ÖSTERREICH JOURNAL NR. 200 / 15. 10. 2021 Wirtschaft Kräftiger Aufschwung verschärft Preisdruck und Lieferprobleme Der Aufschwung der Weltwirtschaft setzte so unerwartet früh und kräftig ein, daß die Produktion hinterherhinkt, Lagerbestände geräumt werden und Lieferengpässe entstehen. Quelle: WIFO-Konjunkturtest Materialmangel und Fertigwarenlager in der österreichischen Industrie saisonbereinigt Wie das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung WIFO berichtet, führt dies zu beträchtlichen Preissteigerungen, die die Wucht des Aufschwungs zu - nehmend bremsen. In Österreich war das Wirtschaftswachstum im II. Quartal 2021 (+3,6 % gegenüber dem Vorquartal) deutlich höher als im Durchschnitt des Euro-Raumes (+2,2 %), vor allem aufgrund der schwungvollen Dynamik im Gastgewerbe. Im Laufe des Sommers hat das BIP bereits das Vorkrisenniveau überschritten. Sowohl die Ar– beitslosigkeit als auch die Langzeitbeschäftigungslosigkeit tendierten zuletzt abwärts. „Als Folge der unerwartet frühen und kräftigen Konjunkturerholung kommt es zu starkem Lagerabbau und beträchtlichen Materialengpässen. Dies wirkt preistreibend und bremst die Wucht des Aufschwungs“, so der Autor des aktuellen WIFO-Konjunkturberichtes Stefan Schiman. Lagerbestände werden weltweit zurzeit beträchtlich reduziert. Üblicherweise folgt einem Lagerabbau ein Konjunkturabschwung. Diesmal ist er jedoch Ausdruck des äußerst kräftigen Aufschwungs, der die Weltwirtschaft seit dem Frühjahr 2021 erfaßt hat. Vor allem die Plötzlichkeit und die Stärke des Aufschwungs haben den markanten Lagerabbau zur Folge. Für die meisten Marktteilnehmer trat die Erholung unerwartet früh ein, da die Saisonalität des SARS-CoV-2- Virus unterschätzt wurde. Sie verlief bisher auch äußerst kräftig, da die Lockdowns die Kaufkraft der privaten Haushalte sowie die Produktionskapazitäten der Unternehmen nicht in dem Ausmaß reduziert hatten wie „herkömmliche“ Konjunkturabschwünge und weil zudem großzügige wirtschaftspolitische Maßnahmen gesetzt worden waren. Die sich nun ergebenden Lieferengpässe und Preissteigerungen sind erheblich. So gaben zuletzt rund 32 % der heimischen In - dustriebetriebe Materialmangel als wichtigstes Produktionshindernis an, während der langjährige Durchschnitt 7,5 % beträgt und selbst in normalen Aufschwüngen nie mehr als 15 % unter akutem Materialmangel leiden. Gleichzeitig haben sich die Preise für Industrierohstoffe von April 2020 bis Mai 2021 auf Dollarbasis mehr als verdoppelt, obwohl sie in den Krisenmonaten davor, von Jänner 2020 bis April 2020, um nur 14 % gesunken waren. Diese Situation führt dazu, daß knapp die Hälfte der heimischen Industriebetriebe die Verkaufspreise demnächst anheben will, während dies im Durchschnitt der letzten 15 Jahre jeweils nur 7,2 % planten. Die Lieferengpässe führen aber nicht nur zu Preissteigerungen, sondern auch zu Rationierung: So steigen in der Kfz-Branche trotz eines Nachfragebooms die Anmeldungen zur Kurzarbeit aufgrund des erheblichen Mangels an Halbleitern (Mikrochips). Dementsprechend sind die meisten Un - ternehmen zwar grundsätzlich optimistisch in Bezug auf ihre aktuelle Geschäftslage, al - lerdings bremste sich die Zuversicht im Sommer etwas ein. Das zeigen die Unterneh - mensbefragungen für Österreich als auch für den übrigen Euro-Raum. In Österreich dämpfte sich die Stimmung insbesondere in den krisengeschüttelten Dienstleistungsbranchen, was darauf hindeutet, daß im Herbst wieder mit Beeinträchtigungen der Geschäftstätigkeit gerechnet wird. »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at 94 Derzeit herrscht aber noch ein äußerst kräftiger Aufschwung. Im II. Quartal 2021 (April bis Juni) wuchs die Wirtschaftsleistung in Österreich um 3,6 % gegenüber dem Vorquartal und damit im Ländervergleich (Euro-Raum +2,2 %) besonders rasch. Dies ist vor allem den Wertschöpfungsgewinnen im Gastgewerbe zuzuschreiben, die mehr als die Hälfte des Quartalswachstums ausmachten. Im Juli 2021 wurde bereits das BIP- Niveau vor Ausbruch der Covid-19-Krise überschritten und Mitte August 2021 lag es bereits um 1,5 % darüber. Als Folge des Nachfragebooms und der Angebotsknappheiten stieg die Verbraucherpreisinflation in Österreich laut Schnellschätzung von Statistik Austria zuletzt auf über 3 %. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote ist im August 2021 auf 7,7 % (318.700 Personen) gesunken und lag damit um nur mehr 0,6 Prozentpunkte (23.600 Personen) über dem Vorkrisenniveau vom Februar 2020. Die Zahl der langzeitbeschäftigungslosen Arbeitslosen betrug zuletzt 128.300 Personen, um 30.900 mehr als im Februar 2020, aber bereits um 20.100 weniger als im April 2021. n https://www.wifo.ac.at/
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 200 / 15. 10. 2021 Wirtschaft Österreichs Industrie legt kurzfristig wieder einen Gang zu Das Wachstumstempo der Industrie festigt sich auf überdurchschnittlich hohem Niveau und nimmt Kurs auf einen Produktionsanstieg von etwa 8,5 Prozent real im Gesamtjahr 2021 Nachdem sich der seit dem Frühjahr überschießenden Aufschwungs in der österreichischen Industrie in den vergangenen Monaten etwas beruhigt hat erhöht sich das Erholungstempo im September wieder et was. „Der UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex ist im September auf 62,8 Punkte gestiegen. Damit wurde die schrittweise Verlangsamung der Industriekonjunktur über den Sommer gestoppt. Das Wachstumstempo der österreichischen Industrie festigt sich auf einem überdurchschnittlich hohen Niveau und nimmt Kurs auf einen Produktionsanstieg im Gesamtjahr 2021 von etwa 8,5 Prozent real“, sagt UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer. Im Jahr 2020 war die Produktion in der Sachgütererzeugung pandemiebedingt um 7,5 Prozent real eingebrochen. Der erneute konjunkturelle Aufwind in der heimischen Industrie überrascht bei einem Blick auf die einheitlich negativen in - ternationalen Vorgaben. „Die vorläufigen Einkaufsmanagerindizes für die USA, das Vereinigte Königreich und auch für den Euroraum zeigen zwar weiterhin ein hohes Wachstumstempo an, haben im September ihre rückläufige Tendenz jedoch fortgesetzt. In Europa hat vor allem der klare Rückgang im Kernmarkt Deutschland auf 58,5 Punkte den Trend bestimmt. Die im Gegensatz zur europäischen Entwicklung stehende Verbesserung der Industriekonjunktur im September in Österreich schätzen wir daher nur als kurzfristige Unterbrechung der konjunkturellen Beruhigung ein, die vorrangig auf die be - schleunigte Aufarbeitung von aufgestauten Auftragsrückständen zurückzuführen sein dürfte“, so Bruckbauer. Kräftige Produktionsausweitung trotz weniger Neugeschäft Die heimischen Betriebe haben im September ihre Produktionsleistung deutlich ausgeweitet. Nach drei rückläufigen Monaten stieg der Produktionsindex auf 59,2 Punkte und zeigt damit ein weit über dem langjährigen Durchschnitt liegendes Expansionstempo der österreichischen Industrie an. „Die heimische Industrie hat im September die Ausweitung der Produktion be - schleunigt, obwohl das Neugeschäft mittlerweile den dritten Monat in Folge sinkt. Während die Nachfrage aus dem Ausland wieder an Dynamik gewonnen hat, dämpfte die ungünstigere Auftragsentwicklung aus dem Inland“, sagt UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl. Trotz des Rückgangs weist der Index für das Neugeschäft mit 58,5 Punkten weiterhin auf ein stark wachsendes Auftragsvolumen in der heimischen Industrie hin, jedoch mit dem geringsten Tempo des vergangenen halben Jahres. Im Einklang mit dem langsameren Auftragswachstum im September und vor allem auch der beschleunigten Erhöhung der Produktion steht der weit geringere Anstieg der Auftragsrückstände im Vergleich zum Vormonat. Der Index der Auftragsrückstände sank um fast vier auf 61,0 Punkte. Trotz der Verlangsamung des Anstiegs der Auftragsrückstände der heimischen Industriebetriebe haben sich die Lieferfristen der Zulieferer nach drei Monaten erstmals wieder verlängert, was vorläufig auf keine Entspannung der Probleme in den globalen Lieferketten hin deutet. »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at 95 Preise ziehen weiter an Angesichts des rückläufigen Neugeschäfts haben die österreichischen Industriebetriebe im September die Einkaufsmenge an Vormaterialien und Rohstoffen weniger stark erhöht als in den Vormonaten. Trotzdem sind die Bestände in den Vormateriallagern im Durchschnitt stärker gestiegen. Dagegen haben aufgrund der dynamischen Nachfrage die Bestände in den Verkaufslagern weiter abgenommen. Das verringerte Wachstumstempo der Einkaufsmenge der österreichischen Betriebe hatte auch keine dämpfende Wirkung auf die Preisdynamik. „Bestimmt durch angebotsseitige Engpässe in der Produktion und im Transport hat sich der Preisauftrieb im Ein kauf für Vormaterialien und Rohstoffe der Industrie wieder beschleunigt. Die heimischen Betriebe waren im September dank einer starken Nachfrage besser als in den Vormonaten in der Lage den Kostenanstieg an die Kunden weiterzugeben, dennoch hat sich im Durchschnitt die Ertragslage tendenziell weiter verschlechtert“, so Pudschedl. Die Probleme in den globalen Lieferketten dürften noch einige Zeit anhalten und sich nur langsam entspannen, so daß auch in den kommenden Monaten weiterhin mit einem starken Auftrieb der Preise zu rechnen ist,
Ausg. Nr. 200 • 15. Oktober 2021
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