ÖSTERREICH JOURNAL NR. 201 / 20. 12. 2021 Österreich, Europa und die Welt 18 tung gehöre auch aktives Handeln in der Gegenwart und in der Zukunft. Wo immer es möglich sei, müsse alles darangesetzt werden, Opfern des Holocaust und ihren Familien die Hand zu reichen und um Versöhnung zu bitten. Zudem müsse alles getan werden, damit sich die Geschichte nicht wiederholt: „Nicht in Ös terreich, nicht in Europa, oder sonstwo auf der Welt.“ Jüdisches Leben müsse, wo im - mer notwendig, aktiv geschützt werden. Das beinhalte auch das klare Auftreten gegen je - de Form von Haß und Antisemitismus. „Und eines ist klar: Nur wenn Jüdinnen und Juden auf der ganzen Welt in Sicherheit und Freiheit leben können, kann aus einem ,niemals vergessen‘ ein ,niemals wieder‘ werden“, hielt Alexander Schallenberg fest. Die Gedenkstätte geht auf eine Initiative des aus Österreich stammenden Holocaust- Überlebenden Kurt Yakov Tutter und des Vereins zur Errichtung einer Shoah Namensmauern Gedenkstätte zurück. In Zusammenarbeit mit dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) konnte dieses wichtige Erinnerungsprojekt nach einem Beschluß des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz 2018 begonnen und mit Hilfe der Bundesländer und der österreichischen Wirtschaft nun nach unermüdlichen und jahrelangen Bemühungen Tutters fertiggestellt werden. „Dieses Mahnmal wurde schließlich nur durch das Zusammenwirken vieler möglich. Sie alle haben damit unserer Gesellschaft und unserem Land einen enormen Dienst erwiesen. Sie haben geholfen, einen ergreifenden und berührenden Ort der Begegnung, des Gedenkens und der Andacht zu schaffen. Und zwar nicht irgendwo, sondern hier mitten unter uns. Ein Denkmal, das uns stets daran erinnern wird, daß die Würde eines jeden Menschen unteilbar ist, daß wir sie stets schützen, stets hochhalten müssen. Egal wann, egal wo“, bedankte sich Schallenberg bei Kurt Yakov Tutter und allen Mitwirkenden herzlich. „Wir werden nie davor gefeit sein, daß sich die Geschichte wiederholt. Es liegt einzig und alleine an uns, an jedem einzelnen von uns, Hass und Ausgrenzung keinen Platz zu bieten und dafür zu sorgen, daß aus einem ,niemals vergessen‘ ein ,niemals wieder‘ wird“, so der Bundeskanzler abschließend. Edtstadler: Republik setzt sichtbares Zeichen ihrer Verantwortung „Mit der Shoah Namensmauern Gedenkstätte setzt die Republik Österreich ein sichtbares Zeichen ihrer Verantwortung. Auf 160 Foto: BKA / Andy Wenzel Foto: BKA / Andy Wenzel Bundesministerin Karoline Edtstadler Der israelische Minister für Diaspora-Angelegenheiten Nachman Shai Namensmauern sind die Namen der Opfer in Stein eingemeißelt. Damit geben wir ihnen ihren Namen und damit zumindest einen Teil ihrer Würde zurück. Und wir führen uns vor Augen, daß hinter den 64.440 Namen einzelne Menschen – Kinder, Mütter, Väter und Nachbarn – mit individuellen Geschichten und menschlichen Schicksalen stehen. Diese Gedenkstätte ist ein Ort, der den Nachfahren die Möglichkeit gibt, ihrer Angehörigen zu gedenken. Und sie soll ein Ort sein, der den Besucherinnen und Besuchern das Ausmaß des Menschenhasses der Nationalsozialisten vermitteln soll. Ein besonderer Dank gilt vor allem Kurt Yakov Tutter, der sich mit großer Beharrlichkeit der Verwirklichung dieses Projekts verschrieben hat“, sagte Kanzler amts mi - nisterin Karoline Edtstadler. „Wir sollten uns und kommenden Generationen immer wie der bewußtmachen, zu welchen Grausamkeiten »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at der Mensch faḧig ist. Gerade deshalb gilt es dafür einzutreten, daß das ge meinsame Europa für immer ein Ort des Friedens und der Freiheit bleibt“, so Edtstadler. Rede von Israels Diaspora- Minister Nachman Shai „Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Alexander Schallenberg, verehrte Gäste! Ein Name, ein Leben, eine Welt. Ein Name – Gertrude Donnebaum – wurde 1923 als Tochter von Hedwig und Ignaz in Wien geboren, ihre Freunde nannten sie Trude und sie war zum Zeitpunkt des ,Anschlusses‘ an Österreich erst 15 Jahre alt. Kurze Zeit später floh ihre Schwester Gerta nach England und ihr Vater starb, sodaß Trude und ihre Mutter auf sich allein gestellt waren. Mit 18 Jahren machte Trude eine Ausbildung zur Krankenschwester im Wie-
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 201 / 20. 12. 2021 Österreich, Europa und die Welt 19 ner Rothschild-Spital. Am 26. September 1942 schrieb sie: ,Heute, am Samstag, habe ich mit den meisten anderen Juden die Mitteilung erhalten, daß wir uns am Montag, den 28., bei den Behörden melden müssen. Glaube nicht, daß wir davon überrascht oder gar erschrocken sind. Bald werden wir nach Theresienstadt gehen. Was von dort aus ge - schehen wird, kann ich unmöglich wissen.‘ Am ersten Oktober wurden Trude und ihre Mutternach Theresienstadt transportiert. Zwei Jahre später, am 6. Oktober 1944, wurden sie nach Auschwitz deportiert – ihr endgültiges Ziel. Der Name Gertrude Franziska Donnenbaum ist einer von fast 65.000 Na men, die vor uns in kalten Stein gemeißelt wurden. Ein Name, ein Leben, eine Welt, die nie vollständig verwirklicht. Freunde, wir versammeln uns heute am Jahrestag des Novemberpogroms – der Kristallnacht – ein schreckliches Ereignis, das so viele Mauern, geschriebene Worte und letztendlich Menschenleben zerstört hat, um die Eröffnung einer neuen Gedenkstätte zu feiern. Es ist unser kollektiver Wunsch, uns an jeden einzelnen der Namen zu erinnern, die auf diesen Mauern verzeichnet sind – nicht mit der Angst, unsere Vergangenheit zu wie derholen, sondern mit der Verpflichtung, eine bessere Zukunft für unsere Kinder und En kelkinder zu schaffen. In der Tat war es dieser Traum von einer besseren Zukunft, in dem die Idee eines jüdischen Nationalstaates mit dem in Wien ausgebildeten Theodore Herzl – dem Vater des modernen Zionismus – geboren wurde. Herzl war ein junger Journalist, der über den französischen Prozeß gegen den fälschlich angeklagten jüdischen Offizier Alfred Dreyfus berichtete. Er wurde Zeu ge der Welle des Antisemitismus, die dieser Prozeß im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert auslöste. Tief erschüttert kam Herzl zu der Überzeugung, daß wir uns nur dann vom Haß befreien würden, wenn wir als jü disches Volk unser Schicksal selbst bestimmen könnten. Er widmete dieser Idee sein Leben. Herzl starb am 3. Juli 1904 im Alter von 44 Jahren und wurde in seinem Familiengrab in Wien beigesetzt. Ein Jahr zuvor schrieb Herzl in seinem Testament: ,Ich wünsche, in einem Metallsarg neben meinem Vater begraben zu werden und dort zu bleiben, bis das jüdische Volk meine sterblichen Überreste nach Eretz Israel überführen wird.‘ Im Jahr 1948, mit der Verwirklichung seines Traums und des Traums des jüdischen Volkes seit fast 2000 Jahren, wurde Herzl nach Jerusalem gebracht, wo er seine letzte Ruhestätte fand. Doch sein Glaube, daß ein jüdischer Staat den Antisemitismus beenden würde, erwies sich als falsch. Tatsächlich ist der Antisemitismus nicht nur geblieben, sondern hat in ganz Europa und in der Welt neue und bösartige Formen angenommen. Israel hat verstanden, daß An - tisemitismus kein Problem ist, das wir oder das größere jüdische Volk lösen können. Vielmehr liegt es in der Verantwortung der Nationen und Institutionen auf der ganzen Welt, etwas gegen diesen uralten Virus zu un ternehmen. In diesem Sinne schätzt der Staat Israel das Engagement der österreichischen Regierung, jüdisches Leben durch ihre Investitionen in die Sicherheit der Gemeinden und die Verabschiedung einer nationalen Strategie zur Bekämpfung vonAntisemitis - mus. Wir werden partnerschaftlich mit Ihnen und der jüdischen Gemeinschaft zusammenarbeiten, um sicherzustellen, daß Österreich – und in der Tat ganz Europa – ein Ort ist, an dem das jüdische Volk voll ganz jü - disch sein kann. Dies ist die wahrhaftigste Art und Weise, wie wir Gertrude und jede einzelne der Seelen, die uns heute in diesem Raum umgeben, ehren können. Lassen Sie uns mit einem jü dischen Friedensgebet schließen: Möge derjenige, der in der Höhe Frieden stiftet, uns Anwesen den, Israel und der ganzen Menschheit. Amen“, schloß Minister Nachman Shai. © Wehofer Architekten ZT GmbH Visualisierung der Shoah-Gedenkstätte auf dem Areal des Ostarrichi-Parks vor der Österreichischen Nationalbank »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
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Foto: BKA / Dragan Tatic Foto: BKA
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