ÖSTERREICH JOURNAL NR. 199 / 22. 06. 2021 Kultur 138 dem mehrheitlich WW-Künstlerinnen beteiligt waren. Bei der großen Modeausstellung 1915 im Museum für Kunst und Industrie (heute MAK) unternahmen sie mitten im Ersten Weltkrieg den Versuch, sich gegen - über der französischen Konkurrenz zu be - haupten. Hier fanden sich bereits alle Namen, die man gemeinhin mit den WW-Künstlerinnen verbindet: Mathilde Flögl, Hilda Jesser, Fritzi Löw, Reni Schaschl, Felice Rix oder Vally Wieselthier. Die Künstlerwerkstätte 1916 gründete die WW eine eigene Künstlerwerkstätte, die die Aufmerksamkeit der Presse erregte. „Ein Emaillierofen, eine Nähmaschine, ein Treibtischchen für Metallarbeiten, Kleistertöpfe, ein Batikapparat […] ein Schrank voll von geheimnisvollen Tiegeln wie in einer Zauberküche, dazwischen eine Schar lachender, junger Mädchen und ganz selten einmal ein männliches Wesen, – so sieht es in der Künstlerwerkstätte aus“, berichtete etwa das „Neue Wiener Journal“. Tatsächlich waren hier, auch kriegsbedingt, anfänglich vor allem Frauen tä tig. Als „Ideenlaboratorium“ bot die Künst - lerwerkstätte Möglichkeiten zum uneinge- ‘© MAK Wandmalereien von Lotte Calm, Lilly Jacobsen, Fritzi Löw, Anny Schröder und Vally Wieselthier in der WW-Textilabteilung, Kärntner Straße 32, 1918 dem 1899 bestellten Direktor Felician von Myrbach. Er verpflichtete die Secessionskünstler Hoffmann und Moser als Leiter der Fachschulen für Architektur und Malerei. Im Sinne der Gesamtkunstwerk-Idee weiteten sie die Lehre auf das gesamte Kunstgewerbe aus und banden die Schülerinnen in die Zusam - menarbeit mit Produzenten ein. Einige dieser Arbeiten fließen in die Ausstellung ein, darunter Service von Jutta Sika und Therese Trethan, ausgeführt von der Por - zellanmanufaktur Josef Böck, oder Stoffmuster von Else Unger, ausgeführt von Joh. Back hausen & Söhne. Unger entwarf auch Möbel, Gisela von Falke bemerkenswerte Keramiken. Gemeinsam mit Marietta Peyfuss und fünf Studienkollegen gründeten sie 1901 die Vereinigung „Wiener Kunst im Hause“, einen direkten Vor- läufer der Wiener Werkstätte. Erste Arbeiten für die Wiener Werkstätte Den Auftakt der MAK-Ausstellung bilden früheste Arbeiten der WW-Künstlerinnen wie Entwürfe für Postkarten, die die Wiener Werkstätte ab 1907 vertrieb. Die Sujets zeigen Glückwünsche, Städtebilder, Landschaften, Kinderspiele und vor allem Mode. Be - sonders kreativ waren hier Mela Koehler und Maria Likarz, die die Gebrauchsgrafik der WW bis zuletzt prägte. 1910 entstand die Stoffabteilung der WW, 1911 folgte die Modeabteilung. Die um fangreichen Modeentwürfe dokumentiert das Mappenwerk Mode Wien 1914/5, an © MAK / Katrin Wißkirchen Gudrun Baudisch, Keramikfigur (WW-Originalkeramik Nr. 5941), 1927 »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 199 / 22. 06. 2021 Kultur 139 schränkten Experimentieren, die Ergebnisse wurden von der WW angekauft oder abge - lehnt. Von Buntpapieren, Perlarbeiten und be - malten Gläsern über Stickereien, Schmuck und Spielzeug bis zu expressiver Keramik und sensationellen Stoffdesigns reichte das Produktionsspektrum. Arbeiten in größerem Maßstab ermöglichte die Gestaltung der WW-Filiale in der Kärntner Straße 32, die 1918 für den Verkauf von Spitzen, Stoffen und Lampen eingerichtet wurde. Die Wände und Decken wurden u. a. von Lotte Calm, Lilly Jacobsen und An - ny Schröder mit Natur- und szenischen Mo - tiven bemalt und werden in der Ausstellung fotografisch dokumentiert. Zwischen Anerkennung und Kritik Der Ausstellungsparcours mündet in die Rezeption der „weiblichen“ WW-Kunst in den 1920er Jahren. Im Zuge des Ersten Weltkriegs erforderte die wirtschaftliche Situation der Frauen Erwerbstätigkeit und ließ einen neuen Typus Frau entstehen: eigenständig und souverän. In der zeitgenössischen Literatur wird er u. a. durch die kurzhaarige, rauchende und extravagant gekleidete „Kunstgewerb - lerin“ versinnbildlicht. Diesen Beruf umgab etwas Elitäres: Er garantierte keinen sicheren Verdienst und war daher eine Domäne für Frauen aus begüterten Verhältnissen. Adolf Loos sah in ihnen gelangweilte höhere Töchter, die sich „‚Künstlerinnen‘ nennen, weil sie batiken können“. Die Kritik kulminierte in der Bezeichnung „Wiener Weiberkunstgewerbe“ durch den Grafiker Julius Klinger. Dieser Diffamierung stand die Würdigung bei großen Ausstellungen der Zwischen - kriegszeit, etwa der Deutschen Gewerbeschau in München (1922) oder der Art-déco- Ausstellung in Paris (1925), gegenüber. Der von Gudrun Baudisch, Mathilde Flögl und Vally Wieselthier gestaltete Katalog zum 25- Jahr-Jubiläum der Wiener Werkstätte 1928 führte das grafische und plastische Können noch einmal beispielhaft vor Augen. Zur Ausstellung ist die Publikation „Die Frauen der Wiener Werkstätte“ erschienen, herausgegeben von Christoph Thun-Hohenstein, Anne-Katrin Rossberg und Elisabeth Schmuttermeier, mit Beiträgen von Megan Brandow-Faller, Elisabeth Kreuzhuber, Anne- Katrin Rossberg, Elisabeth Schmuttermeier, Lara Steinhäußer und Angelika Völker. n https://www.mak.at/ Deutsch/Englisch, 288 Seiten mit zahlreichen Farbabbildungen. MAK, Wien/Birk häuser Verlag, Basel 2020. Erhältlich im MAK Design Shop um € 44,95. https://www.makdesignshop.at/ © MAK Foto: MAK / Georg Mayer Vally Wieselthier, Werbung für die Mode der „Wiener Werkstätte Kärntnerstrasse 32 u. 41“, Wien, vor 1928; Bild unten: Ausstellungsansicht „Die Frauen der Wiener Werkstätte“ »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at
Ausg. Nr. 199 • 22. Juni 2021 Das
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Foto: Parlamentsdirektion / Johanne
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