ÖSTERREICH JOURNAL NR. 192 / 02. 06. 2020 Kultur 88 © Hundertwasser Archiv, Wien, Foto: Leopold Museum, Wien/Manfred Thumberger © fotografie stefan moses nehmigte Aktion schlug allerdings medial so hohe Wellen, daß die Hochschulleitung die Fortführung untersagte und Hundertwasser die Linienziehung am 20. Dezember vorzeitig beendete. Friedensreich Hundertwasser Friedensreich Hundertwasser wurde am 15. Dezember 1928 in Wien als Friedrich Stowasser geboren. Sein Vater starb bereits im folgenden Jahr, weshalb Hundertwasser bei seiner alleinerziehenden Mutter aufwuchs. Bereits 1934 schuf er erste Jugendzeichnungen und 1936 wurde ihm von der Montessori-Schule ein „außergewöhnlicher Farben- und Formensinn“ attestiert. Nach dem „Anschluß“ Österreichs an den NS- Staat 1938 waren Hundertwasser und seine jüdische Mutter gezwungen, zu Tante und Großmutter in die Obere Donaustraße im zweiten Wiener Gemeindebezirk zu übersiedeln. 69 Familienangehörige Hundertwassers wurden 1943 deportiert und ermordet; er selbst konnte als sogenannter Halbjude das Gymnasium nicht mehr besuchen und mußte auf eine Handelsschule wechseln. Friedensreich Hundertwasser entdeckte im Frühjahr und Herbst 1948 in der gerade wiedereröffneten Albertina die Werke von Gustav Klimt (1862–1918), Walter Kampmann (1887–1945) und Egon Schiele (1890– 1918). Tief beeindruckt von der Wiener Mo - derne studierte Hundertwasser 1948 drei Mo - nate an der Akademie der bildenden Künste. Er besuchte die Klasse von Robin Christian Andersen (1890–1969) und überlegte später, in jene von Albert Paris Gütersloh (1887– 1973) zu wechseln, weil dieser ein Freund von Egon Schiele gewesen war. 1949 bereiste Hundertwasser Italien. In Florenz traf er den Künstler René Brô (1930–1986), der ihn nach Paris einlud. Dort besuchte er kurz die École des Beaux-Arts. Stefan Moses, Friedensreich Hundertwasser in seinem Arbeitszimmer in der „Hahnsäge“ © Hundertwasser Archiv, Wien © Nachlass Erhard Wehrmann, courtesy Kunststiftung Poll, Berlin Erhard Wehrmann, Friedensreich Hundertwasser vor einem seiner Werke, Venedig, 1962 »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at Aus den Briefen an seine Mutter läst sich die Kunstphilosophie des heranwachsenden Künstlers rekonstruieren. Vor allem seine Be - geisterung für Egon Schiele ist in diesen Do - kumenten evident. Hundertwasser bildete sich in Paris weitgehend als Autodidakt weiter, gleichzeitig entwickelte er früh sein ökologisches Bewußtsein. 1951 im Art Club Wien aufgenommen, stellte Hundertwasser gemein - sam mit der Wiener Avantgarde aus (1951 und 1952). Seine erste Einzelausstellung be - kam Hundertwasser 1954 in der Galerie Paul Facchetti. 1953 findet er in der Spirale eines der zentralen Motive seiner Malerei. Die Teil - nahme an der XXVII. Biennale von Venedig (1954) und Einzelausstellungen in Paris, Mailand und Wien brachten ihm den Durchbruch. 1957 erwarb der Künstler den Bauernhof La Picaudière in der Normandie. Die Hinwendung Friedensreich Hundertwassers zur Architektur und zum städtischen Raum fand am 4. Juli 1958 mit der Lesung des Verschimmelungsmanifests gegen den Rationalismus in der Architektur einen ersten Höhepunkt. Mit der Linie von Hamburg, initiiert und ausgeführt von Bazon Brock (*1936) und Herbert Schuldt (*1941), entwickelte Hundertwasser seine Spirale zu
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 192 / 02. 06. 2020 Kultur 89 einem performativen Akt, dem das Streben nach einer „unendlichen Linie“ zu Grunde lag. 1961 hielt sich Hundertwasser in Japan auf und vertrat Österreich 1962 auf der XXXI. Biennale von Venedig. Wichtige Aus - stellungen waren die Retrospektive in der Kestner-Gesellschaft, Hannover, mit weiteren Stationen in Stockholm und Amsterdam, seine Teilnahme an der documenta III in Kas sel (1964) und die Museumswanderausstellung in den USA (1969). Seit 1967 trat Hundertwasser für das „Anrecht auf die Dritte Haut“ ein, demonstrierte gegen den Rationalismus in der modernen Architektur und baute sich ein altes Holzschiff zur Re - gentag um. Dachbewaldung, individuelle Fassadengestaltung und Baummieter wurden Anfang der 1970er-Jahre zu Hundertwassers wichtigsten Anliegen einer menschen- und umweltgerechten Architektur. In den Folgejahren stellte Friedensreich Hundertwasser international aus, realisierte Architekturprojekte in aller Welt und engagierte sich mit zahlreichen Interventionen für ökologische und gesellschaftspolitische Belange. Er schuf Originalgrafiken und entwarf Gegenstände des täglichen Lebens. Der österreichische Künstler starb am 19. Februar 2000 an Herzversagen an Bord der Queen Elizabeth 2. auf hoher See. Hundertwasser wurde auf seinem Land in der Bay of Islands nackt und ohne Sarg begraben. Über seiner Ruhestätte wur - de ein Tulpenbaum gepflanzt. Egon Schiele Egon Schiele wurde am 12. Juni 1890 in Tulln als drittes Kind in die Familie eines Bahnhofsvorstehers geboren. Nach dem frühen, syphilisbedingten Tod des Vaters 1904 nahm er unter Vormundschaft seines Onkels Leopold Czihaczek 1906 das Malereistudium an der Wiener Akademie auf. Bereits 1907 kam er in Kontakt mit dem 28 Jahre älteren Gustav Klimt, der ihm Mentor wur - de. 1909 verließ Schiele die Akademie und war federführend an der Gründung der Neukunstgruppe beteiligt, die im Salon des Kunsthändlers Gustav Pisko erstmals ausstellen sollte. Mit diesem Auftritt und den Präsentationen auf der Internationalen Kunstschau 1909 und der Ersten Internationalen Jagdausstellung 1910 festigte er seinen Ruf als „begabter Paladin“ des Malerfürsten Klimt. Künstlerisch machte Schiele 1910 eine radikale Entwicklung weg vom secessionistischen Jugendstil hin zu seinem ausdrucksstarken, Empfindungen auf die Leinwand bannenden Expressionismus. Die Krise des © Leopold Privatsammlung, Foto:Leopold Museum, Wien/Manfred Thumberger Anton Josef Trčka, Egon Schiele vor seinem 1913 vollendeten und heute verschollenen Gemälde Begegnung, 1914 »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at (männlichen) Individuums, Fragen zu Identität, Geschlecht und Leiblichkeit wurden in Schieles Werken der folgenden Jahre in beispielloser Radikalität behandelt. Sein Förderer, der Kritiker und Netzwerker Arthur Roess ler, versorgte ihn in dieser künstlerisch produktiven Zeit mit positiven Rezensionen und Sammlerkontakten. 1911 erhielt er seine erste Einzelausstellung in der renommierten Wiener Galerie Miethke; im selben Jahr wur - de er Mitglied in der Münchner Künstlergruppe Sema. Mit Wally Neuzil an seiner Seite, Muse und Partnerin gleichermaßen, zog er für mehrere Monate ins böhmische Krumau, dem Geburtsort seiner Mutter, und anschließend weiter nach Neulengbach. Dort wurde er unter dem Vorwurf des sexuellen Mißbrauchs einer Minderjährigen im Frühjahr 1912 inhaftiert und verbrachte 24 Tage im Gefängnis. Mit Klimts Unterstützung fasste er trotz dieses – ungeachtet des Freispruchs nie gänzlich getilgten – Makels wieder Fuß am Wiener Parkett und wurde 1913 in den Bund österreichischer Künstler aufgenommen. Schließlich heiratete er 1915, kurz bevor er zum Kriegsdienst eingezogen wurde, die aus bürgerlichen Verhältnissen stammende Edith Harms. In den Kriegsjahren in seiner Produktivität eingebremst, brachte das Jahr 1918 schließlich den großen Durchbruch. Be - flügelt durch den enormen Verkaufserfolg auf der XLIX. Ausstellung der Wiener Se - cession im Frühjahr 1918 gründete er die Neue Secession Wien. Nach einem Zerwürf - nis kam es noch im September desselben Jahres zur Gründung des Sonderbundes mit ebenso ambitionierten Ausstellungsplänen. Doch nur wenige Wochen später sollte die grassierende Spanische Grippe alle Pläne zu - nichtemachen: Nur drei Tage nach seiner schwangeren Frau Edith starb Egon Schiele am 31. Oktober 1918. n https://www.leopoldmuseum.org/
Ausg. Nr. 192 • 2. Juni 2020 Das
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