ÖSTERREICH JOURNAL NR. 197 / 12. 02. 2021 Innenpolitik 75 Jahre Nationalrat und Bundesrat 52 Festsitzung im Parlament zu deren Konstituierung am 19. Dezember 1945 – Ein gemeinsamer Blick zurück auf die Meilensteine und Erfolge der Zweiten Republik Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner Festsitzung anläßlich 75 Jahre erste Konstituierende Sitzung des National- und Bundesrats in der Zweiten Republik. Präsidium v.l.: Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ), Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Dritter Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ) Anläßlich des 75. Jahrestages der konstitu - ierenden Sitzungen des National- und des Bundesrats luden Nationalratspräsi dent Wolfgang Sobotka und die im zweiten Halbjahr amtierende Präsidentin des Bun desrats, Andrea Eder-Gitschthaler (Anm. d. Red.: die PräsidentInnen des Bundesrats wech seln alle sechs Monate) am 15. Dezember zu einer vir - tuellen Festveranstaltung ins Parlament in der Hofburg ein. Nur wenige Wochen nachdem die ersten Wahlen nach der Befreiung Österreichs von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft durch die Alliierten stattfanden, traten am 19. Dezember 1945 der Na - tionalrat und der Bundesrat zu ihrer jeweiligen konstituierenden Sitzung zusammen. 75 Jahre danach blickten die höchsten Vertre - terInnen des Staates auf die wichtigsten Meilensteine und Erfolge in den letzten Jahrzehnten zurück. Neben Grußworten von Bun - despräsident Alexander Van der Bellen, ge - meinsamen Statements des Nationalrats- und des Bundesratspräsidiums sowie Reden der fünf Klubobleute stand eine Festrede von Universitätsprofessor Konrad Paul Liessmann mit dem Titel „Die Würde des Hauses. Leiden und Größe der parlamentarischen De - mokratie“ auf dem Programm. Moderiert wurde die musikalisch umrahmte Veranstaltung von Rebekka Salzer. Van der Bellen: In der friedlichen Veränderung von Machtverhältnissen liege »die reizvolle Kraft des Parlamentarismus« »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at „Fast genau heute vor 75 Jahren trat der österreichische Nationalrat erstmals nach dem Ende des Krieges, nach der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft und dem Holocaust zusammen“, rief Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Erinnerung. Ob - wohl die Zukunft des Landes zu diesem Zeitpunkt keineswegs sicher war, sei etwas ge - lungen, was für viele Menschen zum damaligen Zeitpunkt wie ein Wunder geklungen haben mußte. Denn die Eröffnungssitzung des Nationalrats schaffte die Voraussetzung dafür, daß Österreich nach langer Unterbrechung wieder zu einer parlamentarischen Demokratie wurde. Man könne gar nicht überschätzen, was dieser Schritt bedeutet ha - be, unterstrich Van der Bellen. Dies kam auch in der Rede von Karl Seitz, der damals die erste Sitzung geleitet hat, zum Ausdruck: „Elf schwere Jahre haben wir überstanden. Die letzten acht Jahre haben hier Barbaren gehaust. Sie haben das Haus geschändet.“
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 197 / 12. 02. 2021 Innenpolitik 53 Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner Mit der Konstituierung des National- und des Bundesrats wurde das Fundament für jene Gewaltentrennung gelegt, die bis heute das Land präge, stellte Van der Bellen fest. Ein bewährtes System von Checks und Ba - lances, in dem auch freie unabhängige Me - dien und „mitunter auch der Bundespräsident“ wichtige Rollen wahrnehmen. Dabei sollte aber nie auf die Ausschaltung des Parlaments vergessen werden, das den Beginn vom Untergang Österreichs einläutete, mahnte Van der Bellen. Er denke gerne und in Dankbarkeit an die 18 Jahre zurück, die er selbst als Abgeordneter im Hohen Haus verbracht habe. Es sei eine Zeit gewesen, die ge - prägt war von heftigen Debatten, der Suche nach Gemeinsamkeiten und von wechselnden Mehrheiten. Genau Letzteres sei ein we - sentliches Element einer liberalen Demokratie, urteilte der Bundespräsident, denn in der friedlichen Veränderung von Machtverhältnissen liege seiner Einschätzung nach „die reizvolle Kraft unseres Parlamentarismus“. Van der Bellen dankte den ParlamentarierInnen für ihre Arbeit und betonte: „Ihre Sorgfalt ist der beste Schutz für unsere Demokratie.“ Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) Sobotka zieht Bilanz über die 75jährige Erfolgsgeschichte der Republik Österreich Die Festveranstaltung soll an die Rück - kehr der Republik Österreich zur parlamentarischen Demokratie vor 75 Jahren erinnern, erklärte Nationalratspräsident Wolfgang So - botka. Die am 25. November 1945 stattgefundenen ersten freien Wahlen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Befreiung Österreichs von der NS-Herrschaft haben we - Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner Rede von Bundespräsident Alexander Van der Bellen sentlich dazu beigetragen, dem vierfach be - setzten Österreich ein Schicksal Deutschlands zu ersparen. Auf Grundlage dieses Volksentscheids konnte das österreichische Parlament noch am 19. Dezember 1945 zu - sammentreten und seine Arbeit aufnehmen. Der Nationalrat beschloß an diesem Tag das In‐Kraft‐Treten des Bundes-Verfassungsgesetzes von 1920 in der Fassung von 1929. Dadurch sei die Republik zum verfassungsmäßigen Zustand der parlamentarischen De - mokratie zurückgekehrt. Unter welchen äußeren Umständen diese Sitzungen damals stattgefunden haben, kön - ne man sich heute, 75 Jahre später, kaum mehr vorstellen, gab Sobotka zu bedenken. Die noch kaum behobenen Kriegsschäden des historischen Parlamentsgebäudes stünden bei - »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at spielhaft für die Zerstörungen, unter denen ganz Österreich als Folge des Zweiten Weltkrieges gelitten habe. So seien österreichweit nicht nur ein Zehntel aller Wohnungen zerstört oder beschädigt gewesen, auch die Verkehrs- und Energieinfrastruktur waren schwer getroffen. Katastrophal sei aber auch die Ernährungssituation gewesen. Das österreichische Volk habe nach dem Urteil des Ge - neraldirektors der Hilfsorganisation UNRRA zu jenen Völkern der Welt gezählt, die dem Hungertod am nächsten waren. 75 Jahre da - nach gehöre Österreich zu den wirtschaftlich erfolgreichsten und wohlhabendsten Staaten der Welt. Diese wirtschaftliche und soziale Ent wicklung, die Österreich seit 1945 ge - nommen habe, könne daher laut Sobotka mit vollem Recht als „Erfolgsgeschichte“ be - zeich net werden. Habe die große Herausforderung in den Jahren nach 1945 darin bestanden, das Überleben zu sichern, die Trümmer zu beseitigen, das Elend und die Niedergeschlagenheit zu überwinden und ein österreichisches National - bewußtsein zu verankern, so gelte es heu te im großen gemeinsamen europäischen Haus, über nationale Grenzen hinauszudenken, um sich den großen Herausforderungen – wie der Digitalisierung der Gesellschaft, der Klimaerwärmung oder dem demographischen Wandel – gemeinsam zu stellen, blickte So - botka in die Zukunft. Damit im Zusammenhang stehe natürlich das Bekenntnis zu den europäischen Grundwerten, welche das geistige Fundament der Europäischen Union bilden, und „uns heute bei der Bewältigung der aktuellsten Herausforderungen und Be - drohungen wie einer Pandemie oder des islamistischen Terrors“ leiten. Damit stehe man
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Foto: Christian Hartl-Nesic ÖSTERR
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