ÖSTERREICH JOURNAL NR. 203 / 04. 07. 2022 Österreich, Europa und die Welt Die Ukraine und wir Österreichisch-ukrainische Beziehungen vom Mittelalter bis in die Gegenwart 104 Univ.Prof. Alois Woldan *) © Wikipedia / / CC-BY 4.0 / B. Lukashyk Karte der Ukraine aus 1681, herausgegeben von Moses Pitt als Teil des englischen Atlas’ – sie Die Karte zeigt das Gebiet der Ukraine, das durch den Vertrag von Zboriv (1649) getrennt wurde und unter der Kontrolle der Saporoger Armee, des Hetmanats (innerhalb der Woiwodschaften Kiew, Tschernihiw und Bratslaw), stand. Sie ist eine der ersten gedruckten Karten mit dem Namen „Ukraine“. In einer Situation, da die Medien aus traurigem Anlaß voll sind von Berichten über die Ukraine, sei es unternommen einen Blick zurück zu tun auf entscheidende Phasen der ukrainischen Geschichte, die zeigen, wie sehr die Ukraine mit Europa, Mitteleuropa und auch Österreich verbunden ist. Genau diese *) Dr.h.c.mult. Dr.phil. Alois Woldan ist Professor für Theologie, Slawistik und Komparatistik, Träger des Österreichischen Ehrenkreuzes für Kunst und Wissenschaft I. Klasse und Präsident der Österreichisch-Ukrainischen Gesellschaft http://www.oeug-wien.at/ Momente lassen auch die Unterschiede zwischen der Ukraine und Rußland deutlich werden – in der russischen Geschichte fehlen diese Phasen, die die Integration der Ukraine in das Abendland und damit auch nach Europa bestimmten und auch heute als ein Argument für die Aufnahme der Ukraine in die Europäische Union dienen können. Wenn auch die Kiewskaja Rusʼ des 9.-13. Jahrhunderts, der heute vielzitierte erste ostslawische Staat, als die Wiege dreier slawischen Nationen, der Russen, Ukrainer und Weißrussen, angesehen wird, so ist doch de - »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at ren südwestlichster Teil, bestehend aus den Fürstentümern Halytsch und Wolodymyr, als ein speziell ukrainisches Gebiet und auch als ein erster ukrainischer Staat zu betrachten. Dieses Fürstentum hat den Untergang der Rusʼ 1240 um gut hundert Jahre überlebt, es wurde um 1350 vom polnischen Königreich in Besitz genommen – 400 Jahre später, 1772, kommen diese Gebiete mit der Ersten Teilung Polens an Österreich, im Namen des neu geschaffenen Kronlandes „Galizien und Lodomerien“ leben die alten Fürstentümer weiter.
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 203 / 04. 07. 2022 Österreich, Europa und die Welt 105 Einen Höhepunkt erreichte die Geschichte… von Halytsch und Wolodymyr unter Danylo (1201-1264), der als einziger ostslawischer Fürst vom Papst mit der Königskrone bedacht wurde (der Titel „Rex Russiae“ meint nicht das spätere Rußland mit der Hauptstadt in Moskau, sondern die Rusʼ mit der Hauptstadt Kiew). Danlyo, der enge Beziehungen zu seinen westlichen Nachbarn Ungarn und Polen unterhielt, gründete mehrere Städte, die wichtigste davon ist zweifellos „Leopolis“ (ukr. Lwiw, poln. Lwów, dt. Lemberg), die nach Danylos Sohn Leo/Lew benannt wurde. In diese neu gegründeten Städte wurden sehr bald auch deutsche Kolonisten berufen, sie wurden mit dem Magdeburger Stadtrecht ausgestattet, das eine bürgerliche Selbstverwaltung vorsah – ein typisch europäisches Charakteristikum, das den Städten des Großfürstentums Moskau fehlte. Unter Danylo kommt es auch zu einem ersten österreichisch-ukrainischen Kontakt, als dieser 1252 auf der Seite der ungarischen Königs Bela IV. in den Kampf um das Ba - benbergische Erbe gegen Přemysl Otokar II. eingreift. Wenig später kam es sogar zu einer Eheschließung zwischen Danylos Sohn Ro - man und der Nichte des letzten Babenbergers, Gertrude – es ist allerdings nicht überliefert, ob dieses Paar jemals in die heimatliche Ukraine zurückkehrte und somit verlieren sich die Spuren dieser ersten direkten Be ziehung. Das ukrainische Erbe der Fürstentümer Halytsch und Wolodymyr hat sich allerdings über die Jahrhunderte bis ins österreichische Galizien erhalten. © Wikipedia / / CC-BY 4.0 / Foto: Österreich Journal / Michael Mössmer Die Sprachgruppen Österreich-Ungarns im Jahr 1910 (basierend auf dem Geschichtsatlas von William R. Shepherd, 1911) Wien aus der höchst bedrohlichen zweiten Türkenbelagerung befreit In späteren Jahrhunderten finden sich ukrainisch-österreichische Beziehungen oft in anderen Beziehungen eingeschlossen, wie et - wa den österreichisch-polnischen – kein Wunder, gehörte doch der größten Teil der heutigen Ukraine über Jahrhunderte zum polnischen Staat. Als König Jan Sobieski am 13. September 1683 mit seinem Angriff vom Kahlenberg die Stadt Wien aus der höchst bedrohlichen zweiten Türkenbelagerung be - freite, kämpften auch zahlreiche Ukrainer in seinen Reihen. Sobieski selbst, aus dem Os - ten Polens, der heutigen Westukraine stammend, hatte einen Teil seines Heeres in dieser Gegend rekrutiert; dazu kamen Kosakenregimenter aus der rechtsufrigen, polnischen Ukraine, die eine willkommene Ergänzung zur polnischen Kavallerie darstellten. Heute erinnert das Kosaken-Denkmal im Türkenschanz-Park an die Mithilfe ukrainische Kämpfer beim Einsatz von Wien 1683. Auch der berühmte Kundschafter Kolschitzky, der die Verbindung zwischen der eingeschlossenen Stadt und dem Entsatzheer herstellte, war ein gebürtige Ukrainer, Jurij Kultschyzkyj, der aufgrund seiner polnischen Staatsbürgerschaft zumeist als Pole gilt. Echter Bürgerkrieg im polnisch-litauischen Staat Das polnisch-ukrainische Verhältnis spitz - te sich im Lauf der Zeit immer mehr zu, 1648 kam es im Aufstand unter Bohdan Chmelnyzkyj, einem enorm wichtigen Da - Das Kosaken-Denkmal im Wiener Türkenschanz-Park »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at tum im ukrainischen nationalen Gedächtnis, zu einem echten Bürgerkrieg im polnischlitauischen Staat, der aus der „polnischen“ Ukraine einen großen Teil herauslöst und dem russischen Zaren unterstellt. Das hatte eine Zweiteilung des Landes zur Folge, die Gebiete westlich des Dnipro bleiben bei Po - len, die östlich des Flusses gelangen unter rus sische Oberherrschaft. Am Ende dieser Zeit steht ein Versuch, nicht nur diese beiden Teile wieder zu vereinigen, sondern auch die Ukraine aus der russischen Vorherrschaft, die in der Regierungszeit des Zaren Peter immer belastender wurde, zu befreien. Hetman Iwan Mazepa (1639-1709), langjähriger treuer Va -
Ausg. Nr. 203 • 4. Juli 2022 Das
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