wie mit der Tatsache, daß wir den Erzählungen ebenso kritisch begegnen müssen wie allen anderen historischen Quellen? Die Ausstellung deutet verschiedene Formen erzählter Erinnerung und ihre gesellschaftliche Rolle seit 1945 vor dem Hintergrund der aktuellen Veränderungen nicht nur neu, sondern thematisiert auch Ansätze zu einem zukünftigen, reflektierten Umgang mit Zeugnissen. Sie führt in fünf zweisprachigen Modulen – in Deutsch und Englisch – durch die wichtigsten Fragestellungen: Neben Ge - sprächsausschnitten wird hinterfragt, ob Zeit - zeugenInneninterviews eine „gemachte Sa - che“ sind, weiters geht es um die Themenkomplexe Erinnerungen – Erzählungen – Er - wartungen sowie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Zeitzeugenschaft und zu gu - ter Letzt um die Frage, wer die (Deutungs-) Macht hat. Die Ausstellung war bislang neben Hohenems und Flossenbürg auch in München, Augsburg und Berlin zu sehen und wird nun erstmals in Wien gezeigt. „Wir haben intensiv zusammengearbeitet und die Schau in einer gemeinsamen Auseinandersetzung mit dem Erbe der Zeitzeugenschaft passend für Wien erweitert. Im Mu - seum setzen wir in den kommenden Monaten einen starken thematischen Fokus auf die Erinnerung an die NS-Zeit, sowohl mit dieser Sonderausstellung als auch mit der Neugestaltung des entsprechenden Bereichs un - serer Hauptausstellung. Unser vielfältiges Begleitprogramm für Junge und Ältere soll viele Menschen dazu animieren, sich mit diesen hochaktuellen Fragen zu beschäftigen“, sagt hdgö-Direktorin Monika Sommer. Ein inhaltlich dichtes Programm und eigens vom hdgö sowie erinnern.at erarbeitetes Unterrichtsmaterial steht zum Download bereit und kann von PädagogInnen kostenfrei für den Unterricht verwendet werden. „Im Haus der Geschichte Österreich thematisiert die Ausstellung nicht nur den ge - genwärtigen wie zukünftigen Umgang mit Zeugnissen des Hauses, sondern nimmt Zeug - nisse in den Blick, die sich mit der Realität Österreichs auseinandersetzen – sei es das Überleben in Österreich selbst, die Erfahrungen österreichischer Flüchtlinge andernorts oder das Leben in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg“, sagt Hanno Loewy, Di - rektor des jüdischen Museums Hohenems. „So kann die Ausstellung auch Verständnis dafür wecken, wie der institutionelle Um - gang mit Zeugnissen und deren Repräsentation in Ausstellungen und pädagogischen Programmen, aber auch ihre Nachwirkung in neuen, anderen Erfahrungen und Lebensgeschichten, als Teil einer sich fortführenden Zeitzeugenschaft betrachtet werden kann.“ „Ende der Zeitzeugenschaft?“ ist eine Ausstellung des Jüdischen Museums Hohenems und der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg in Zu sammenarbeit mit dem Haus der Ge - schichte Österreich. Kuratorin und Gesamtprojektleiterin ist Anika Reichwald. In Zu - sammenarbeit mit _erinnern.at_, dem Österreichischen Filmmuseum und dem Ludwig Boltzmann Institute for Digital History. Das Projekt wird von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) ge - för dert. Unterstützt wurde die Ausstellung vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport , dem Bundeskanzleramt sowie dem Nationalfonds und dem Zukunftsfonds. n https://hdgoe.at/ende_der_zeitzeugenschaft https://www.jm-hohenems.at/ https://www.gedenkstaette-flossenbuerg.de/ »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 206 / 20. 03. 2023 Österreich, Europa und die Welt Das jüdische Leben in Döbling Eine bis 1. April geöffnete Ausstellung soll einen Querschnitt jüdischen Lebens in Döbling zeigen, das mit dem »Anschluß«, der nationalsozialistischen Machtübernahme im März 1938, schlagartig beendet wurde. 61 Foto: Robert Fritz Der 19. Wiener Gemeindebezirk wurde 1892 aus den ehemaligen Vororten Unter – und Oberdöbling, Grinzing, Heiligenstadt, Nussdorf, Josefsdorf, Sievering und Kahlenbergerdorf gebildet. 1938 wurde der Bezirk um Neustift am Walde und um Salmannsdorf, die beide bis dahin zu Währing gehört hatten, erweitert. Seither zählt auch ein kleiner Teil von Pötzleinsdorf zu Döbling, der „Glanzing“ genannt wird. Mehrere Villensiedlungen trugen sehr rasch zum bürgerlich-großbürgerlichen Cha - rakter des Bezirks bei. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ließen sich auch wohlhabende jüdische Familien in Döbling nieder. Sie errichteten Wohnhäuser, die sie auch privat nutzten, 1) Susanne Helene Betz „Wiener Judentum und Wiener Sport in der Zwischenkriegszeit“ 2) IKG Wien Archiv Tätigkeitsbericht 1929-1932 Die Ausstellung ist in mehrere Bereiche aufgegliedert und bezieht sich auf einige Straßen des Bezirks. Leider war sie nur bis 1. April zu besichtigen. unterstützten und finanzierten wohltätige Projekte wie die Krankenschwestern Schule „Rudolfinerhaus“, das „Ner ven schlössel“ in der Hofzeile oder das Blindeninstitut auf der Hohen Warte. Sie legten Gärten an (Wertheimstein Park, Hohe Warte Park), in denen man heute noch wunderbare Spaziergänge machen kann – und, nicht zu vergessen, das Vienna Stadion in der Klabundgasse, um nur einiges zu nennen. Nä her beleuchtet werden die Hohe Warte, Armbrustergasse, Grinzing, Billrothstraße, Döblinger Hauptstraße, Parkergasse, Dollinergasse, Kaasgraben, Cottage, Karl Marx Hof. Das jüdische Leben in Zahlen Die Volkszählungen 1923 und 1934 wiesen ungefähr 5.700 jüdische Personen in Dö b ling nach. Das entsprach etwa 10,2 % der Gesamtbevölkerung des Bezirks. 1) »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at Bei den Wahlen zum Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde gab es in Währing und Döbling 1928: 2.510 wahlberechtigte Personen, 1932: 3.397. 2) Es gab in Döbling 40 Arztordinationen von jüdischen Ärzten, zumeist waren es Allgemeinmediziner und Zahnärzte. 110 jüdische Ärzte lebten mit ihren Familien in Döbling. Rechtsanwälte hatten ihre Kanzleien meist in der Innenstadt, aber auch unter ihnen gab es einige, die Döbling als Wohnort wählten. Die in Döbling errichteten Gemeindebauten, wie der 1930 eröffnete „Karl Marx- Hof“, wo ca. 60 jüdische Familien wohnten, sorgten für eine stärkere soziale Durchmischung des Bezirks. Zu nennen sind hier auch der „Professor Jodl-Hof“, der „Rebec- Hof“, der „Dittes-Hof“, der „Pestalozzi-Hof“ und der „Klose-Hof“, wo gleichfalls jüdische Familien wohnten.
Ausg. Nr. 206 • 20. März 2023 Da
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