ÖSTERREICH JOURNAL NR. 194 / 17. 09. 2020 Wissenschaft & Technik Mondmeteorit »Galb Inal« Einer der größten ausgestellten Mondmeteoriten ist neu im Naturhistorischen Museum Wien zu sehen 118 Die Erkenntnisse des bereits untersuchten Meteoriten veröffentlichten 2020 Ludovic Ferrière, Kurator der Meteoriten- und Im - paktitsammlung am NHM Wien, Christian Köberl (jetzt an der Universität Wien), und Kollegen der Comenius Universität in Bratislava (Slowakei). In der Publikation wird beschrieben, daß der „Galb Inal“-Meteorit einen Durchmesser zwischen 18 und 26 cm hatte und zwischen 7 und 23 kg wog, als er in die Erdatmosphäre eindrang. Auf seinem Weg durch die Atmosphäre verlor er einige Kilo und hatte beim Einschlag ein Gewicht von 4,05 kg. Das Stück im NHM Wien wiegt 1838,1 g und mißt 13 x 10,5 x 9,5 cm. Es handelt sich um einen der größten Mondmeteoriten, der weltweit ausgestellt ist! Zum ersten Mal wurde ein Mondmeteorit 1982 gefunden und erkannt, nachdem er mit Gesteinsproben von den Apollo-Missionen verglichen wurde. Insgesamt befinden sich elf verschiedene Mondmeteorite in der Sammlung des NHM Wien, mehr als 400 sind weltweit bekannt. „Das Studium der Mondmeteoriten kann nicht nur helfen, den Mond besser zu verstehen, sondern auch unsere Erde,“ sagt Ludovic Ferrière und erklärt da - mit die Relevanz der Mondmeteoriten für die Wissenschaft. n Der Mondmeteorit „Galb Inal“, zu sehen im Naturhistorischen Museum Wien https://www.nhm-wien.ac.at/ Der Mondmeteorit „Galb Inal“ befindet sich neu in der Sammlung des Naturhistorischen Museum Wien (NHM) und ist nun auch im Saal 5 („Meteoritensaal“) ausgestellt. Nach einem Impaktereignis auf dem Mond wurde das Gestein ausgeworfen, er reich te die Erdoberfläche und wurde 2011 von Noma - den in Mauretanien gefunden. Es ist eine Hälf - te eines doppelt so großen Meteoriten, der in zwei Teile zerbrach. Der andere Teil des Meteoriten wurde in Scheiben ge schnit ten, befindet sich hauptsächlich in verschiedenen Privatsammlungen und ein kleiner Teil wurde zu Forschungszwecken verwendet. „Galb Inal“, benannt nach dem Dorf, in dessen Nähe er gefunden wurde, ist eine Mondbrekzie mit einer schwarzglänzenden windpolierten Oberfläche. Sie besteht aus Feldspat und enthält Gesteins- und Mineralfragmente, die in eine Schmelzmatrix eingebettet sind. Ludovic Ferrière mit dem Mondmeteoriten Galb Inal Foto: NHM Wien / C. Rittmannsperger Foto: NHM Wien / C. Rittmannsperger »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 194 / 17. 09. 2020 Ein Anstoß für unsere Projektidee war die erste in Österreich blühende Titanenwurz im Juni 2019 an der Universität Salzburg“, erzählen Anja Hörger und Stephanie Socher vom Fachbereich Biowissenschaften der Universität Salzburg. „Dieses faszinierende Ereignis, das nur knapp drei Tage dauert, lockte ungefähr 8000 begeisterte Besucher an. Könnten wir nicht die Titanenwurz nutzen, um öffentliches Interesse für die Pflanzenwissenschaften generell zu wecken, haben wir uns da gedacht und in der Folge ein Forschungsprojekt mit dieser seltenen Pflanze formuliert.“ Üblicherweise wird in der Botanik mit schnell wachsenden, kurzlebigen Pflanzen, beispielsweise mit dem unscheinbaren Mo - dellorganismus Arabidopsis (Acker-Schmalwand) oder mit Tomaten gearbeitet. „Wir wa - gen uns an eine langlebige, phasenweise extrem schnell wachsende Pflanze, die so - wohl Wissenschaftler als auch Bürger fasziniert“, sagen die Biologinnen. Im Fokus ihres Projekts „Unsterbliche Titanen. Besitzt die Titanenwurz eine Keimbahn?“ steht die Entschlüsselung der riesigen Erbinformation der Titanenwurz (Amorphophallus titanum). Das Genom der seltenen Pflanze besitzt ge - schätzt ungefähr acht Milliarden Basenpaare, das entspricht fast dem Dreifachen des menschlichen Genoms. „Die Sequenzierung eines kompletten Genoms ist immer noch nicht trivial und mit großen Kosten verbunden, vor allem wenn es sich um ein so großes und komplexes Erbgut handelt wie bei der Titanenwurz“, so die For - scherinnen. Die Sequenzierung des kompletten Genoms ermögliche die Bearbeitung zahlreicher Fragestellungen. „Wir haben uns schon während des Blühereignisses an der Uni Salzburg darüber Gedanken gemacht, wel che Auswirkungen das schnelle Wachs - tum während der Blütephase auf das Genom dieser Pflanze hat. Da es bei jeder Zellteilung zu Mutationen kommen kann und die Pflanze während der Wachstumsphase in kur - zer Zeit eine sehr hohe Anzahl an Zellteilungen hat, sollte sie theoretisch eine hohe Mu - tationsrate aufweisen. Das sollte irgendwann für die Nachkommen problematisch werden, da unter diesen Mutationen auch schädliche sein können.“ Zufällig seien sie dann genau zu der Zeit über die Ausschreibung des „1000- Wissenschaft & Technik Titanenwurz Das Erbgut der größten Blume der Welt wird entschlüsselt Foto: Universität Salzburg / Simon Haigermoser Die Titanenwurz bringt den größten unverzweigten Blütenstand im Pflanzenreich hervor, er kann bis zu drei Meter hoch werden. »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at 119 Ideen-Programm“ gestolpert. „Da haben wir beschlossen, der Mutations-Problematik durch Genomsequenzierung, mit der man die Mu - tationsrate in verschiedenen Geweben der Titanenwurz nachvollziehen kann, nachzugehen.“ Die Biologinnen versuchen nun festzustellen, ob eine Keimbahn, die bislang nur in tierischen Organismen bekannt war, existiert. „Mit dieser Studie tragen wir zur kontroversen Diskussion um die Existenz einer Keimbahn in Pflanzen bei und versuchen, die Me - chanismen aufzudecken, die zur Stabilität des Genoms während des Alterns und des Wachstums führt. Zudem wird das erste Genom aus der Familie der Aronstabgewächse entschlüsselt, welches dann als Grundlage für weitere Forschungsfragen dienen kann, unter anderem zur Entschlüsselung des Gi - gantismus bei Pflanzen,“ so die Biologinnen. Die genomische Expertise bei dem Projekt liegt bei Anja Hörger. „Die Vorteile von neuen genomischen ,high-throughput‘, also Hochdurchsatz-Methoden, erleichtern die Be - antwortung vergleichender Studien zwischen Zell-Linien innerhalb eines Individuums so - gar in komplexen Nicht-Modell Organismen.“ Das nötige Gewebematerial wird von Stephanie Socher, der wissenschaftlichen Lei terin des Botanischen Gartens der Universität Salzburg, organisiert. „Die Finanzierung des Projekts ermöglicht es uns, im Austausch mit Botanischen Gärten weltweit Proben von blühenden Exemplaren zu nehmen. Hierfür werden unter anderem von blühenden Titanenwurzen Gewebe von weiblichen und männlichen Blüten entnommen.“ Die Titanenwurz ist in den Urwäldern der indonesischen Insel Sumatra beheimatet und wird seit ihrer Entdeckung Ende des 19. Jahr - hunderts in Botanischen Gärten gepflegt. Sie bringt den größten unverzweigten Blütenstand im Pflanzenreich hervor, er kann bis zu drei Meter hoch werden. Beim Blütenspekta - kel öffnet sich ein großes, intensiv rotes Hoch - blatt, welches den großen Kolben – einem hochfliegenden Rock gleichend – umgibt. Die Titanenwurz ist eine Täuschblume. Beson - ders am ersten Blühtag gibt sie einen intensiven Aasgeruch ab, mit dem sie Aaskäfer oder Aasfliegen als Bestäuber anlockt. Die Universität Salzburg hatte die Knolle als Geschenk vom Palmengarten Frankfurt er halten. Nach der Blüte wurde das Gewächs we gen seiner zu erwartenden Größe von bis zu sechs Metern nach Wien in den Botanischen Garten der Universität Wien übersiedelt. Mit dem neuen „1000-Ideen-Programm“ setzt der Wissenschaftsfonds FWF nach ei - gener Aussage „auf unkonventionelle Projek - te und neuartige wissenschaftliche Ansätze, die das Potential haben, einen Innovations - sprung auszulösen“. n https://www.uni-salzburg.at/
Ausg. Nr. 194 • 17. September 202
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