ÖSTERREICH JOURNAL NR. 203 / 04. 07. 2022 Österreich, Europa und die Welt 36 Bundeskanzler trifft ukrainischen Präsidenten Selenskyj „Wir sind militärisch neutral, aber nicht, wenn es darum geht, Verbrechen zu benennen und dort hinzugehen, wo tatsächlich Un - recht passiert“, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer am 9. April nach seinem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew, wo er auch mit Premier Denys Schmyhal und dem Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, zusammentraf. Österreich trage die EU-Sanktionen mit, betonte der Bundeskanzler. Es werde noch weitere Sanktionspakete geben. Diese hätten das Ziel, den Krieg zu beenden. In Zukunft sollten die Sanktionsmechanismen „noch feingliedriger und zielsicherer“ werden, versprach Nehammer. So könnte etwa die Lieferung „technischer Kleinteile“, die für militärische Fluggeräte notwendig sind, nach Ruß land verboten werden. Abermals unterstrich der Bundeskanzler, daß der von Rußland ausgelöste Krieg für Österreich „völlig inakzeptabel“ sei. Bezüglich der Weigerung Österreichs, einem Gasimportstopp aus Rußland zuzustim - men, wiederholte Nehammer, daß die Sanktionen jene treffen sollen, gegen die sie ge - richtet seien. Das Ausbleiben von Gaslieferungen könnte für Österreich schwerwiegende wirtschaftliche und soziale Folgen ha ben. Lokalaugenschein in Butscha Bei einem Lokalaugenschein in Butscha, wo nach dem Abzug der russischen Truppen über 300 Tote gefunden worden waren, wur - de der Kanzler von Vertretern der örtlichen Behörden über den Hergang der Ereignisse informiert. In einer ukrainisch-orthodoxen Kirche zündete der Bundeskanzler Kerzen zum Gedenken an die Opfer an. Die Kriegs - ereignisse würden aufgearbeitet und die Tä - ter zur Verantwortung gezogen, erklärte Nehammer. „Die Mühlen der internationalen Ge richtsbarkeit mahlen langsam, aber be - ständig.“ Auch wenn Österreich im Gegensatz zu anderen Staaten der Ukraine keine Waffen liefern könne, seien auch die „technischen Mit tel“ aus Österreich eine große Hilfe, sagte Präsident Selenskyj. Er bedankte sich für die 20 Rettungsfahrzeuge und 10 Tank - löschwagen, deren Lieferung Nehammer im Rahmen des Gesprächs in Aussicht gestellt hatte. „Es ist ein schönes Signal, wenn führende Persönlichkeiten uns besuchen. Das zeigt, sie unterstützen uns nicht nur mit Worten“, so Selenskyj, der mit Nehammer auch Foto: BKA / Dragan Tatic Foto: BKA / Dragan Tatic Foto: BKA / Dragan Tatic Am 9. April reiste Bundeskanzler Karl Nehammer (l.) zu einem Arbeitsbesuch nach Kiev und traf dort den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj … … den Ministerpräsidenten der Ukraine, Denys Schmyhal … …und Kiews Bürgermeister Vladimir Klitschko »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at die ukrainische EU-Perspektive erörterte. „Ich habe auch die Zusage erhalten, daß Österreich mit seinen Partnern in der Europäischen Union die Sanktionspolitik gegen Rußland fortsetzen wird, solange eine wirkliche Sicherheit in unserer Region nicht wieder voll hergestellt ist“, so der Präsident. Gespräch mit dem Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko „Wir kämpfen für die Ukraine als demokratisches und europäisches Land und für je - den in Europa. Unser Traum ist es, Teil der eu ropäischen Familie zu sein und dafür be - zahlen wir jetzt“, so Klitschko. Daß der Bun - deskanzler die Ukraine besucht habe, sei eine mutige Entscheidung, lobte Klitschko. „In Kiew kann aktuell immer eine Rakete explodieren.“ n
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 203 / 04. 07. 2022 Österreich, Europa und die Welt 37 Treffen mit Präsident Putin in Moskau „Es war mir wichtig, mit Putin selbst über das zu reden, was tatsächlich jetzt notwendig ist: nämlich insbesondere die humanitären Korridore, die Hilfe für die Menschen vor Ort, vor allem unter dem Aspekt, daß demnächst in der Ostukraine eine große Offensive bevorstehen wird. Es war kein Freundschaftsbesuch, es war eine klare, direkte Aussprache, in aller Offenheit auch die Probleme und den Wahnsinn des Kriegs be - schreibend“, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer am 12. April nach einem Treffen mit dem russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin in Moskau. Der österreichische Regierungschef hielt fest, daß er ohne Erwartungen nach Moskau gefahren sei. Er sei nicht davon ausgegangen, daß Putin zu irgendwelchen Zugeständnissen bereit sein würde. Ziel sei es aber ge - wesen, Putin mit den Verbrechen und dem Leid zu konfrontieren, die er in der Ukraine gesehen habe und nichts unversucht zu lassen, um eine Einstellung der Kampfhandlungen oder zumindest humanitäre Fortschritte für die notleidende Zivilbevölkerung in der Ukraine zu bewirken. „Meine wichtigste Bot - schaft an Putin war, daß dieser Krieg endlich enden muß, denn in einem Krieg gibt es auf beiden Seiten nur Verlierer“, so Nehammer. Österreich wird Beitrag leisten, um Kriegsverbrechen aufzuklären Foto: BKA / Dragan Tatic Bundeskanzler Karl Nehammer bei der Pressekonferenz nach dem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, von dem kein gemeinsames Foto zur Verfügung stand Putin werfe der Ukraine und der internationalen Gemeinschaft vor, das Kriegsgesche - hen nicht real darzustellen, berichtete der Kanzler weiter. So kooperiere laut Putin die russische Föderation sehr wohl mit dem In - ternationalen Roten Kreuz, was Fluchtkorridore betreffe, nicht aber die Ukraine. „Ich ha be Putin darauf hingewiesen, daß er mit seiner Armee die Verantwortung für die Si - cherheit der Korridore trägt“, hielt Nehammer fest. Auch Kriegsverbrechen wie jenes in Butscha würden abgestritten. Die Russische Fö - deration mißtraue der internationalen Begutachtung der Kriegsverbrechen und halte sie für einseitig. „Ich habe dem widersprochen und gesagt, Österreich wird – wenn notwendig und gewünscht – einen Beitrag dazu leisten, um bei der Aufklärung der Kriegsverbrechen genau diese Objektivität herzustellen. Es ist ein Gebot der Stunde, daß die Verantwortlichen identifiziert und dafür auch zur Rechenschaft gezogen werden. Und ge - nau deshalb, weil eine Parteienstellung in einem Krieg immer wieder auch das Thema wechselseitiger Vorwürfe und Unterstellungen ist, braucht es die internationale Aufklärung“, so der Bundeskanzler. Istanbuler Verhandlungen als Zeichen der Hoffnung Was einen möglichen Waffenstillstand beziehungsweise Frieden betreffe, habe der Kanzler den Eindruck, daß der russische Präsident offenbar auf die ins Stocken geratenen Verhandlungen in der Türkei setze: „Sie sind aus meiner Sicht ein wichtiges Format, um hier tatsächlich auch Fortschritte für den Frieden erzielen zu können. Wladimir Putin hat sie mehrfach ins Spiel gebracht. Er ist interessiert, trotz aller Kriegslogik, und das halte ich für ein Zeichen der Hoffnung, daß diese Verhandlungen weiter fortgesetzt werden und dann auch zu Ergebnissen führen.“ Es sei wichtig, daß es neben all dem „Irrsinn der Gewalt“ einen Raum gibt, wo trotz allem Gespräche stattfinden können. Er werde in den nächsten Tagen auch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sprechen. „Präsident Erdogan hat hier eine federführende Rolle, er ist der Schirmherr dieser Verhandlungen“, so Nehammer. Zusammenfassend hielt der Bundeskanzler fest, daß er bei seinem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin „ge - nerell keine positiven Eindrücke“ gewonnen hätte, es brauche aber die persönliche Konfrontation. „Ich halte es für wichtig, etwas zu tun, als gar nichts zu tun. Und deswegen war mir wichtig, Präsident Putin mit den Fakten des Krieges, mit dem Leid der Menschen in der Ukraine zu konfrontieren. Wenn Sie mich danach fragen, ob das eine unmittelbare Aus - »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at wirkung hat, dann: Nein. Es war wichtig, das anzusprechen und den Istanbuler Friedensgesprächen sozusagen wieder Energie zu geben, sodaß sie fortgeführt werden. Dann ist jede Mühe den Aufwand wert. Auch der kleinste Erfolg zählt, wenn es um Frieden geht“, so Nehammer abschließend. n »Konferenz zur Zukunft Europas« Europaministerin Karoline Edtstadler hat am 9. Mai, dem Europatag, anläßlich des offiziellen Abschlusses der „Konferenz zur Zukunft Europas“ den Aktivitätenbericht (2020-2022) zur EU-Zukunftskonferenz in Österreich präsentiert. „Seit dem Jahr 1986 begehen wir am 9. Mai den Europatag zur Erinnerung an die Schuman-Erklärung von 1950. Der französische Außenminister Robert Schuman schlug damals die Gründung einer Gemeinschaft für Kohle und Stahl vor, um Krieg nicht nur zu verhindern, sondern ihn unmöglich zu ma - chen, mangels des Zugriffs einzelner Staaten auf diese Rohstoffe. Das war der Grundstein der Europäischen Union. Sie hat uns in den letzten Jahren Freiheit, Frieden und Wohlstand gebracht“, sagte Edtstadler in ihrer An - sprache im Bundeskanzleramt. Nach den pandemiebedingten Einschränkungen in den letzten zwei Jahren und zahlreichen digitalen und hybriden Veranstaltungen zur Zukunftskonferenz, könne man nun endlich wieder „Hand in Hand“ an der Gestaltung der Zukunft arbeiten. „Aber wer hätte sich im letzten Jahr gedacht, daß wir 2022 wieder Krieg auf europäischem Boden erleben müssen? Der Angriffskrieg Ruß-
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Foto: Infineon ÖSTERREICH JOURNAL
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