ÖSTERREICH JOURNAL NR. 198 / 19. 04. 2021 Wissenschaft & Technik Der unverwüstliche Lichtstrahl TU Wien und Universität Utrecht erzeugen spezielle Lichtwellen, die selbst undurchsichtige Materialien so durchdringen können als wäre das Material gar nicht vorhanden. 104 Foto: Allard Mosk / Matthias Kühmayer Der Lichtstrahl durchdringt ein ungeordnetes Medium und erzeugt am Detektor trotzdem daßelbe Bild als wäre das Medium gar nicht da. Warum ist Zucker nicht durchsichtig? Weil Licht, das ein Stück Zucker durchdringt, auf hochkomplizierte Weise ge - streut, verändert und abgelenkt wird. Wie ein Forschungsteam der TU Wien und der Universität Utrecht (Niederlande) nun zeigen konnte, gibt es allerdings eine Klas se ganz spezieller Lichtwellen, für die das nicht gilt: Für jedes spezifische ungeordnete Medium – wie etwa das Stück Würfel- Zucker das Sie vielleicht gerade in Ihren Kaf fee gegeben haben – lassen sich maßgeschneiderte Lichtstrahlen konstruieren, die von diesem Me dium praktisch nicht verändert, sondern nur abgeschwächt werden. Der Lichtstrahl durch dringt das Medium und auf der anderen Seite kommt ein Lichtmuster an, das dieselbe Form hat, als wäre das Medium gar nicht da. Diese Idee der „streuungsinvarianten Lichtmoden“ läßt sich auch verwenden, um das Innere von Objekten gezielt zu untersuchen. Die Ergebnisse wurden nun im Fachjournal „Nature Photonics“ publiziert. Astronomisch viele mögliche Wellenformen Die Wellen auf einer turbulenten Wasseroberfläche können unendlich viele verschiedene Formen annehmen – und auf ähnliche Weise kann man auch Lichtwellen in unzähligen unterschiedlichen Formen herstellen. „Jedes dieser Lichtwellenmuster wird auf ganz bestimmte Weise verändert und abgelenkt, wenn man es durch ein ungeordnetes Medium schickt“, erklärt Prof. Stefan Rotter vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien. Gemeinsam mit seinem Team entwickelt Stefan Rotter mathematische Methoden, um solche Lichtstreuungseffekt zu beschreiben. Die Expertise zur Herstellung und Charakterisierung solch komplexer Lichtfelder wurde vom Team um Prof. Allard Mosk von der Universität Utrecht beigesteuert. „Als lichtstreuendes Medium verwendeten wir eine Schicht aus Zinkoxid – ein undurchsichtiges, weißes Pulver aus völlig zufällig angeordneten Nanopartikeln.“, erläutert Prof. Allard Mosk, der Leiter der experimentellen Forschungsgruppe. Zunächst muß man diese Schicht genau charakterisieren. Man durchleuchtet das Zinkoxidpulver mit ganz bestimmten Lichtsignalen und mißt, wie sie dahinter am Detektor ankommen. Daraus kann man dann schließen, wie beliebige andere Wellen von diesem Medium verändert werden – insbesondere kann man ganz gezielt berechnen, welche Wellenmuster von dieser Zinkoxidschicht genau so verändert werden, als wäre überhaupt keine Wellenstreuung in dieser Schicht vorhanden. „Wie wir zeigen konnten, gibt es eine ganz spezielle Klasse von Lichtwellen, die sogenannten streuungsinvarianten Lichtmoden, die am Detektor genau daßelbe Wellenmuster erzeugen, egal ob die Lichtwelle nur durch Luft geschickt wurde oder ob sie die komplizierte Zinkoxidschicht durchdringen mußte“, sagt Stefan Rotter. „Im Experiment sehen wir, daß durch das Zinkoxid die Form dieser Lichtwellen tatsächlich nicht verän- »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 198 / 19. 04. 2021 Wissenschaft & Technik 105 Foto: Allard Mosk / Matthias Kühmayer Zum Vergleich: Lichtstrahl ohne streuendes Medium dert wird – sie werden nur insgesamt ein we - nig schwächer“, erläutert Allard Mosk. Ein Sternbild am Lichtdetektor Auch wenn diese streuungsinvarianten Lichtmoden angesichts der theoretisch unbegrenzten Zahl möglicher Lichtwellen sehr sel - ten sind, kann man trotzdem viele von ihnen finden. Und wenn man verschiedene dieser streuungsinvarianten Lichtmoden richtig kombiniert, erhält man wieder eine streuungsinvariante Wellenform. „Auf diese Weise kann man sich, zumindest innerhalb gewisser Grenzen, ziemlich frei aussuchen, welches Bild man störungsfrei durch das Objekt schicken möchte“, sagt Jeroen Bosch, der als Doktorand am Experiment arbeitete. „Wir haben uns im Experiment für das Beispiel eines Sternbilds entschieden – den großen Wagen. Und tatsächlich ließ sich eine streuungsinvariante Welle ermitteln, die ein Bild vom großen Wagen zum Detektor schickt – und zwar unabhängig davon, ob die Lichtwelle von der Zinkoxidschicht gestreut wird oder nicht. Für den Detektor sieht der Lichtstrahl in beiden Fällen fast gleich aus.“ Der Blick in die Zelle Diese Methode, Lichtmuster zu finden, die ein Objekt weitgehend ungestört durchdringen, könnte man auch für bildgebende Verfahren einsetzen. „Im Krankenhaus verwendet man Röntgenstrahlen um in den Körper hineinzusehen – sie haben eine kürzere Wellenlänge und können daher unsere Haut durchdringen. Aber die Art, wie eine Lichtwelle ein Objekt durchdringt, hängt eben nicht nur von der Wellenlänge ab, sondern auch von der Wellenform“, sagt Matthias Küh mayer, der sich im Rahmen seiner Dissertation an der TU Wien mit Computer-Si - mulationen von Wellenphänomenen beschäf - tigt. „Wenn man Licht im Inneren eines Objekts an bestimmten Punkten fokussieren will, dann eröffnet unsere Methode ganz neue Möglichkeiten. Wir konnten zeigen, daß sich Wenn man Baumstämme im Sägewerk verarbeitet, wird ungefähr die Hälfte des Materials zu Sägespänen und Hack - schnitzeln zerkleinert. Die TU Wien und die HS Timber Group, eines der größten holzverarbeitenden Unternehmen Europas, su - chen nun gemeinsam nach hochwertigen Anwendungsmöglichkeiten für diese Nebenprodukte. Im Projekt „WoodComp3D“ soll ein Verfahren entwickelt werden, um Holzspäne in ein hochwertiges Biokomposit- Material umzuwandeln. Dieses holzbasierte Spezialmaterial soll eine große Festigkeit und Tragkraft aufweisen, sodaß es auch im Hausbau zum Einsatz kommen kann. Sogar für die Herstellung paßgenauer Objekte im 3D-Drucker könnte es geeignet sein. „Der Proof of Concept ist der erste Schritt“, sagt der Bauingenieur Prof. Josef auch die Lichtverteilung im Inneren der Zinkoxidschicht gezielt steuern läßt.“ Interessant könnte das etwa für biologische Experimente sein, bei denen man Licht an ganz bestimmten Punkten einbringen möchte, um tief in das Innere von Zellen zu blicken. Die gemeinsame Publikation des Teams aus den Niederlanden und Österreich zeigt jedenfalls schon jetzt, wie wichtig die internationale Zusammenarbeit zwischen Theorie und Experiment ist, um in diesem Gebiet Fortschritte zu erzielen. n https://www.tuwien.ac.at/ Neue Werkstoffe aus Holzspänen Füssl von der TU Wien, der das Projekt ge - meinsam mit dem Chemieingenieur Prof. An - ton Friedl wissenschaftlich leitet. „Zunächst wollen wir zusammen mit der HS Timber Group zeigen, daß diese Vision umsetzbar ist, dann sollen Forschungsfragen folgen.“ „Das spannende an diesem Forschungsprojekt ist, daß damit das große Rätsel der Holzindustrie – Lignin – geknackt werden könnte. Damit könnten Holzspäne nicht nur als Brennstoffe, sondern als innovative Werk - stoffe genutzt werden und maßgeschneiderte Konstruktionsmaterialien mit den genau richtigen Produkteigenschaften hergestellt werden – leistungsfähiger als Beton, nachhaltiger als Plastik, formbar wie Polymere“, schildert Hannes Plackner, welcher das Projekt für die HS Timber Group betreut. n https://www.tuwien.ac.at/ https://hs.at/ »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at
Ausg. Nr. 198 • 19. April 2021 Da
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