ÖSTERREICH JOURNAL NR. 194 / 17. 09. 2020 Chronik Das letzte Rätsel am Goldenen Dachl ist gelöst 96 Ein Historiker und Germanist aus dem Außerfern schaffte etwas, an dem sich Schriftsteller, Professoren und Semiologen die Zähne ausbissen. Erhard Maroschek löste das 520 Jahre alte Rätsel des Spruchbandes am Goldenen Dachl. Endlich! Ein halbes Jahrtausend nach dem Bau des weltberühmten Wahrzeichens scheinen sich die Nebel über den letzten geheimnisvollen Details am Goldenen Dachl zu lichten. Zum 500. Todes tag Maximilians löste die bekannte Maximilian-Forscherin Sabine Weiss im vorigen Jahr das zweitletzte Rätsel: Wer war der „eselohrige Gaukler“ in einem der Reliefs des Goldenen Dachl? Es war Kaiser Friedrich III., den sein Sohn Maximilian im Narrenkostüm darstellen ließ. Jetzt folgt der nächste, wesentlich schwie - rigere Streich: Die Enträtselung jenes Schrift - bandes, das aus scheinbar zusam men hang - losen und vor allem mysteriösen Zei chen be - steht. Nur eines war bisher sonnenklar: Die Idee dazu mußte von seiner Majestät höchstselbst gestammt haben. Von Werner Kräutler *) *) Werner Kräutler ist Blogger auf https://blog.innsbruck.info/ Foto: Innsbruck Tourismus / Christof Lackner Erbaut im Auftrag von Kaiser Maximilian I. im Rahmen der Jahrhundertwende um 1500: Das Goldene Dachl in Innsbruck. »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at Scharen von Zeichen- und Schriftgelehrten scheiterten Die berühmten Reliefs mit den Moriskentänzern mit ihren scheinbar eckigen Bewegungen konnten bisher ihr Geheimnis für sich behalten. Ganze Scharen von Wissenschaftern, Altertumsforschern, Schriftstellern und Schriftgelehrten versuchten sich an der Decodierung jenes Schriftbandes, das die Reliefs quasi verbindet. Auch eine groß angelegte Aktion unseres Tiroler Schriftstellers Felix Mitterer mit dem Versuch einer „lyrischen Übersetzung“ erbrachte keinerlei greifbare Resultate. Die Zeichen sind beim ersten Hinschauen vermeintlich hebräischen Ursprungs. Daß sie das keineswegs sind, be - stätigte schon vor Jahren eine Studie der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinden für Tirol und Vorarlberg, Esther Fritsch. Ein Historiker aus dem Außerfern präsentiert jetzt des Rätsels Lösung. Sein Name: Erhard Maroschek. Der gebürtige Steirer ist gelernter Historiker und Germanist. Seit Jahrzehnten wohnt er mit seiner Frau Waltraud in Lermoos am Fuß der majestätischen Zugspitze wo er seinem Brotberuf als Buchhalter der Gemeinde Lermoos nachgeht. Sein Hobby indes ist ein sehr exklusives: ihn faszinieren alte Schriften, rätselhafte Zeichen, geheime Symbole und verklausulierte Bänder wie das Spruchband vom Goldenen Dachl. Es scheint ganz so, als ob ihm jetzt gelungen ist, was 520 Jahre für unmöglich gehal-
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 194 / 17. 09. 2020 Chronik 97 ten worden war. Denn Maroschek hat eine Lösung anzubieten, die im mittelalterlichen Kontext überaus stimmig ist. Und auch die tiefere Bedeutung der goldenen Schindeln in neuem Glanz erstrahlen ließe. Als völliger Laie auf diesem Gebiet bleibt mir nur eine Möglichkeit: ich kann seine Auflösung ak - zeptieren oder nicht. In einem Satz: Ich glaube, Maroschek hat die Lösung gefunden. Die perfekt in das Weltbild des damaligen Imperators Maximilian als „Bauherren“ des Goldenen Dachl paßt. 20 Jahre Rätseln: Wie alles begann Geweckt hatte das Interesse an Geschichte Maroscheks Professor Hermann Wiesflecker. Der wiederum war einer der absoluten Ken - ner Kaiser Maximilians I. „Es war aber der Außerferner Künstler und Bildhauer Josef Kieltrunk aus Heiterwang, der mich lange nach meinem Studium in den 90er Jahren auf das Spruchband am Goldenen Dachl an - sprach“, erzählt mir Erhard Maroschek. Der Künstler war beharrlich, „über Jahre hinweg“ sagt er. Als dann klar war, daß es sich bei den Buchstaben auf dem Band nicht um hebräische Schriftzeichen handelte, beschloß der Schriften- und Zeichenliebhaber, die knifflige Aufgabe konsequent anzugehen. Jetzt begann ein mehrjähriges Rätseln, Nach - denken und Kombinieren in Sachen Schriftband. Foto: Werner Kräutler Maximilian ließ seinen Vater, Friedrich III., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, als Hofnarren mit Eselsohren und Narrenglöckchen darstellen. Diese Original-Relieftafel wurde im Museum Goldenes Dachl gezeigt. Vom »Aufnehmen« des roten Fadens Wie aber kommt man überhaupt zu einer vagen Idee, was am Goldenen Dachl ge - schrieben stehen könnte? Mit anderen Worten: wie findet man quasi im Dunkeln tappend jenen roten Faden, der zum Ziel führt. Magische Zeichen, Geheimschriften und Texträtsel Er wußte: Die Zeit um 1500 ist geprägt von der Erforschung alter Schriften, der Lie - be zu magischen Quadraten, Geheimschriften und Rätseln. Inmitten dieser Gemengenlage befinden sich übrigens Albrecht Dürer und Leonardo da Vinci, die nur allzuoft kryptischen Zeichen und geheimnisvollen Symbolen zuneigten. Zudem war eben erst der Buchdruck erfunden worden, der wiederum sehr stark mit Schrift und Form zu tun hatte. Ausgerechnet zu jener Zeit, als Niclas Türing um 1500 das Goldene Dachl errichtet hatte, feierten mystisch-geheime Zeichen quasi fröhliche Urständ. „Dabei hat das Spruchband als dekorierendes Beiwerk eine lange Tradition“, er - klärt mir Maroschek. „Oft wurden leseunkundigen Betrachtern Personen mit ihren Attributen präsentiert, wie etwa Petrus mit dem Schlüssel“, während die Alphabeten die Inschriften von Bändern leicht lesen konnten. Halt genau das am Goldenen Dachl nicht. Und das hatte seine Gründe. Foto: Werner Kräutler Gut sichtbar: das Spruchband auf den Reliefs »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at
Ausg. Nr. 194 • 17. September 202
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