ÖSTERREICH JOURNAL NR. 197 / 12. 02. 2021 Wirtschaft Konjunkturstimmung nur kurzzeitig aufgehellt… 78 … breite Erholung erst im 2. Halbjahr – 2021 Wirtschaftswachstum von über 3 Prozent erwartet Nach dem Einbruch im November hat sich die Stimmung in der österreichischen Wirtschaft vor dem Jahreswechsel wie - der etwas aufgehellt. „Das pandemiebedingte Auf und Ab der österreichischen Wirtschaft geht weiter. Der Verschlechterung der Konjunkturstimmung mit Beginn des zweiten Lockdowns folgte dank der Lockerung der Maßnahmen vor Weihnachten wieder eine Ver besserung des Wirtschaftsklimas. Der Uni Credit Bank Austria Konjunkturindikator ist im Dezember auf minus 1,1 Punkte gestiegen“, so UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer. Im Dezember weisen erstmals seit Mitte 2017 alle Komponenten des Indikators auf eine Verbesserung der Konjunkturlage hin. „Das Konjunkturklima hat sich knapp vor Beginn des neuen Jahres auf breiter Basis verbessert. Die seit einiger Zeit zu beobachtende Aufspaltung der österreichischen Wirtschaft hat sich dabei jedoch nicht verändert. Während sich der Produktionssektor trotz Beschränkungen auf einem anhaltenden Wachstumskurs befindet, sind große Teile des Dienstleistungssektors in einem Wellenbad der Pandemiemaßnahmen ge fangen“, so Bruckbauer. Gestiegene Herausforderungen im Schlußquartal insgesamt Der im Sommer eingesetzte Aufschwung der österreichischen Industrie hat sich bis zum Jahresende 2020 ungebrochen fortgesetzt. Die Stimmung im Sektor wird von den Unternehmen wieder ähnlich wie vor dem Ausbruch der Pandemie eingeschätzt, unterstützt durch die Belebung im globalen Handel. Allerdings beginnen sich die positiven Impulse aus dem Exportgeschäft, das aktuell durch eine Erholung in Asien angetrieben wird, etwas abzuschwächen. Mehr Fahrt aufgenommen hat zum Jahresende hingegen die Bauwirtschaft, die auf gut gefüllte Auftragsbücher zurückgreift. Mit einer etwas verbesserten Verbraucherstimmung und der Lockerung für den Handel vor Weihnachten im Rücken hat sich auch das Konjunkturklima im Dienstleistungssektor gegenüber dem No - vember aufgehellt, weiterhin herrscht allerdings starker Pessimismus vor. Im Durchschnitt der vergangenen drei Mo nate erreichte der UniCredit Bank Austria Konjunkturindikator einen Wert von minus 1,6 Punkten, knapp unter dem Vergleichswert vom dritten Quartal. Der Indikator signalisiert damit eine Abschwächung der Wirtschaft gegen Ende 2020. „Wir gehen davon aus, daß die österreichische Wirtschaft Ende 2020 in eine neuerliche Rezession geschlittert ist, so daß sich im Gesamtjahr 2020 ein Einbruch der Wirtschaftsleistung von mehr als 7 Prozent ergeben haben dürfte. Damit war der BIP-Rückgang im Corona-Jahr 2020 etwas doppelt so stark wie im Jahr der Finanzkrise 2009“, meint Bruckbauer. »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at Pandemie hat Österreichs Wirtschaft weiter im Griff Die jüngste Verbesserung des Konjunkturklimas im Österreich war nach Einschätzung der Ökonomen der UniCredit Bank Austria jedoch nur temporär. Angesichts der anhaltenden Infektionswelle und der neuerlichen Verschärfung des Lockdowns nach den Weihnachtsfeiertagen startete die österreichi - sche Wirtschaft unter erschwerten Rahmenbedingungen ins Jahr 2021, die weiterhin ins - besondere die Erbringung von Marktdienstleistungen, wie vor allem die Beherbergungsund Gastronomiebranche beeinträchtigen. Die Industrie und die Bauwirtschaft starten dagegen unter vergleichsweise günstigeren Voraussetzungen ins neue Jahr. Über den größten Teil des Winters ist aufgrund der Pan - demie noch von einer schwachen, teilweise rückläufigen Wirtschaftsentwicklung auszugehen. Erst mit dem wärmeren Wetter und der flächendeckenden Durchimpfung der Be - völkerung im Laufe des kommenden Sommers werden die beschränkenden wirtschaftlichen Maßnahmen weitgehend verschwinden können. „Nach den unverändert schwierigen Rahmenbedingungen über den Winter ist im zwei - ten Quartal eine von Basis- und Nachholeffekten angetriebenen Gegenbewegung der Konjunktur zu erwarten. Erst danach sollte auf Basis einer breiten und dann auch nachhaltigen Stimmungsverbesserung im zweiten Halbjahr 2021 eine grundlegende wirtschaftliche Erholung einsetzen können. Mit hoher Dynamik ab dem Spätsommer ist für 2021 ein Wirtschaftswachstum von über 3 Pro zent in Sicht“, meint UniCredit Bank Au - stria Ökonom Walter Pudschedl. Der weitere Erholungsverlauf wird neben der Verfügbarkeit von Impfstoffen und der tat - sächlichen Normalisierung des Wirtschaftslebens vom Ausgabeverhalten der Haushalte bzw. der Investitionsbereitschaft der Unternehmen abhängen. Nach der Verdoppelung der Sparquote während der Pandemie wird einerseits eine anhaltende Verunsicherung der
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 197 / 12. 02. 2021 Wirtschaft 79 Haushalte bestehen bleiben und nur einen allmählichen Rückgang der Sparquote und vice versa eine sehr begrenzte Erholung des Konsums zulassen. Andererseits ist mit der Befreiung aus der Pandemie der Ausbruch einer Feierstimmung nicht auszuschließen, die ein Konsumfeuerwerk auslöst. Im Unternehmenssektor be - steht das Risiko, daß als Reaktion auf die gestiegene Verschuldung während der Pandemie eine Phase des Schuldenabbaus mit starker Investitionsbeschränkung eingeleitet wird. Andererseits besteht eine große Notwendigkeit, die während der Pandemie zu - rückgestellten Investitionen nachzuholen und das günstige Finanzierungsumfeld zu nutzen. „Die Entwicklung des Konsums und der Investitionen sind die für das Erholungstempo nach der Pandemie entscheidenden Parameter. Wir gehen von einer sehr zügigen An - passung des Verhaltens der Konsumenten und der Unternehmen an eine Normalisierung der Lebensumstände aus. Wir erwarten 2022 eine anhaltend kräftige Konjunkturerholung mit einem BIP-Anstieg von über 5 Prozent“, so Pudschedl. Weiterhin starke Wachstumsstützung durch expansiven Kurs der EZB Während das Verhalten der Konsumenten und der Unternehmer in der Erholung ein Risiko für das tatsächliche Tempo des Aufschwungs sein werden, gibt es keine Zweifel hinsichtlich der zu erwartenden Geld- und Fiskalpolitik. Sowohl die EZB als auch die europäischen Regierungen werden mit einem expansiven Kurs auch 2022 eine starke Wachstumsunterstützung bieten. In Österreich zum einen weiterhin durch das nationale Corona-Hilfspaket sowie neue Konjunkturförderungsmaßnahmen, zum anderen wird die österreichische Wirtschaft von den positiven Effekten des verstärkten EU-Fi - nanzrahmens für 2021-2027 sowie dem EU- Aufbauprogramm „Next Generation EU“ profitieren, das seine Wirkung 2022 voll entfalten sollte. Nur zögerliche Entspannung am Arbeitsmarkt erwartet Die Outputlücke, die durch die Pandemie entstanden ist, wird nach Einschätzung der Ökonomen der UniCredit Bank Austria voraussichtlich erst in der ersten Jahreshälfte 2022 geschlossen werden können. Unter den Folgen der Pandemie wird der Arbeitsmarkt sogar noch länger leiden, denn die wirtschaftliche Erholung wird zeitverzögert am Arbeitsmarkt ankommen. Nach einer ersten Entspannung am Arbeitsmarkt ab dem zweiten Quartal 2021, die aufgrund des Auslaufens der dritten Phase der Kurzarbeit Ende März 2021 anfangs sehr zögerlich erfolgen dürfte, ist erst ab 2022 mit einer spürbaren Verbesserung der Lage zu rechnen. „Wir erwarten nach einer Arbeitslosenquote von 9,9 Prozent im Jahr 2020 einen Rückgang auf 9,6 Prozent im Jahresdurchschnitt 2021 bzw. auf 8,7 Prozent im Jahresdurchschnitt 2022. Ende 2022 wird die saisonbereinigte Arbeitslosenquote voraussichtlich bei rund 8,3 Prozent und damit noch deutlich über dem Vorkrisenniveau liegen“, sagt Pudschedl. Knapp vor Ausbruch der Pandemie Anfang 2020 war die saisonbe - reinigte Arbeitslosenquote in Österreich auf 7,2 Prozent gesunken. Inflation mit leichter Aufwärtstendenz ab dem Frühjahr Nach sehr moderaten Werten zu Jahresbeginn wird die Inflation im weiteren Verlauf des Jahres 2021 ansteigen. Dafür ist zum Inflation im Jahr 2020 auf 1,4% gesunken Mit 1,4% lag die von Statistik Austria be - rechnete durchschnittliche Inflationsrate des Verbraucherpreisindex (VPI 2015) im Jahr 2020 leicht unter dem Wert des Vorjahres (1,5%) und merklich unter den Werten der Jahre 2018 und 2017 (2,0% bzw. 2,1%). Nach 2,2% im Februar und einem Jahrestiefstwert von 0,7% im Mai hatte die Inflation im Juli 1,7% erreicht und sank im De - zember auf 1,2%. „Die Inflationsrate lag im Jahr 2020 bei 1,4% und setzte damit den Trend niedriger Teuerungsraten der letzten Jahrzehnte fort. An der Supermarktkasse war das aber nicht spürbar: Im Coronajahr 2020 fiel die Teuerung bei Nahrungsmitteln mit 2,4% etwa dop pelt so hoch aus wie im Jahr zuvor. Be sonders kräftig stiegen die Preise beim Obst mit 4,6% und bei den Fleischwaren mit 4,5%. Der Weltmarkt für Rohöl ließ hingegen die Preise für Treibstoff und Heizöl sinken“, so Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas. Die Preise für Wohnung, Wasser, Energie stiegen 2020 durchschnittlich um 2,3% (Einfluß: +0,47 Prozentpunkte). Im Schnitt höhere Mieten trugen wesentlich dazu bei (+4,1%; Einfluß: +0,22 Prozentpunkte). Die Instandhaltung von Wohnungen kostete um 3,0% einen die Entwicklung des Ölpreises maßgeblich, der im Vorjahr ab März mit Ausbruch der Pandemie durch den starken Einbruch auf zwischenzeitlich deutlich unter 30 Euro pro Barrel die Teuerung spürbar ge dämpft hat. Ab dem Frühjahr wird daher ein starker Basiseffekt verursacht durch den Ölpreis die Inflation anziehen lassen. Zum anderen ist davon auszugehen, daß die erwartete Konjunkturbelebung nachfrage - bedingt zu einer höheren Preisdynamik insbesondere in verschiedenen Dienstleistungsbereichen führen wird. Insbesondere die Öffnung des Beherbergungs- und Gastronomiebereichs könnte die heimische Inflation temporär spürbar beeinflussen. „Trotz des klaren Aufwärtspotenzials der Inflation in Österreich ab dem Frühjahr 2021 wird die Teuerung im Jahresdurchschnitt mit 1,5 Prozent voraussichtlich genauso gering wie im Vorjahr ausfallen. Mit der Beschleunigung der Er holung ist für 2022 jedoch ein Anstieg der Inflation auf 1,9 Prozent zu erwarten“, so Pud schedl. n https://www.bankaustria.at mehr (Einfluß: +0,19 Prozentpunkte). Haushaltsenergie hingegen zeigte sich mit -0,2% (Einfluß: -0,01 Prozentpunkte) beinahe preisstabil. Massiv verbilligte Heizölpreise (-22,5%; Einfluß: -0,12 Prozentpunkte) wurden durch höhere Strompreise (+5,8%; Einfluß: +0,12 Prozentpunkte) kompensiert. Die Preise für Gas verringerten sich um 1,5%, jene für Fernwärme um 0,2%. Feste Brennstoffe legten um 0,7% zu. Ausgaben für Restaurants und Hotels stiegen durchschnittlich um 3,1% (Einfluß: +0,39 Prozentpunkte). Hauptverantwortlich dafür waren fast ausschließlich höhere Preise für Bewirtungsdienstleistungen (insgesamt +3,5%; Einfluß: +0,38 Prozentpunkte). Aufgrund der COVID-19-Maßnahmen wurden fast alle Preise für Beherbergungsdienstleistungen (+0,5%; Einfluß: +0,01 Prozentpunkte) im April, Mai, November und De zem - ber imputiert. Die Senkung der Mehrwertsteuer ab 1. Juli 2020 hatte keinen spürbaren Effekt auf die Entwicklung der Verbraucherpreise in diesen Branchen. Die Preissteigerung bei Nahrungsmitteln und alkoholfreien Getränken mit +2,3% etwa doppelt so hoch wie 2019 (+1,1%). n http://www.statistik.at/ »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at
Ausg. Nr. 197 • 12. Februar 2021
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