ÖSTERREICH JOURNAL NR. 192 / 02. 06. 2020 Wirtschaft 56 hälfte nach sich, welcher den gesamtwirtschaftlichen Verlauf im I. Quartal 2020 maßgeblich bestimmte. Das in der Schnellschätzung Ende April gezeichnete Bild der sektoralen Betroffenheit der heimischen Wirtschaft wurde in der aktuellen Rechnung be - stätigt. Die konsumnahen Handels- und Dienstleistungsbereiche verzeichneten massive Ein bußen. Im Tourismus führten das vorzeitige Ende der Wintersaison und die Betriebsschließungen zu Umsatzausfällen. Im Einzelhandel kam es zwar in Bereichen für die Grundversorgung (z. B. Lebensmittelhandel) zu erhöhter Geschäftstätigkeit, diese konn te die Ausfälle in anderen Bereichen (z. B. Be - kleidung, Schuhe) jedoch nicht kompensieren. Insgesamt sank in den Bereichen Handel, In- standhaltung und Reparatur von Kfz, Verkehr, Beherbergung und Gastronomie die Wertschöpfung gegenüber dem Vorjahr um 7,3 % und zeigte sich mit -1,5 Prozentpunkten für mehr als die Hälfte des BIP-Rück - ganges im I. Quartal verantwortlich. In den Bereichen Sport-, Kultur- und Un - terhaltungseinrichtungen sowie persönliche Dienstleistungen (z. B. Frisöre), sank die Wert schöpfung um 8,1 %. Stabilisierend wirk - te hingegen die wirtschaftliche Dynamik der Bereiche Information und Kommunikation, Kredit- und Versicherungswesen, Grundstükks- und Wohnungswesen sowie die öffentliche Verwaltung. Nachdem die Industrie bereits im Laufe des Jahres 2019 in eine Rezession geraten war, verstärkten die Produktionsausfälle im März diese Entwicklung weiter. Die Wertschöpfung in der Sachgütererzeugung sank im I. Quartal um 6,6 % gegenüber dem Vorjahr. In der Bauwirtschaft verlief die Konjunktur hingegen bis zum Ausbruch der Kri - se sehr gut, sodaß im I. Quartal insgesamt nur ein moderater Rückgang verzeichnet wur - de (-0,7 %). Auf der BIP-Nachfrageseite wurde der Konsum, welcher für gewöhnlich eine über den Konjunkturzyklus hinweg stabilisierende Rolle hat, durch die gesundheitspolitischen Maßnahmen und die Konsumzurückhaltung der privaten Haushalte massiv eingeschränkt. Die privaten Konsumausgaben (einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck) sanken im I. Quartal stärker als noch in der Schnellschätzung Ende April angenommen (-4,3 %; Revision: -0,7 Prozentpunkte). Mit einem negativen Wachstumsbei - trag von 2,1 Prozentpunkten zeichneten sie für gut zwei Drittel des BIP-Rückganges verantwortlich. Die öffentlichen Konsumaus - gaben nahmen kräftig zu. Mit der gestiegenen Unsicherheit wurde die Investitionstätigkeit im I. Quartal zurükkgenommen, wobei hier die Ausrüstungsinvestitionen (-6,1 %) stärker reagierten als die Bauinvestitionen (-1,0 %). Insgesamt sanken die Bruttoanlageinvestitionen um 2,5 % ge - genüber dem Vorjahr. Vor dem Hintergrund der weltwirtschaftlichen Betroffenheit durch die COVID-19- Pandemie wurden auch die Exporte im I. Quartal eingeschränkt (-4,2 % gegenüber dem Vorjahr). Das betrifft sowohl die Waren (-5,1 %) als auch die Dienstleistungen (-2,3 %). Die Importe sanken um 4,9 %, so daß der Außenhandel einen minimal positiven Beitrag zur BIP-Veränderung erzielte. n https://www.wifo.ac.at WIFO-Ergebnisse der vierteljährlichen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung I. Quartal 2020 Veränderung gegen Wachstumsbeitrag Veränderungen das Vorquartal in %, real in % 1) gegen das Vorquartal in % 2) Bruttoinlandsprodukt – 2,9 – 2,9 – 2,6 Verwendung des Bruttoinlandsproduktes Konsumausgaben Private Haushalte 3) – 4,3 – 2,1 – 3,3 Staat + 2,0 + 0,4 + 0,6 Bruttoinvestitionen – 6,0 – 1,3 – 4,7 Bruttoanlageinvestitionen – 2,5 – 0,6 – 1,1 Exporte – 4,2 – 2,5 – 1,9 Importe – 4,9 – 2,5 – 2,5 Bruttoinlandsprodukt nach Wirtschaftsbereichen Land- und Forstwirtschaft, Fischerei – 1,9 – 0,0 – 4,0 Bergbau, Herstellung von Waren, Energie- und Wasserversorgung, Abfallentsorgung – 6,0 – 1,2 – 2,3 Bauwesen – 0,7 – 0,0 – 0,5 Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz, Verkehr, Beherbergung und Gastronomie – 7,3 – 1,5 – 7,4 Information und Kommunikation, Kredit- und Versicherungswesen, Grundstücks- und Wohnungswesen + 2,0 + 0,3 – 0,0 Sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen 4) – 2,2 – 0,2 – 2,8 Öffentliche Verwaltung 5) + 0,5 + 0,1 – 0,0 Sonstige Dienstleistungen 6) – 8,1 – 0,2 – 8,6 Quelle: WIFO-Berechnungen 1) Bruttoinvestitionen einschließlich Statistischer Differenz. – 2) Gemäß Eurostat-Vorgabe, saison- und arbeitstagsbereinigt. – 3) Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck. – 4) Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen, technischen und sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen (ÖNACE 2008, Abschnitte M bis N). – 5) Einschließlich Sozialversicherung, Verteidigung, Erziehung, Unterricht, Gesundheits- und Sozialwesen (ÖNACE 2008, Abschnitte O bis Q). – 6) Einschließlich Kunst, Unterhaltung und Erholung, persönliche Dienstleistungen, private Haushalte (ÖNACE 2008, Abschnitte R bis U). »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 192 / 02. 06. 2020 Wirtschaft Leichte konjunkturelle Verbesserung zu erwarten 57 Die Lockerung des Lockdowns ermöglicht eine schrittweise Erholung aus dem Konjunkturtal im April, dennoch ist ein zweistelliger Einbruch der Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal zu erwarten. Nach dem deutlichen Rückgang im März hat sich die Konjunkturstimmung in Ös - terreich im April infolge des Lockdowns noch stärker eingetrübt. „Der UniCredit Bank Au - stria Konjunkturindikator verringerte sich von 0,6 Punkten im April auf minus 3,1 Punk - te. Das ist der mit großem Abstand stärkste Rückgang in der knapp 30jährigen Geschich - te der Indikatorberechnung innerhalb eines Monats auf den niedrigsten jemals gemessenen Wert. Damit ist die Konjunkturstimmung in Österreich infolge des Lockdowns auch spürbar schlechter als während der Finanzkrise 2009“, meint UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer. Im März war die Verschlechterung der Konjunkturstimmung noch auf vom Export abhängigen Wirtschaftsbereiche konzentriert, da diese unter der Unterbrechung der globalen Wertschöpfungsketten durch Quarantänemaßnahmen in China litten. Im April zeigten durch die Maßnahmen zur Vermeidung der Ausbreitung des Coronavirus in Österreich selbst alle Wirtschaftssektoren eine starke Betroffenheit. „Alle Komponenten ha ben sich im April verschlechtert und den UniCredit Bank Austria Konjunkturindikator weiter nach unten gezogen. Den stärksten Einfluß hatte der drastische Einbruch der Stimmung im Dienstleistungssektor. Fast 50 Prozent des Rückgangs war diesem Bereich geschuldet“, so Bruckbauer. Besonders starke Betroffenheit im Dienstleistungssektor Die Stimmung im Dienstleistungssektor sackte aufgrund der notwendigen Geschäftsschließungen auf den niedrigsten Wert seit der Berechnung des Indikators ab. Im Gegen - satz zu üblichen Konjunkturschwankungen war somit nicht die Entwicklung der Nachfrage für den raschen Stimmungsumschwung der Dienstleister ausschlaggebend. Daher läuft auch die Stimmung der Verbraucher dem Trend im Dienstleistungssektor nicht wie im Normalfall voraus, sondern aktuell etwas hinterher. Noch im März waren die österreichischen Konsumenten optimistisch. Erst mit den spürbaren Auswirkungen des Lock - down auf den Arbeitsmarkt schlug die Stimmung um. Das Verbrauchervertrauen liegt jedoch noch klar über den Rekordtiefstständen während der Finanzkrise. Auch am Bau hat die gute Stimmung erst im April durch die verordnete Schließung von Baustellen abrupt gedreht. Angesichts voller Auftragsbücher und der bereits begonnenen Lockerung der Beschränkungen un ter - schreitet die Stimmung am Bau nur geringfügig den langjährigen Durchschnitt. Weniger stark als während der Finanzkrise ist auch die Stimmung in der heimischen Industrie gesunken. Die schwachen optimistischen Signale zu Jahresbeginn sind mittlerweile einer starken Verunsicherung gewichen, da neben den Schwierigkeiten am Heimmarkt auch die massive Verschlechterung des Exportumfelds die Geschäftsaussichten belastet. Der mit den österreichischen Handelsanteilen gewichtete Indikator für die internationale Industriestimmung ist auf den bisher niedrigsten errechneten Wert gesunken, was auf die schwerwiegenden Fol - gen der Wirtschaftsbeschränkungen infolge der Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus in Europa und den USA zurückzuführen ist. »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at „Gemessen an den Stimmungsindikatoren spürt der Dienstleistungsbereich die Folgen der Corona-Krise am stärksten. Die stark exportorientierte Industrie leidet, wenn auch etwas weniger stark als die Dienstleister, unter der Doppelbelastung des heimischem und der internationalen Lockdowns. Die Bauwirtschaft ist dank der bereits im April erfolgten ersten Lockerungen und der weiter gut gefüllten Auftragsbücher relativ am geringsten belastet“, meint Bruckbauer. Erstes Halbjahr 2020 mit BIP-Rück - gang über 10 Prozent im Jahresvergleich erwartet Nach einem guten Start ins Jahr 2020 kam es durch den Lockdown ab Mitte März zu einem abrupten und massiven Einbruch der österreichischen Wirtschaft. In diesen beiden Märzwochen sank die Wirtschaftsleistung auf rund 75 Prozent des Normalniveaus und löste damit einen Rückgang des BIP im ersten Quartal 2020 um 2,5 Prozent ge - genüber dem Vorquartal aus. Durch den Lockdown, der im Verlauf des Aprils nicht nennenswert gelockert wurde, ist die Wirtschaftsleistung in diesem Monat ebenfalls auf dem tiefen Niveau der letzten beiden März-Wochen gelegen. „Die allmähliche
Ausg. Nr. 192 • 2. Juni 2020 Das
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