ÖSTERREICH JOURNAL NR. 201 / 20. 12. 2021 Wissenschaft & Technik 142 se wenig Geld mit Eliteuniversitäten konkurrenzfähig zu sein“, so Liedl. Für das op ti - male Design der therapeutischen Antikörper spielt auch ihre Flexibilität eine wichtige Rolle. „Das Thema der Proteinlexibilität be - schäftigt mich in meiner Arbeitsgruppe schon seit vielen Jahren. Dabei untersuchen wir, sehr vereinfacht erklärt, nicht nur die starre Struktur der einzelnen Proteine. Wir schauen uns auch die Kräfte an, die auf die einzelnen Atome im Protein wirken, und be - wegen das Protein in Simulationen entlang dieser Kräfte. Dadurch erhalten wir ein sehr genaues Bild von der Flexibilität des Proteins“, erklärt Klaus Liedl. „Diese Simulationen liefern uns wichtige Hinweise für das optimale Design der therapeutischen Antikörper, denn die Bindeeigenschaften einzelner fast identischer Proteine können sich aufgrund ihrer Flexibilität stark unterscheiden.“ Die Abbildungen zeigen den Aufbau von Hai- und Kamel-Antikörpern im Vergleich zu einem menschlichen Antikörper. Die Antikörper der Haie und die des Kamels verfügen über viel kompaktere Binde-Interfaces (oben) und bestehen aus wesentlich weniger Domänen als der menschliche Antikörper. per erreichbar sind. Um das Behandlungsspektrum auszuweiten, müssen die Antikörper auch in die Zelle oder in das Zentrale Nervensystem eindringen können“, erklärt Klaus Liedl. Hier kommt allerdings ein Nachteil der Antikörper ins Spiel: Es handelt sich dabei um relativ große Moleküle. Vorbild aus der Natur In zwei voneinander völlig unabhängigen Fällen hat die Natur bereits viel einfachere An - tikörper entwickelt: „Antikörper sind soge - nannte Multidomänen-Moleküle. Sie bestehen aus mehreren Domänen (siehe Abbildung). Antikörper von Haien und Kamelen sind wesentlich kompakter aufgebaut als die von Menschen. Vor al lem in den Bereichen, in denen sie an das ge wünschte Antigen binden sollen, sind sie deutlich kleiner“, erklärt Monica L. Fernández-Quintero. Diese geringere Größe und ihren einfacheren Bauplan machen sich die WissenschaftlerInnen zunutze, um verbesserte therapeutische Antikör per zu entwickeln. „Wir bauen sogenann te Nanobodies nach dem Vorbild dieser Haioder Kamel-Antikörper“, beschreibt die Che - mikerin den komplizierten Vorgang. Bei der Kombination der einzelnen Domänen gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten, die die WissenschaftlerInnen mithilfe von Graphics Processing Units (GPU) simulieren. Für den durchschlagenden Erfolg ist von essentieller Bedeutung, daß die Forschungsgruppe in der Lage ist, ihre Rechnersysteme selbst zusammenzubauen und an besonders herausfordernde Problemstellungen anzupassen. „So gelingt es uns, mit vergleichswei - Abbildung: M. Fernández-Quintero Täuschungsmanöver Ein weiterer Aspekt, den die ChemikerInnen um Klaus Liedl erforschen, ist die sogenannte Humanisierung der therapeutischen Antikörper. „Bevor therapeutische Antikörper zur Behandlung eingesetzt werden können, müssen wir verhindern, daß der Körper den Antikörper als Hai- oder Kamel-Antikörper identifiziert. Wäre dies der Fall, würde das Immunsystem die Antikörper abbauen, noch bevor sie an das gewünschte Ziel binden könnten“, erklärt Monica L. Fernández- Quintero. Deshalb verwenden die WissenschaftlerInnen nur den oberen Teil der Haioder Kamel-Antikörper – also ihr wesentlich kleineres Binde-Interface – und setzen dieses auf molekularbiologisch veränderte menschliche Antikörper, die dann die weitere Kommunikation mit den Zellen übernehmen. Da dieser Vorgang natürlich auch etwas an den Bindeeigenschaften der Antikörper verändern kann, ist auch er Teil der Forschungsarbeit des Teams um Klaus Liedl. „Wir erforschen im Rahmen unserer Simulationen nicht nur, wie dieser Umbau im Design die Bindeeigen - schaften verändert, sondern natürlich auch, wie wir die entsprechenden Veränderungen nutzen können, um die Wirkung der Nanobodies zu verbessern“, beschreibt Liedl. Ne - ben der Grundlagenforschung setzen die ChemikerInnen um Klaus Liedl ihr Knowhow auch im Rahmen verschiedener Kooperationsprojekte mit Pharmaunternehmen ein, denn therapeutische Antikörper sind die Hoff - nungsträger der Wirkstoffforschung, da von sind sie überzeugt. n https://www.uibk.ac.at/ https://www.uibk.ac.at/aatc/ »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 201 / 20. 12. 2021 Wissenschaft & Technik Wasser floß einst 140 Meter bergauf 143 Neue Forschungsergebnisse zur Eisriesenwelt im Tennengebirge Foto: Eisriesenwelt GmbH Blick in die 42 Kilometer langen Höhlensysteme der Eisriesenwelt im Salzburger Tennengebirge Ein Forschungsteam des Naturhistorischen Museums Wien und der Universität Innsbruck hat die Herkunft und Fließrichtung von Wasser zur Entstehungszeit der 42 Kilometer langen Höhlensysteme der Eisriesenwelt im Tennengebirge (Salzburg) untersucht. Ergebnisse zeigen, daß vor Jahrmillionen Wasser unter Druck 140 Meter em - porfloß. Die Eisriesenwelt im Tennengebirge bei Werfen (Salzburg) ist eine Karsthöhle, deren Gänge aufgrund von Lösung des Kalksteins durch kohlensäurehaltiges Wasser entstanden sind. Das Alter der Eisriesenwelt kann aufgrund von Vergleichen mit anderen Höhlen mit fünf bis zehn Millionen Jahren angegeben werden. Ein Forschungsteam des Na - turhistorischen Museums Wien und der Universität Innsbruck hat nun die Entstehung der gesamten, 42 Kilometer langen Höhle genauer untersucht. Für Publikum ist nur ein kleiner Teil zu Beginn des verzweigten Höhlensystems zugänglich. „Wasser fließt bergab, möchte man meinen“, so Lukas Plan, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Karst- und Höhlen-Arbeitsgruppe am NHM Wien. „Forschungen haben nun jedoch ergeben, daß das für seine Eisformationen bekannte Höhlensystem bei der Entstehung völlig mit Wasser gefüllt war und daß es im ansteigenden, für Besucherinnen und Besucher geöffneten Teil, unter Druck 140 Meter emporfloß.“ Über die Herkunft und Fließrichtung des Wassers im Höhlensystem der Eisriesenwelt wusste man bisher wenig. Um dies zu erforschen, wurden Raumprofile und Lösungsformen untersucht. Sie zeigen, daß die Eisriesenwelt zur Zeit ihrer Entstehung komplett mit Wasser gefüllt war. Bei der Entschlüsselung der Entstehungsbedingungen kommt den sogenannten Fließfacetten besondere Bedeutung zu. Diese asymmetrischen muschelförmigen Vertiefungen in der Höhlenwand bildeten sich durch Wasserwirbel und geben heute Auskunft über die ehemalige Fließrichtung und -geschwindigkeit. Eine Kartierung der Fließfacetten zeigte, daß vor Millionen von Jahren bei Hochwässern ca. 100.000 Liter Wasser pro Sekunde in Richtung Nordosten durch das Tennengebirge flossen – also vom heutigen Höhleneingang im eisführenden Schauhöhlenabschnitt 140 Meter hinauf. Dieser war der ansteigende Teil eines mindestens so tiefen Siphons (einer mit Wasser gefüllten U-förmigen Strecke). Das umgebende Kalkgestein vor dem heutigen Eingang ist im Laufe der Jahrmillionen der Erosion zum Opfer gefallen und nicht mehr vorhanden. Mit großer Wahrscheinlichkeit stammte das Wasser aus den südlich des Tennengebirges gelegenen Zentralalpen, »Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at deren Gesteinsbruchstücke in Form von Sand und Kies in der Höhle häufig zu finden sind. Die Eisriesenwelt ist somit das erste Höhlensystem in den Nördlichen Kalkalpen, für das eine ehemalige Speisung durch Flüsse aus den Zentralalpen gut belegbar ist. n https://www.nhm-wien.ac.at/ Siehe auch unseren Beitrag in der „Österreich Journal“-Ausgabe 196 vom 7. Dezember 2020 auf den Seiten 86 bis 92: https://www.yumpu.com/de/document/view/65048144/ausgabe-196
Ausg. Nr. 201 • 20. Dezember 2021
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