ÖSTERREICH JOURNAL NR. 197 / 12. 02. 2021 Wissenschaft & Technik 104 einerseits um die touristische Erschließung des gesamten Raumes, aber auch um Aktivitäten für den Kulturgüterschutz und um eine museale Belebung der römischen Überreste rund um den Limes. „Wir wollen die Ge - schichte sicht- und erlebbar machen“, meint Breitwieser. Die Wissenschaftler gehen zahlreichen Spuren römischen Lebens entlang der Donau nach. Sie untersuchen die Reste von Befestigungen oder Flußmündungen, wo sich ein Ha - fen oder eine Brücke befunden haben könnte. Der Donau Limes soll in seiner Gesamtheit beschrieben werden, dazu zählen die Ge - schichte der Schifffahrt ebenso wie die Le - bensumstände rund um den Limes. Zunächst werden alle vorhandenen Quellen systematisch erfaßt und in eine Datenbank eingegeben. „Wir schauen auch, was wir in den Mu - seen vorfinden“, betont Projektassistentin Maria Erker. Einerseits soll alles vorhandene Wissen über die römische Zeit an der Donau zusammengefaßt und andererseits Neues ent - deckt und erforscht werden. Antiker Alltag am Donau Limes Von besonderem Interesse ist für die Wissenschaft auch welche Beziehungen sich an der römischen Grenze entwickelten. „Wir un - tersuchen die Lebensumstände der Menschen rund um den Limes“, so Erker. Besonders interessant seien die privaten Beziehungen der römischen Besatzer zur heimischen Be - völkerung. Die Legionäre lebten mit ihren Familien rund um die Lager, teils gingen die Römer auch Verbindungen mit keltischen Frauen ein. „In vielen Lebensbereichen entfaltete sich ein gutes Miteinander zwischen römischen Besatzern und Einheimischen“, erzählt Anna Windischbauer, die die Datenbank betreut. Von Verbindungen zwischen Rö mern und Einheimischen zeugten beispielsweise Reliefs, worauf der Mann in römischer Tracht und die Frau in keltischer Tracht abgebildet ist, sagt Windischbauer. Auch in Salzburg habe man Grabmedaillons mit Abbildungen von Frauen in norischer Tracht gemeinsam mit Römern, gefunden. „Im Grunde genossen die Einheimischen die Vorteile römischer Zivilisation“, so Breitwieser. Umgekehrt hatten die Römer stets ihre Vorteile im Auge und suchten in dieser Region speziell nach Bodenschätzen. Sie fan - den Buntmetalle und vor allem das von ihnen sehr geschätzte, hochwertige Eisenerz in den östereichischen Alpen. Das Ferrum Noricum galt als ideal zum Schmieden von Waffen und anderen Gerätschaften aus Ei - sen. Foto: Petronell-Carnuntum / H. Schneider Foto: Paris Lodron Universität Salzburg / Kolarik Rekonstruiertes Stadtviertel der Zivilstadt von Carnuntum „Die Provinz Noricum war vor allem wegen des hervorragenden Eisens in der gesamten römischen Welt geschätzt“, betont Breitwieser. Zuvor betrieben die Römer zu - nächst Handel und tauschten u. a. Wein ge - gen Eisen. Später eroberten sie das Gebiet, um noch effizienter an die begehrten Buntmetalle, neben Eisenerz auch Kupfer und Gold zu gelangen. Das mittels einer speziellen Verhüttungstechnik hergestellte norische Eisen besaß eine unglaublich hohe Qualität, ähnlich der von modernem LED-Stahl oder den Schwertern der Samurai in Japan. „Die gesamte Okkupation des heute österreichischen Alpen- und Donauraumes durch die Römer muß man sich eher friedlich vorstellen“, sagt Breitwieser. Vereinzelt habe es Kämpfe gegeben, im Großen und Ganzen war für die einheimische Bevölkerung der Schutz durch die Römer sowie gute Handelserträge aber eher von Vorteil. Die Er - oberung des keltischen Regnum Noricum »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at habe vielmehr einer erweiterten Integration geglichen. Die römischen Legionen boten nun Schutz vor plündernden Germanen. Ge - nerell waren die Römer der heimischen Be - völkerung gegenüber in vielen Lebensbereichen tolerant. Solange der römische Kaiser als oberste Instanz akzeptiert wurde, und auch die wichtigsten römischen Staatsgötter von den Provinzbewohnern anerkannt wurden, konnte die Bevölkerung ihre eigenen religiösen Kulte ausüben. Die Ergebnisse der Forschungen sollen auch in die Lehre einfließen. Es wird spezielle Lehrveranstaltungen geben, auch Ex - kursionen sind geplant. Darüber hinaus wird das Projekt auf verschiedenen wissenschaftlichen Tagungen vor - gestellt. Die Paris Lodron Universität erhält 190.000 Euro für eine Projektzeit von zwei - einhalb Jahren. n https://www.uni-salzburg.at/ v.l.: Anna Windischbauer, Projektleiter Rupert Breitwieser und Maria Erker
Foto: Christian Hartl-Nesic ÖSTERREICH JOURNAL NR. 197 / 12. 02. 2021 Wissenschaft & Technik Roboter lernen mit Stoffen und Folien umzugehen 105 An der TU Wien werden in Kooperation mit dem AIT Austrian Institute of Technology Methoden und Technologien entwickelt, die Robotern den Umgang mit weichen, verformbaren Materialien ermöglichen. Wie klebt man ein weiches Stück Kunststoff auf einen Schuh, so daß dieses keine Falten wirft und sich der Schuhform anpaßt und mit dem Schuh verbindet? Wie kann man Textilien straff und faltenfrei auf Oberflächen drapieren und dann beispielsweise vernähen oder verkleben? Jeder weiß, daß dies mit viel Übung und Fingerspitzengefühl für uns Menschen machbar ist. Für Ro boter sind diese Aufgabe nach wie vor schwierig zu lösen. Daher ist überall dort, wo in der Industrie weiche, verformbare Ma - terialien (z.B. Leder, Stoffe, Folien, technische Textilien) verwendet werden, immer noch viel Handarbeit notwendig. An diesen Fragestellungen arbeiten die TU Wien und das AIT Austrian Institute of Technology gemeinsam. Erste Erfolge konnten die Partner anhand von ausgewählten Demonstratoren verzeichnen. Automatisiertes Aufbringen von Klebestreifen auf einem 3D-Objekt. Faltenfreies Drapieren oder Kleben „Das Problem kennt man aus unterschiedlichen Bereichen der Industrie“, sagt Prof. Andreas Kugi, Vorstand des Instituts für Automatisierungs- und Regelungstechnik an der TU Wien und Leiter des Centers for Vi - sion, Automation and Control am AIT. „In der Schuh- und in der Textilindustrie hat man mit Werkstoffen zu tun, die sich allein aufgrund der Schwerkraft verformen. Das macht die Verarbeitung äußerst schwierig. Auch in der Automobilindustrie spielt das eine wichtige Rolle, etwa bei der Herstellung des Interieurs aus Leder oder Textilien, z.B. eines Armaturenbretts.“ Die Herausforderung aus Sicht der Automatisierung besteht darin, die Vielzahl an un - terschiedlichen Aufgaben zu beherrschen: Je nach Größe und Form der Objekte bzw. Kom - ponenten müssen die Roboterbewegungen ständig angepaßt werden. Die Kräfte, die zu jedem bestimmten Zeitpunkt ausgeübt werden müssen, hängen von kleinen, geometrischen Details der Aufgabenstellung ab. Es gibt kein einfaches Grundprinzip, mit dem ein Ro boter viele unterschiedliche Situationen auf zufriedenstellende Weise meistern kann. „Wir Menschen sind ungeheuer flexibel – wir koordinieren mühelos unser Sehvermögen mit unserer Fingerfertigkeit, wir können uns an unterschiedliche Materialien, Formen und Strukturen anpassen. Etwas Ähnliches einer Maschine beizubringen, ist eine große Herausforderung“, sagt Andreas Kugi. Möglich wird es mit ausgefeilten Algorithmen, die in den Teams an der TU Wien und am AIT Austrian Institute of Technology entwickelt wurden: Die Arbeitsschritte werden präzise vorausgeplant – man berechnet nicht nur, an welchen Punkten ein Kontakt zwischen Roboter und Werkstück stattfinden soll, sondern auch in welcher Richtung und mit welchem Kraftaufwand. Gleichzeitig wird vorherberechnet, wie sich die Form des verwendeten Materials dabei ändern wird. „Unsere Methode ist extrem flexibel“, sagt Christian Hartl-Nesic vom Institut für »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at Automatisierungs- und Regelungstechnik. „Wir haben die entwickelte Methode demonstriert, indem wir ein komplexes 3D-Objekt mit unterschiedlichen Krümmungen – einen Hasen – an exakt vorgegebenen Stellen mit langen (gekrümmten) Streifen automatisiert faltenfrei bekleben. Aber man könnte dieselben Algorithmen und Methoden auch für ganz andere Anwendungen nutzen, etwa um den Roboter auf dreidimensionalen Oberflächen genau vorgegebene Schnitte setzen zu lassen, oder ein gekrümmtes 3D-Objekt mit einer aufgesprühten Materialschicht zu versehen, die an jedem Ort genau die richtige Dicke hat.“ Nicht alle Aufgaben können Maschinen ganz allein übernehmen: Die Gruppen an der TU Wien und am AIT Austrian Institute of Technology entwickelten auch Methoden, mit denen Mensch und Maschine besser zu sam - menarbeiten können. Der Mensch kann die Maschine gezielt führen und diese lernt da - bei das richtige Verhalten. „So kann Automa - tisierung auch für Kleinserien sinnvoll wer - den, wo es sich bisher aufgrund des großen Programmieraufwandes nicht gelohnt hätte, die Maschinen eigens anzupassen.“ sagt Tobias Glück, Leiter der Forschungsgruppe Complex Dynamical Systems am AIT. Dazu ist es notwendig, fortgeschrittene Methoden der Umgebungserkennung, der automatisierten Planung sowie Greiftechnologien zu entwickeln und diese synergetisch für die spezifischen Anforderungen zu kombinieren.
Ausg. Nr. 197 • 12. Februar 2021
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