ÖSTERREICH JOURNAL NR. 201 / 20. 12. 2021 Österreich, Europa und die Welt 22 Die Gedenkstätte ist zudem ein Ort mit grosser suggestiver Kraft: Wenn man im weiten Oval der Granittafeln steht, umgeben von den 64.440 eingravierten Namen, erahnt man erst, welch gewaltigen Verlust der Holocaust mit sich gebracht hat: Die steinernen Stelen machen jedes einzelne Opfer sichtbar, jeden einzelnen Namen fühlbar, die 64.440 ge - raubten Leben begreifbar. Die bloßen Zahlen werden immer unfaßbar sein. Die Namen jedoch erreichen die Herzen. Es ist eine be - eindruckende Mahnung, solche Verbrechen nie wieder zuzulassen.“ Initiator Kurt Yakov Tutter und die Durchführung des Projekts Der Initiator der Shoah Namensmauern Ge denkstätte, Kurt Yakov Tutter, wurde 1930 in Wien geboren. 1939 flüchtete er mit seiner Familie nach Belgien. Seine Eltern wurden 1942 von Brüssel nach Auschwitz deportiert. Eine belgische Familie in Gent versteckte Kurt und seine Schwester Rita und rettete ihnen so das Leben. 1948 wander - te Kurt Tutter nach Kanada aus, er wohnt seit - her in Toronto. Die gestalterische Planung und Realisierung der Gedenkstätte erfolgte durch Wehofer Architekten ZT GmbH. Zur Durchführung des Projekts wurde die Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H. mit der Bauabwick - lung beauftragt. Der Nationalfonds der Re - publik Österreich wurde mit der Verwaltung der Finanzen einschließlich der öffentlichen Subventionen, der Spenden und der Ausgaben betraut. Das Projekt wurde von der Bun - desregierung gemeinsam mit den Bun des - ländern, der Stadt Wien und der Österreichischen Nationalbank unter der Schirmherrschaft des Nationalratspräsidenten um ge - setzt. Der wesentliche Teil der Finanzierung erfolgte durch die Bundesregierung. Zudem haben die Bundesländer sowie die Industriellenvereinigung einen Beitrag zur Realisierung des Projekts geleistet. Die Projektkosten in Höhe von rund 5,3 Millionen Euro wurden mit Beiträgen aller beteiligten Stellen finanziert. Ehrenzeichenverleihung an Kurt Tutter Für den unermüdlichen Einsatz zur Um - setzung des Projekts wurde Kurt Yakov Tutter das Große Ehrenzeichen für die Verdienste um die Republik Österreich verliehen. Am 8. November lud Bundeskanzler Alexander Schallenberg dazu ins Bundeskanzleramt. „Als Anfang Oktober eine große österreichische Delegation den neuen österreichischen Erinnerungsort im Konzentrationslager Foto: BKA / Andy Wenzel Foto: BKA / Andy Wenzel Der Initiator der Shoah Namensmauern-Gedenkstätte, Kurt Yakov Tutter Auschwitz eröffnete, sprach ich davon, daß Orte wie Auschwitz Orte des Unaussprechli - chen seien. Und doch muß man genau an solchen Orten seine Stimme erheben. Seine Stimme erheben, um der Opfer zu gedenken. Um ihnen jene Würde zu geben, die ihnen so brutal und qualvoll geraubt wurde“, so der Bundeskanzler. Shoah Gedenkstätten und Mahnmale seien ein zentraler Teil dieser Stimmen. Sie setzten ein sichtbares Zeichen und können das Unaussprechliche für alle greifbar machen. „Sie verdinglichen und verdeutlichen, daß es sich nicht um fremde, ferne Ereignisse handelt, nicht um eine namenlose Gruppe, sondern um das Schicksal von konkreten Mitmenschen. Menschen, die hier gelebt haben, die Träume hatten, die geliebt haben und die geliebt wurden. Schicksale, die bis heute »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at fortwirken“, so Schallenberg. Als er in der vergangenen Woche von einem Journalisten einer israelischen Tageszeitung interviewt wur de, habe dieser ihm danach erklärt, daß er zum Ostarrichipark gehen werde, da dort die Namen einiger seiner Familienmitglieder eingraviert sind. Das habe den Bundeskanzler tief berührt. „Auch heute befinden sich Menschen in diesem Raum, die ihre Familienmitglieder auf dieser Mauer wiederfinden. Wir, die wir nicht unsere Familiennamen auf diesem Mahnmal wiederfinden, können nur versuchen uns vorzustellen, was das für ein Ge fühl sein muß. Und was es bedeuten muß, daß es jetzt endlich eine Namensmauern-Gedenkstätte gibt, die uns für immer an jedes einzelne der über 64.000 Opfer der Shoah in Österreich erinnert. Nicht nur beispielhaft und ano - Bundeskanzler Alexander Schallenberg (r.) überreichte gemeinsam mit Bundesministerin Karoline Edtstadler das Große Ehrenzeichen für die Verdienste um die Republik Österreich an Kurt Tutter, der mit seiner langjährigen Lebensgefährtin Diane Ritter angereist war.
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 201 / 20. 12. 2021 Österreich, Europa und die Welt 23 nym, sondern ganz konkret und persönlich. Dieser Ort gibt ihnen einen Teil ihrer Würde und Identität zurück, die ihnen vor Jahrzehnten auf so bestialische Weise genommen wur - de. Er erinnert uns für immer an das dunkelste Kapitel unserer Geschichte und an unsere historische Verantwortung.“ „Die Namensmauern stehen für das NIE- Vergessen! Sehr geehrter Herr Tutter, mehr als zwei Jahrzehnte lang haben Sie mit aussergewöhnlichem Engagement das Ziel der Errichtung der Shoah Namensmauern vorangetrieben. Die Umsetzung und Realisierung des Projekts wäre nicht möglich gewesen, ohne eine herausragende Persönlichkeit wie Sie“, so der Bundeskanzler weiter. Als Tutter diese Initiativgruppe gegründet habe, sei er 70 Jahre alt gewesen. Ein Alter, in dem sich manch anderer zur Ruhe setzen würde. Doch habe er sich nicht zurückgenommen, sondern voll Leidenschaft und mit der notwendigen Hartnäckigkeit dafür gekämpft, trotz der Er - fahrungen und Erlebnisse in seiner Vergangenheit. „Dieses Projekt ist zu einem großen Teil Ihres Lebenswerkes geworden. Ich darf Ihnen dafür im Namen der Bundesregierung meinen ganz besonderen Dank und meine Anerkennung aussprechen. Die heutige Überreichung des großen Ehrenzeichens für die Verdienste um die Republik Österreich ist Ausdruck dieses Dankes für Ihren unermüdli - chen Einsatz in dieser so wichtigen Sa che. Sie haben damit unserer Gesellschaft und un - serem Land einen enormen Dienst erwiesen. Sie haben mit der Namensmauer einen zentralen und ruhigen Ort der Begegnung, der Andacht und des Gedenkens geschaffen. Und zwar nicht irgendwo, sondern mitten unter uns. Dieses Mahnmal ist ein Zeichen für nachfolgende Generationen. Denn nur wer sich erinnert und sich aktiv mit der Vergangenheit auseinandersetzt, kann die Zukunft zum Besseren gestalten. Nur so kann es ge - lingen, daß aus einem ,Niemals wieder‘ ein ,Nie mehr wieder‘ wird. Das ist unsere Verantwortung und unsere Pflicht. Und für Ihren Betrag dazu gebührt Ihnen unser allergrößter Dank und unsere Anerkennung!“, schloß der Bundeskanzler. Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (r.) verlieh Viatcheslav Moshe Kantor, Präsident des European Jewish Congress, das Große Goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich Kongreß »An End to Antisemitism« Am 83. Jahrestag der Novemberpogrome von 1938 nahm Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka zudem an einer Podiumsdis - kussion im Rahmen der Präsentation der Er - gebnisse des Kongresses „An End to Antisemitism“ teil. Der Europäische Jüdische Kongreß hatte 2018 etwa 150 einschlägige Fachleute dazu eingeladen. Die Ergebnisse wurden nun in Form von fünf Bänden der Öf - fentlichkeit vorgestellt. Die Studie stellt das Ergebnis einer internationalen und hochrangig besetzten Konferenz in Wien 2018 dar, die in Zusammenarbeit der Universität Wien mit der New York University, der Tel Aviv University und dem European Jewish Congress veranstaltet wurde. Die fünf Bände erforschen den Antisemitismus nicht nur, sondern wollen der Judenfeindlichkeit auch in Gegenwart und Zu kunft vorbeugen. 119 internationale ExpertInnen diskutieren das vielschichtige Phänomen des Antisemitismus: sie beleuchten die Geschich - te und das Wesen des Antisemitismus und geben basierend auf dieser Analyse konkrete Empfehlungen, wie Antisemitismus wirksam bekämpft werden kann. Unter den AutorInnen sind namhafte politische und religiöse EntscheidungsträgerInnen wie Katharina von Schnurbein (Antisemitismus-Beauftragte der Europäischen Union), Natan Sharansky (ehem. Chairman der Jewish Agency), Erzbischof Pierbattista Pizzaballa (Apostolischer Administrator des lateinischen Patriachats von Jerusalem) und Imam Hassen Chalgoumi (Präsident der Conférence des Imams de France). Im Anschluß daran überreichte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich an den Präsidenten des Europäischen Jüdischen Kongresses, Viatcheslav Moshe Kantor. n https://www.parlament.gv.at/ https://www.bundeskanzleramt.gv.at/ https://embassies.gov.il/vienna/ https://www.ikg-wien.at/ https://www.nationalfonds.org/ https://anendtoantisemitism.univie.ac.at/ Quellen: Parlamentskorrespondenz, Bundeskanzeramt, Israelische Botschaft Wien, Israelitische Kulturgemeinde Wien, Österr. Na tionalfonds, Institut für Judaistik der Universität Wien Foto: BKA / Andy Wenzel Auf 160 Namensmauern sind die Namen der Opfer in Stein eingemeißelt. »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
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Foto: BKA / Dragan Tatic Foto: BKA
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© Privatbesitz, Foto: Leopold Muse
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