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Ausgabe 205

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Magazin mit Berichten von der Politik bis zur Kultur – vier Mal jährlich mit bis zu 175 Seiten Österreich.

ÖSTERREICH JOURNAL NR.

ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022 Kultur 168 oder Sport im Bild inszenierte sie sich als Dame von Welt, suggerierte nachzueifernde Sehnsuchtsbilder, zeigte sich als unerschrokkene Pilotin und Modeikone oder gewährte in Homestorys intime Einblicke in ihr Le - ben. Doch auch die Schattenseiten der medialen Aufmerksamkeit mußte Durieux kennenlernen: Die Ehe mit Cassirer war geprägt von unzähligen Konflikten, seine psychischen Probleme wurden durch die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges an der Front verstärkt. Nachdem Tilla Durieux 1926 die Scheidung einreichte, unternahm Paul Cassirer einen Selbstmordversuch, an dessen Folgen er bald darauf starb. Sein tragischer Tod entwickelte sich zu einem Skandal, in der Klatschpresse wurde die Schauspielerin zum todbringenden Racheengel stilisiert. Nach dem Suizid Cassirers zog sich Durieux eine Zeitlang weitestgehend von der Bühne zu - rück. Zur emotionalen Stütze wurde bereits in der Zeit vor Cassirers Suizid der Industrielle Ludwig Katzenellenbogen (1877– 1944), der 1930 Durieux‘ dritter Ehemann werden sollte Der Star als Paradebeispiel für die sogenannte »Neue Frau« In den 1920er-Jahren galt der Star als Pa - radebeispiel für die sogenannte „Neue Frau“. Ein Wandel im Scheidungsrecht, die Industrialisierung, der Zugang zu Hochschulen für Frauen, ein mit dem ersten Weltkrieg einhergehender Mangel an männlichen Arbeitskräften, das Wahlrecht für Frauen im Großteil Europas und modische Neuerungen, wie die endgültige Ablegung des Korsetts, führten zur maßgeblichen Modernisierung des Frauenbildes. Künst- lerinnen wie Charley Toorop, Martel Schwichtenberg oder die Fo - tografinnen Lotte Jacobi und Frieda Riess befaßten sich mit Durieux als „Neue Frau“ auf Papier oder Leinwand. Im Alltag war es jedoch weiterhin meist die Frau, die Geringverdienerin war und sich um Haus- halt und Kinder kümmerte – die „Neue Frau“ blieb vorerst eine Modeerscheinung. © Deutsches Theatermuseum München Foto: Deutsches Theatermuseum, München, Inv. Nr. II 35621(ID 219507) Becker & Maass, Berlin, Tilla Durieux als Salome in dem gleichnamigen Stück, 1903 Soziales und politisches Engagement, erneut Exil während des Zweiten Weltkriegs Als Schauspielerin blieb Tilla Durieux bis zum Beginn der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft in Deutschland aktiv. Sie zeigte sich nicht nur künstlerisch, sondern auch in sozialen wie politischen Fragen en - gagiert: Begleitet von Leo Kestenberg (1882– 1962) trug sie vor dem Ersten Weltkrieg in den Berliner Arbeitervierteln Klassiker der Literatur vor. Im Zuge dessen lernte sie Rosa Luxemburg (1871–1919) kennen, die sie während deren Gefängnisaufenthalt finanziell unterstützte. In den Wirren der Münchner Räterepublik versteckte sie den wegen Hochverrats gesuchten sozialistischen Revolutionär und Schriftsteller Ernst Toller (1893– 1939). Während des Ersten Weltkrieges richteten Paul Cassirer und sie in ihrer Berliner Wohnung zwischenzeitlich einen „Mittags - tisch für unbemittelte Künstler“ ein. Gemein - sam mit Ludwig Katzenellenbogen unterstützte sie Erwin Piscator (1893–1966) bei der Finanzierung seiner Avantgardetheater- Bühne und der Übernahme der Leitung des Theaters am Berliner Nollendorfplatz. Nach ihrer Flucht aus dem faschistischen Deutschland beteiligte sich Durieux von Zagreb aus an der Widerstandsbewegung. Wie ihre beiden ersten Ehemänner war auch Katzenellenbogen jüdischer Abstammung. Als er sein Vermögen verlor, war es »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

© Privatsammlung, Foto: Leopold Museum, Wien ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022 Max Slevogt, Die Schauspielerin Tilla Durieux als Kleopatra, 1907 Kultur Durieux, die ihr Leben und später ihre Flucht durch Gastspielauftritte sowie den Verkauf von Schmuck und Bildern finanzierte. Ab 1933 zählten Prag, Ascona, Opatija – wo sie das Hotel Cristallo betrieben – und schließlich Zagreb, wo sich heute noch ein Teil von Durieux‘ Sammlung im Stadtmuseum befindet, zu den Stationen ihrer Flucht. Die Schau - spielerin gab Gastspiele in Ländern, die sie bereisen durfte und unterrichtete im Salzburger Mozarteum. Trotz mehrerer Versuche ge lang dem Ehepaar die Flucht in die USA nicht. In Ab - wesenheit von Durieux wurde Katzenellenbogen nach Berlin verschleppt, wo er 1944 starb. Späte Darstellungen, Auftritte und das Erbe Durieux‘ Ab 1952 spielte Tilla Durieux wieder zö - gerlich in Berlin Theater, 1955 kehrte sie nach Deutschland zurück. Bis kurz vor ihrem Lebensende war sie für Film, Hörfunk, Fernsehen und vor allem für das Theater tätig, ohne zu einem Ensemble zu gehören. Sie re - konstruierte ihre frühere Sammlung anhand von Fotografien, bereiste Ausstellungen, in denen ihre Porträts gezeigt wurden, und hielt 169 Vorträge sowie Lesungen aus ihren Memoiren. Als Interviewpartnerin gab sie sich als auskunftsfreudige Zeitzeugin und auch als Bildmotiv war die Grande Dame des deutschen Schauspiels nach wie vor gefragt. Nachdem sie Ende der 1920er-Jahre mit dem Schlüsselroman Eine Tür fällt ins Schloß nach Cassirers Suizid eine Abrechnung mit dessen Familie verfaßt hatte, vollendete sie 1954 ihre Memoiren unter dem Titel Eine Tür steht offen. Am 21. Februar 1971 verstarb Tilla Du - rieux 90jährig in Berlin. Neben zahlreichen Bühnenauftritten, Dreharbeiten, Gastspielen, Lesungen und Vorträgen bis ins hohe Alter ordnete Durieux ihren Nachlaß und be - stimmte so selbst über das Bild ihrer eigenen, bemerkenswerten Persönlichkeit, wie es sich heute rekonstruieren läßt. Tilla Durieux. Eine Jahrhundertzeugin und ihre Rollen zeigt rund 233 Werke, darunter 14 Gemälde, 81 Arbeiten auf Papier und 84 Fotografien. Begleitend zur Ausstellung ist ein Katalog in deutscher und engli - scher Sprache mit Beiträgen von Stephan Dröschel, Daniela Gregori, Hannah Reisinger, Aline Marion Steinwender und einem Pro log des Direktors des Leopold Museums, Hans-Peter Wipplinger, erschienen. Tilla Durieux. Eine Jahrhundertzeugin und ihre Rollen entstand in Kooperation mit dem Georg Kolbe Museum, wo die Berliner Version der Ausstellung ab Mai 2023 zu se - hen sein wird, und dem Berliner Archiv der Akademie der Künste, welches seit 1977 den Nachlaß der Schauspielerin bewahrt. n https://www.leopoldmuseum.org/ © Leopold Museum, Wien, Foto: Lisa Rastl Ausstellungsansicht „Tilla Durieux – eine Jahrhundertzeugin und ihre Rollen“ »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

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