ÖSTERREICH JOURNAL NR. 192 / 02. 06. 2020 Österreich, Europa und die Welt 16 für Rehabilitation von Deserteuren in der ös - terreichischen Gesellschaft einsetzte. MKÖ-Vorsitzender Mernyi: „Ich glaube, das ist genau das, worum es beim Fest der Freude geht. Einerseits der Befreiung zu gedenken, aber andererseits sich auch darauf zu besinnen, daß Menschlichkeit im Sprachschatz der Nationalsozialisten nicht vorkam. Daß Menschlichkeit keinen Wert hatte. Nazis kannten nur ‚Wir‘ und ‚die Anderen‘. Feiern wir den 8. Mai als Tag der Menschlichkeit.“ Bundespräsident Alexander Van der Bellen Auch die Rede von Bundespräsident Alexander Van der Bellen erinnerte an Richard Wadani und die Gräueltaten der nationalsozialistischen Terrorherrschaft sowie die Bedeutung des 8. Mai als Tag der Freude: Liebe Österreichinnen und Österreicher und alle Menschen, die hier leben! Vor 75 Jahren ging der Zweite Weltkrieg zu Ende. Vor 75 Jahren wurde Österreich, wurde Europa endlich befreit von der Terrorherrschaft des Nationalsozialismus. Millionen Tote waren zu beklagen. Durch den Krieg, den Holocaust, durch Verfolgung und Ermordung. Das ganze Ausmaß der Vernichtung durch das Nazi-Regime wurde offenbar. Hunger war an der Tagesordnung. Österreichs Städte lagen in Schutt und Asche. Gleichzeitig war der 8. Mai 1945 ein Tag der Freude; der Freude über das Wiedererlangen von Frieden, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, und Demokratie. Darum feiern wir das „Fest der Freude“. Foto: Mauthausen Komitee Österreich mane Gegenwart. Die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen von damals, die die Gräuel erfahren mußten, sind uns Vorbilder für das Heute. Dafür möchte ich ihnen danken. Erinnern will ich bei diesem heurigen Gedenken besonders an Richard Wadani, der uns vor wenigen Tagen für immer verlassen hat. Ihm ist es wesentlich zu verdanken, daß die Verfolgten der NS-Militärjustiz rehabilitiert wurden. Sein Vermächtnis ist das „Deserteurs-Denkmal“ auf dem Ballhausplatz. Dort, vor der Präsidentschaftskanzlei und dem Bundeskanzleramt erinnert es daran, daß humanistische Werte das politische Handeln bestimmen müssen. Und es erinnert daran, daß es auf jeden von uns ankommt, wenn es gilt, diese Werte zu schützen. Meine Damen und Herren! Nützen wir das „Fest der Freude 2020“ dazu, uns selbst zu fragen, worauf es in unserem Leben wirklich ankommt, wofür es sich lohnt einzutreten. Vielen Dank. So die Rede des Bundespräsidenten im Wortlaut. Bundeskanzler Sebastian Kurz „Heute vor 75 Jahren hat der Zweite Weltkrieg in Europa sein Ende gefunden. Mit der vollständigen Kapitulation des Deutschen Reichs, konnte eines der dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte geschlos - sen werden. Die Folgen dieser fürchterlichen Zeit beschäftigen uns jedoch bis heute. So unbeschreiblich die Grausamkeit des Natio- Meine Damen und Herren! Wir begehen dieses „Fest der Freude“ in diesem Jahr unter besonderen Umständen. Wir können leider nicht wie in den Jahren zu - vor zusammen auf dem Heldenplatz ge den - ken, zuhören und feiern. Vieles ist heuer an - ders. Gerade in Zeiten so großer Herausforderungen ist es wichtig, an unser Österreich zu glauben. An seine Stärken, seine Errungen - schaften und seine Fähigkeit, auch schwierige Situationen zu meistern. Das be deutet auch und ganz wesentlich, daß wir niemals vergessen, daß das Fundament un seres Österreich ein klares Bekenntnis bildet: Ein Bekenntnis zu Grund- und Freiheitsrechten, zu Rechtsstaatlichkeit, zu Demokratie und zu Solidarität. Ein Bekenntnis gegen Rassismus, gegen Antisemitismus, gegen Fremdenfeindlichkeit. Ohne Erinnern an die schreckliche Vergangenheit gibt es keine hu - Foto: BKA / Andy Wenzel Bundeskanzler Sebastian Kurz »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 192 / 02. 06. 2020 Österreich, Europa und die Welt 17 nalsozialismus war, so notwendig und wichtig sind die Lektionen, die wir aus dieser Zeit lernen müssen“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz in seiner Ansprache. Kultur des Erinnerns – Österreich trägt besondere Verantwortung Foto: Mauthausen Komitee Österreich „Wenn wir aus der Geschichte lernen wol - len, dann braucht es vor allem eines: Eine Kultur der Erinnerung“, betonte der Bundeskanzler und wies auf die besondere Verantwortung Österreichs hin. „So schwer es uns auch fällt, wir müssen uns die Gräueltaten des Nationalsozialismus vor Augen halten. Wir müssen uns daran erinnern, daß es auch Österreicher waren, die in den Reihen der Nationalsozialisten gekämpft, gefoltert und gemordet haben. Und daß es viele gab, die ihre Augen vor dem Unrecht verschlossen haben.“ Ebenso wichtig sei es, die Erinnerung an die unschuldigen Opfer wach zu halten, „allen voran an unsere jüdischen Mitbürger, die entrechtet, vertrieben und getötet wurden“. Genauso müsse auch aller anderen Opfer gedacht werden, der Minderheiten, Andersdenkenden und Widerstandskämpfer. Es brauche dieses Erinnern, um stets wachsam zu bleiben: „Wir müssen alles tun, daß sich die Geschichte nicht wiederholt. Wir müssen stets die Grundlagen unserer freien Gesellschaft schützen und stärken: die Rechtstaatlichkeit, Demokratie, Gewaltentrennung und Medienfreiheit. Und wir müssen gemeinsam konsequent gegen alle Formen des politischen Extremismus vorgehen. Das ist unsere historische Verantwortung“, so Sebastian Kurz. Es müsse zudem alles un - ternommen werden, um Versöhnung mit den Opfern des Holocaust zu finden. So sei es wichtig, Überlebenden des Holocausts wei - terhin die Möglichkeit zu bieten, in ihre alte Heimat zurückzukehren. Mit diesen Menschen sprechen zu können, sei ein besonderes Privileg und „es ist unsere Verantwortung, ihr Zeugnis für die Nachwelt zu be - wahren“. Österreich habe heute eine klare Haltung: „Der Kampf gegen Antisemitismus und An - tizionismus ist Teil unserer Staatsraison. Wir müssen alle gemeinsam stets darauf achten, daß dieser Hass nie wieder Fuß fassen kann. Mit geeinten Kräften müssen wir weiter da - für kämpfen, daß sich kein jüdischer Mitbürger auf unseren Straßen unsicher fühlt.“ Die - se Verantwortung gelte es auch über Österreichs Landesgrenzen hinaus wahrzunehmen: „Die Menschen in Israel sollen wissen, daß wir in Österreich an ihrer Seite stehen. Wir werden nie zögern, unsere historische Verantwortung wahrzunehmen und unseren Verbündeten Israel zu unterstützen“, versicherte der Bundeskanzler. Demokratie, Freiheit und Menschenwürde schützen Die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs würden uns schließlich auch dazu verpflichten, „das Friedensprojekt Europa mit aller Kraft zu stärken und zu unterstützen“. Österreich sei seit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg ein sicheres, wohlhabendes Land geworden, „eine freie Demokratie im Herzen der Europäischen Union“. Eine so lange Epoche des Friedens, wie wir sie Europa in den letzten Jahrzehnten erlebt ha - ben, sei historisch einzigartig. „Daher müssen wir, gemeinsam mit unseren europäischen Partnern, alles daransetzen, daß dies auch in Zukunft so bleibt. Die Europäische Union ist die größte Errungenschaft des 20. Jahrhunderts. Aber auch an ihr müssen und werden wir stets arbeiten, um sie gut durch das 21. Jahrhundert zu führen“, so Sebastian Kurz. Die positive Entwicklung der letzten Jahrzehnte, in Österreich und in ganz Europa, zeige, daß der Friede dauerhaft sein kön - ne, „wenn wir Demokratie, Freiheit und die Würde eines jeden Menschen schützen und hochhalten. Diese Werte werden uns auch für die Zukunft der richtige Kompaß sein“, so der Bundeskanzler abschließend. Der Festakt zum Gedenken an die Befreiung vom Nationalsozialismus und an die Beendigung des Zweiten Weltkriegs in Eu - ropa am 8. Mai fand dieses Jahr aufgrund der Beschränkungen infolge der Corona-Pandemie nicht an einem Ort statt, sondern setzte sich aus verschiedenen Teilveranstaltungen zu sammen, die an unterschiedlichen Orten aufgezeichnet und vom ORF gesendet wurden. Die Reden von Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler wurden im Kongreßsaal des Bundeskanzler - amts gehalten. Zugespielt wurden Grußbotschaften der Signatarmächte Frankreich, Rußland, dem Vereinigten Königreich und der Vereinigten Staaten von Amerika. Musikalisch umrahmt wurde die Festveranstaltung von den Wiener Philharmonikern und den Wiener Sängerknaben. Ein einleitendes Gespräch von Bundeskanzler Kurz mit Festredner Hugo Portisch wurde im Wiener Volksgarten aufgezeichnet. Virtuelles Fest der Freude verbindet international Auch dieses Jahr bildeten die Videos und Botschaften zum thematischen Schwerpunkt einen wichtigen Teil des Fests der Freude. Darunter waren: Margaritis Schinas, Vizeprä - sident der Europäischen Kommission, Dimitrij Ljubinskij, Botschafter der Russischen Föderation, Robert Leigh Turner, Botschafter des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, François Saint- Paul, Botschafter von Frankreich, Trevor Dow Traina, Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika, Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Rudolf Ed - linger, Präsident des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, Christa Bauer, Geschäftsführerin des Mauthausen Komitee Österreich, und Matthias Spadinger, Obmann des Vereins Gedenkdienst. Den Höhepunkt der Veranstaltung bildete die Rede der Zeitzeugin Erika Kosnar. Die Wienerin stammt aus einer Arbeiterfamilie jüdischen Glaubens. Ab 1938 mußte sie Be - schimpfungen, Schikanen und Gräuel erlei- »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at
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© Leopold Museum, Wien, Foto: Leop
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