ÖSTERREICH JOURNAL NR. 200 / 15. 10. 2021 Innenpolitik 86 Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Topf Parlamentsdirektion / Johannes Zinner Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Topf Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) Na tionalrats-Sondersitzung waren, appellierte Kogler: „Lassen wir die Justiz arbeiten, lassen wir sie unabhängig ermitteln.“ Kritik an der Staatsanwaltschaft müsse in einem Rechtsstaat zwar zulässig sein, aber ein gene - relles Infragestellen der Institution Justiz sei zurückzuweisen, unterstrich der Grünen-Bun - dessprecher, der gleichzeitig erinnerte, bei strafrechtlichen Vorwürfen habe zunächst immer die Unschuldsvermutung zu gelten. In seinen Ausführungen zur Regierungsarbeit pflichtete Kogler seinem Vorredner Schallenberg bei, in der Verantwortung für Österreich müsse man gemeinsam viele Dinge zügig auf den Weg bringen. Mit dem Vorschlag für das Bundesfinanzgesetz 2022, der morgen im Nationalrat eingebracht wird, stelle man die Weichen dafür, nannte er ge - plante Finanzierungsvorkehrungen für Kindergärten, Pflegereform, Digitalisierung, Ge - waltschutz für Frauen, ökologische Umsteuerungen zum Klimaschutz und Pandemiebekämpfung. Nach dem Motto „Transformation statt Depression“ würden viele Länder Europas als Folge der Covid-19-Krise nun einen großen Umbau beginnen; etwa bei der Mo - dernisierung der Wirtschaft, befand Kogler, der schloß: „Lassen Sie uns das Richtige tun, lassen Sie es uns verläßlich tun, aus Verantwortung für Österreich.“ SPÖ: Regierungsumbildung ist eine Farce SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner übte scharfe Kritik an den Worten des neuen Bundeskanzlers Alexander Schallenberg. Es stehe ihm nicht zu, parlamentarische Instrumente wie einen Mißtrauensantrag in Frage zu stellen oder das Hohe Haus zu belehren. Abg. z. NR August Wöginger (ÖVP) Schallenbergs Aussagen vom Vortag, wonach dieser die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft für falsch halte, ließen zudem nicht darauf schließen, daß sich der neue Bundeskanzler seiner Verantwortung dem Rechtsstaat gegen - über bewußt sei. Es handle sich um schwerste Vorwürfe gegen Kurz und seine engsten Vertrauten, rief Rendi-Wagner in Erinnerung. Ihm werde vorgeworfen, im Zentrum eines korrupten Systems zu stehen und einen Machtkampf der Partei mit illegalen Mitteln geführt zu haben. Sie prangerte insbesondere an, daß Kurz für den eigenen Vorteil die In - vestition von einer Milliarde Euro in Kinderbetreuungsplätze verhindert habe. Die nunmehrige Regierungsumbildung bezeichnete die SPÖ-Klubobfrau als Farce. Kurz ziehe als Schattenkanzler weiterhin die Fäden. Wenn Schallenberg das Vertrauen in die Regierung wieder herstellen wolle, müs - se er eine entschiedene Trennlinie zum Sy - stem Kurz ziehen. Sie forderte ihn auf, sich von allen unter Korruptionsverdacht stehenden MitarbeiterInnen zu trennen und für Aufklärung zu sorgen. Ihre Fraktion werde jedenfalls genau darauf achten, wie Schallenberg und die Regierungsmannschaft sich verhalten. Beim geringsten Anschein, daß Aufklärung sabotiert und der Rechtsstaat dif - famiert werden, sei mit schärfstem Widerstand zu rechnen. ÖVP: Vorwürfe gegen Kurz werden sich als falsch erweisen Die volle Unterstützung sicherte hingegen August Wöginger (ÖVOP) dem neuen Bun - deskanzler zu. Schallenberg sei der Richtige für die Aufgabe und werde das Land mit Ru - he und Stabilität in die Zukunft führen. Wö - Klubobmann Herbert Kickl (FPÖ) ginger dankte Kurz für seine Arbeit als Bun - deskanzler, da er mit Reformen, zwei ausgeglichenen Budgets und bei der Pandemiebekämpfung viel erreicht habe. Er zeigte sich überzeugt, daß sich die Vorwürfe gegen Kurz als falsch erweisen werden und wies die Doppelmoral der übrigen Fraktionen zurück. Kurz habe als Staatsmann Verantwortung wahrgenommen und sei zur Seite getreten. Damit habe er Chaos und Stillstand für die Republik verhindert. Das Experiment, das sonst mit einer Vier-Parteien-Koalition an der stärksten Kraft im Parlament vorbei ge - droht hätte, sei demokratiepolitisch abzulehnen. Wöginger betonte, man wolle weiterhin für die Menschen im Land arbeiten und Projekte wie das Budget und die ökosoziale Steuerreform vorantreiben. FPÖ spricht gesamter Regierung Mißtrauen aus Für den freiheitlichen Klubobmann Herbert Kickl ist der türkise Schein aufgeflogen. Die „Lichtgestalt“ Sebastian Kurz sei nun ein „gefallener Engel“, der sich feige vor der Debatte im Parlament drücke. Kickl halte einen politischen Neuanfang und eine „Reinigung vom türkischen ,Chat-Set‘“ für notwendig. Doch der neue Bundeskanzler Schal - lenberg habe gleich zu Beginn betont, daß er mit seinem Vorgänger selbstverständlich zu - sammenarbeiten wer de, und der Justiz in seiner ersten Wortmeldung das Mißtrauen ausgesprochen. Da mit habe Schallenberg in seiner ersten Rede das Ende des Neuanfangs ver kündet und die Erwartungshaltung der Menschen zu Grabe getragen. Es hätte stattdessen Bedauern und Entschuldigung gegenüber der Bevölkerung gebraucht, so Kickl. »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 200 / 15. 10. 2021 Innenpolitik 87 Parlamentsdirektion / Johannes Zinner Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Topf Klubbrfrau Beate Meinl-Reisinger (NEOS) Das türkise System wuchere weiter, kritisierte der Freiheitliche. Es sitze mit den „grünen Lebensverlängerern“ auf der Regierungsbank und arbeite mit den sogenannten „Prätorianern“ im Hintergrund weiter. Seiner Fraktion bliebe daher nichts anderes übrig, als der gesamten Regierung das Misstrauen auszusprechen. Regierungskrise für Grüne überwunden Für die Klubobfrau der Grünen Sigrid Mau rer haben die vergangenen sechs Tage die Republik erschüttert und eine veritable Re - gierungskrise ausgelöst. Diese Tage haben aus ihrer Sicht gezeigt, wie schnell die ge wohnte Stabilität ins Wanken gerate, aber auch, daß das Parlament, der Bundespräsident und die Außenminister Michael Linhart bei seiner ersten Rede vor dem Parlament Regierungsmitglieder handlungsfähig seien. Die Krise sei nun mit der Erklärung von Alexander Schallenberg überwunden, den sie als neuen Bundeskanzler im Hohen Haus willkommen hieß. Man schlage damit ein neues Kapitel auf, das mit vielen Projekten aus dem Regierungsprogramm ge füllt sei. Das neue Kapitel müsse aber auch ge - prägt sein vom Wiederaufbau des Vertrauens. Die Grünen würden alles daran setzen, das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik wieder zu gewinnen und zu stärken. Es gelte auch, das Vertrauen zwischen den Koalitions - partnern und zwischen den Parteien im Parlament wieder aufzubauen. Mit Alexander Schallenberg gebe es nun einen neuen Bun - deskanzler, der Projekte vorantreibt. Die Ju - stiz könne konsequent und unabhängig die Vor würfe beurteilen und ein Untersuchungsausschuß werde die politische Verantwortung klären. Mit dieser Dreiteilung der Ge walten sieht Maurer das Funktionieren der verfassungsmäßigen Instrumente gewährleistet. NEOS für Abgrenzung und Neustart NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger bezweifelte, daß die Regierungskrise wirklich vorbei sei. Denn während der Erklärung von Schallenberg sei die beschuldigte Meinungsforscherin festgenommen worden. Der neue Bundeskanzler habe es nun in der Hand, ob er sich an das System klammere und mit untergehe. Das Parlament werde aber nicht zu lassen, daß er das Land mitreiße in den Un - tergang, betonte Meinl-Reisinger. Dennoch gratulierte Meinl-Reisinger den neuen Regierungsmitgliedern zu ihren Äm - tern und hieß sie willkommen. Es brauche nun aber Mut für einen Neustart, der offensichtlich nicht gegeben sei. Meinl-Reisinger übergab die 104 Seiten lange Schrift der Staatsanwaltschaft an Schallenberg. Es gebe darin handfeste und konkrete Beweise für Korruption, Bestechung und Bestechlichkeit, führte sie aus. Die ÖVP habe sich Macht mit dem Geld der SteuerzahlerInnen erkauft, warf sie den Türkisen vor. Es könnte bereits eine flächendeckende Nachmittagsbetreuung für Kinder geben, wenn die „Machtgeilheit“ einer Person das nicht verhindert hätte. Da - von hätte sie sich eine Abgrenzung durch Schallenberg gewünscht, sagte die NEOS- Chefin. Ihr Appell an den neuen Bundeskanzler lautete, nicht so weiterzumachen wie bisher. Die NEOS würden die Hand für einen Neustart reichen. Sie sprach sich für einen Schulterschluß für schärfere Regeln bei der Medientransparenz aus, für die ihre Fraktion einen Antrag einreichen werde. Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Topf Klubobfrau Sigrid Maurer (GRÜNE) Michael Linhart hält erste Rede im Parlament „Die Arbeit geht nahtlos weiter“, unterstrich Außenminister Michael Linhart und stellte Reisen nach Luxemburg sowie Sarajewo in Aussicht. Die enge Abstimmung mit der EU stehe für ihn – als überzeugter Europäer – im Zentrum. Als Herausforderungen nannte er nicht nur Afghanistan, Syrien und Jemen, sondern auch Belarus und den IS in den afrikanischen Staaten. Linhart hob die gute Zusammenarbeit mit den Central Five (C5-Staaten) hervor und trat für Menschenrechte und Grundfreiheiten ein. Von 2003 bis 2007 leitete Linhart die Aus - trian Development Agency des Außenministeriums, hob Reinhold Lopatka (ÖVP) die gute Zu sammenarbeit von Linhart mit dem Parlament in der Vergangenheit hervor. Linhart sei ein Profi, der sofort losstarte. Überdies sei er fachlich hoch qualifiziert, zitierte Lopatka mehrere Pressemeldungen. Mit Linhart werde die Außen- und Europapolitik an Bedeutung gewinnen, zeigte sich ebenfalls Ewa Ernst-Dziedzic (GRÜNE) überzeugt. Seine Erfahrung und Weitsicht würden ihn die Rolle als Außenminister gut erfüllen lassen und die Reputation Österreichs nach den Korruptionsermittlungen wieder verbessern, so Ernst-Dziedzic. Seitens der FPÖ trat Axel Kassegger (FPÖ) gegen eine Fortsetzung des außenpolitischen Kurses der letzten Jahre ein. Es ge - be eine Divergenz zwischen den in Brüssel getroffenen Beschlüssen und dem politischen Agieren in Österreich, so Kassegger. n https://www.parlament.gv.at/ Quelle: Parlamentskorrespondenz Mehr zu Außenminister Linhart: siehe Seite 36 »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at
Ausg. Nr. 200 • 15. Oktober 2021
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