ÖSTERREICH JOURNAL NR. 201 / 20. 12. 2021 Kultur 154 © Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg sowie Diogenes Verlag, Zürich Paul Flora, Santa Maria della Salute, Luna, 1991, Federzeichnung, Farbstift, Sammlung der Nachlassvertretung für Paul Flora wählte Koloristik definierte atmosphärische Interpretationsebene eröffnen. Floras Zeichnungen machen deutlich, wie sehr der Künst ler über den Weg einer zunächst nicht wahrnehmbaren Abstraktion seine jeweiligen Bildgegenstände in streng geometrische Li nienstrukturen verwandelt, um aus ihnen dann am Bild die Gegenstände neu zu formen: Auf Dekonstruktion folgt Konstruktion. Dieser komplexe Prozeß der Umwandlung be wirkt das Besondere seiner Kompositionen und verwandelt die sichtbare Realität in Floras außergewöhnliches Universum. Venedig Das romantische und zugleich auch traurige Venedig ist immer wieder Bühne für Floras düstere, oft auch tragikomische Ge - schichten. Sie erzählen von Krankheit und Tod, aber genauso vom bunten, ausgelassenen Treiben im Karneval. In seinem Essay Die welke Pracht schreibt Flora über Venedig: „Diese Lagunen, nicht Land, nicht Meer, verschlammte See durchsetzt von In - seln, meist verlassen, mit Mauerresten aufgegebener Klöster und Landwirtschaften, auch Irrenhäusern, sind wahre Orte der Me - lancholie.“ Reduktion und Konzentration Um das Jahr 2000 rückt die Horizontlinie ganz an den oberen Bildrand, der Boden kippt steil nach oben, Soldaten wie Raben bewegen sich verloren am weiten weißen Schneefeld. In den letzten Jahren entstehen Zeichnungen, in denen die Reduktion der Gestaltungslinien die Geometrie des Bildaufbaus zeigt. Floras Raben werden in den letzten Schaffensjahren größer und personifizierter, sie erhalten Charakter und werden zu Ausdrucksträgern von Gefühlen, wie in der Arbeit Große Panik oder Landschaft mit drei alten Raben. Die Kunst, sich auf zarte Linien – die die Darstellung formbildend wie auch inhaltlich konstruieren – zu beschränken und diese dank abstrahierenden Reduzierens der Formen und Bildgegenstände auf das Blatt zu setzen, rückt Flora in die Nähe der künstlerischen Tradition der Klassischen Moderne und verbindet ihn im Denken mit deren richtungsweisenden Künstlern Pablo Picasso, Paul Klee, Lyonel Feininger – und aus dem näheren Umfeld natürlich mit Alfred Kubin. Um 1950 ist das Individuelle an Floras Strichführung gefunden, die Zeichnungen zei gen den so selbstverständlich wirkenden Umgang mit der filigranen Linie. Die aus letztlich drei Kreisen und drei Rechtecken bestehenden Grundformen, die jeweils mit einer Linie verbunden sind, erzeugen mithilfe nur weniger Schraffuren den Eindruck von Räumlichkeit und dem lautlosen Schweben der Ballone in einer zeitlosen Stille. Zitate „Ich bin beileibe kein Avantgardist. Ich kann mich heute zurücklehnen und den Arriè re - gardisten spielen, da ich im Kopf ein Avantgardist war, als es in den dreißiger und vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts nicht in Mode war, ein solcher zu sein. In diesen Zei ten, als bei uns die Barbaren herrschten, wa ren Klee, Feininger und Picasso meine Göt - ter. Künstler, die damals noch lange Picasso und Klee für Scharlatane und Schwindler hielten, haben mich später auf dem Gebiete des Avantgardismus weit überholt.“ Paul Flora „Für den Zeichner gibt es keine Fremdsprachen. Er schreibt in der Muttersprache aller Völker. Der Zeichner ist ein Bilderschriftsteller. Er ist ein Literat.“ Erich Kästner „Ein Bild ist ja nicht in erster Linie die Darstellung einer lustigen oder ernsten Szene, einer Landschaft, einer Schlacht, einer Ansammlung von abstrakten Dreiecken oder was immer, sondern eine im Idealfall ge - glückte Komposition von Linien, Farben und Flächen.“ Paul Flora https://www.albertina.at/ https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Flora https://www.paulflora-rechte.com/ »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 201 / 20. 12. 2021 Kultur Eine Entdeckung! Das Leopold Museum zeigt bis 20. Feber 2022 die Sammlung Schedlmayer 155 © Privatbesitz, Foto: Leopold Museum, Wien / Manfred Thumberger Erstmals präsentiert das Leopold Museum die der breiteren Öffentlichkeit noch weit - gehend unbekannte Sammlung Schedlmayer. In knapp drei Jahrzehnten trugen Hermi (1941–2018) und Fritz Schedlmayer (1939– 2013) mit viel Leidenschaft eine hochkarätige Auswahl kunstgewerblicher Gegenstände und Werke der bildenden Kunst zusammen. Ihren Anfang nahm die Geschichte der Sammlung im Jahr 1989, als das österreichische Ehepaar die Villa Rothberger in Baden bei Wien erwarb. Das 1912 vom Architekten Otto Prutscher maßgeblich umgebaute und eingerichtete Haus ließen sie restaurieren, entdeckten den Facettenreichtum von Prutschers Wirken und wandten sich mit Elan und Akribie der Erforschung seines Lebens und Werks zu. Ein weiteres Augenmerk des Sammlerpaares galt der bildenden Kunst. Hermi und Fritz Schedlmayer erwarben herausragende Werke des deutschen Expressionismus von Anonymer Fotograf, Villa Rothberger, gartenseitige Ansicht, um 1915 © AFOP (Archiv Familie Otto Prutscher) Karl Hofer, Christian Rohlfs, Max Pechstein oder etwa Ernst Ludwig Kirchner. Neben die - Karl Ehn, Otto Prutscher, 1913 »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at sen fanden Gemälde von VertreterInnen der österreichischen Moderne wie Broncia Koller- Pinell, Jean Egger, Anton Kolig, Franz Wiegele und Anton Faistauer Eingang in die Sammlung. 2017 erfolgte eine großzügige Schenkung von Otto Prutschers Entwürfen sowie Objekten aus Silber, Glas und Keramik an das Mu - seum für angewandte Kunst in Wien, das zwei Jahre später eine Personale des Künstlers zeigte. Daß sich in der Sammlung Schedl mayer jedoch zahlreiche Beispiele der Malerei und Grafik der frühen Moderne finden, war bis heute kaum bekannt. „Die Sammlung Schedlmayer verdient es tatsächlich, als Entdeckung bezeichnet zu wer den. In der Szene angewandter Kunst war die hochkarätige Prutscher-Sammlung der Familie Schedlmayer zwar bekannt, je - doch nicht, daß die österreichische und deutsche Moderne in Form von Gemälden und Arbeiten auf Papier so umfassend vertreten
Ausg. Nr. 201 • 20. Dezember 2021
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