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Ausgabe 191

Monatsmagazin mit Berichten von der Politik bis zur Kultur: sechs bis acht Mal jährlich mit bis zu 100 Seiten Österreich. 14.187 pdf-Downloads im April 2020 auf http://www.oesterreichjournal.at/

ÖSTERREICH JOURNAL NR.

ÖSTERREICH JOURNAL NR. 191 / 11. 03. 2020 Chronik Das erste Stadtrecht Wiens Junger Historiker löst ein historisches Rätsel in 41 Zeichen – Stadt ist wohl 1000 Jahre älter – Bürgermeister Michael Ludwig enthüllte Stadtrechtsfragment Ganze 100 Jahre lag das Fragment einer Bronzetafel im Depot des Wien Mu - seums. Jetzt gelang es einem jungen Historiker, die wahre Bedeutung dieses unscheinbaren Metallstücks zu entschlüsseln: Das Fragment war Teil einer Stadtrechtstafel. Somit besaß nicht nur das mittelalterliche Wien seit 1221 ein Stadtrecht, sondern wohl bereits das römische Vindobona etwa 1000 Jahre vorher. Am 3. März wurde das Fragment der Stadtgesetztafel von Bürgermeister Michael Ludwig im Römermuseum am Hohen Markt enthüllt, wo es nun auch ausgestellt ist. »edicta« und »Galba« 1913 wurde in Wien bei Grabungen an der Adresse „Am Hof 4“ das Stück einer Bronzetafel gefunden, nahe der südlichen Mauer innerhalb des einstigen Legionslagers Vindobona. Von den 41 Zeichen konnten nur die Wörter „edicta“ und „Galba“ mit Sicherheit entziffert werden. Vermutet wurde, daß es sich um ein Edikt des Kaisers Galba handelt, der von 68 bis 69 n. Chr. nur wenige Mo - nate regierte. Das Fragment lag seither mit anderen rund 150.000 Ausgrabungsobjekten im Depot des Wien Museums. 1986 wurden in Andalusien Tafeln des römischen Stadtgesetzes der Stadt Irni aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. entdeckt. Seither sind zirka 70 Prozent des römischen Stadtgesetztextes, der allgemein als Vorlage diente, bekannt. Im Zuge seiner Dissertation über die rö - mischen Stadtgesetze an der Universität Wien konnte der Historiker Niklas Rafetseder jetzt Parallelen zwischen dem Fragment von Vindobona und dem Stadtgesetz von Irni aufdecken und dadurch nachweisen, daß die Bronzetafel aus dem Depot des Wien Mu - seums das Fragment einer römischen Stadtgesetztafel ist. Das Stadtrecht bezieht sich höchstwahrscheinlich auf die Zivil- oder Lagervorstadt des Legionsstandortes Vindobona, deren Status als Munizipium zwischen 120 bis 250 n.Chr. nun mit hoher Sicherheit festzustellen ist. Wissenschaftliche Sensation „Es gilt als wissenschaftliche Sensation und läßt das Herz eines jeden Historikers höher schlagen: Wien hat schon vor ca. 1800 Foto: PID / C. Jobst Foto: Wien Museum / Birgit und Peter Kainz Kulturstadträtin Veronika Kaup-Hasler, Bürgermeister Michael Ludwig und der Historiker Niklas Rafetseder bei der Enthüllung des Stadtrechtsfragments (unten) im Römermuseum »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at 98

ÖSTERREICH JOURNAL NR. 191 / 11. 03. 2020 © Stadtarchäologie Wien Chronik Vindobona, Römische Siedlungsbereiche Jahren ein Stadtrecht verliehen bekommen. Die Dechiffrierung des Stadtrechtsfragments, ein kleines Stück Bronze mit 41 Buchstaben, ist den Forschungen des jungen Historikers Niklas Rafetseder zu verdanken. Der Ge - schichtsunterricht über die Stadt Wien muß je denfalls neu gedacht werden“, unterstrich Bürgermeister Michael Ludwig. „Die neue Erkenntnis über das erste Stadtrecht Wiens ist das Ergebnis der konstruktiven wissenschaftlichen Zusammenarbeit von Wien Museum und Universität Wien und der damit einhergehenden Bündelung von Forschungsinteresse und Expertise. Die Möglichkeiten der Digitalisierung spielten dabei auch eine entscheidende Rolle. Digitalisierung ist heute das Fundament für wissenschaftliche Forschung, sie ermöglicht neue, ortsungebundene Ergebnisse über alle Grenzen hinweg,“ so Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler. „Die Forschungen zum römischen Wien bauen auf wissenschaftlichen Arbeiten zahlreicher Persönlichkeiten auf. Seit über 100 Jahren wurde in Wissenschaftskreisen das Stadtrecht Vindobonas vermutet, nun konnte endlich der Beweis erbracht werden. Doch wer dachte schon, daß das ‚missing link‘ in unseren eigenen Depots immer so nahe war? Dies zeigt, wie wichtig die Erforschung der eigenen Sammlungen ist“, sagte Michaela Kronberger, Kuratorin des Wien Museums. Nur privilegierte Gemeinden im römischen Reich bekamen das vom Kaiser vergebene Stadtrecht und durften sich danach Mu - nizipium oder Colonia nennen. Es regelte die institutionelle Ordnung wie Ämter und Stadtrat, die Rechtsprechung, die politische Leitung durch eine Klasse von angesehenen Bürgern und die Administration, von der Steuererhebung bis zum Brandschutz und zur Straßenreinigung. Die zehn oder mehr Bronzetafeln, jeweils zirka wohl 90 x 60 cm groß, wurden im Forumsbereich öffentlich ausgestellt. Und in der Regel für die spätantike Metallverarbeitung wieder eingeschmolzen. Das Stadtrechtsfragment von Vindobona hat sich durch Zufall erhalten. „Die Entdeckung des Fragments zeigt neuerlich, daß die römischen Städte entlang der Donau, obschon in der äußersten Periphe - rie des Reiches gelegen, nach demselben Mu - ster und nach denselben rechtlich-politischen Grundsätzen organisiert waren wie jene der Kernländer des Reiches (Italien, Hispanien etc.). Die Urbanisierung der unterworfenen Gebiete und die Verleihung des Stadtrechts waren zentrale Elemente des auf Integration und Nivellierung der anfänglichen Unterschiede ausgerichteten Herrschaftssystems Roms“, erklärte Fritz Mitthof, Professor für Römische Geschichte, Universität Wien. Der Status von Wien als römische Stadt, der bis jetzt immer nur vermutet wurde, kann nun als sehr sicher gelten, und wird auch demnächst in der Fachzeitschrift TYCHE des Instituts für Alte Geschichte, Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik der Universität Wien (Verlag Holzhausen Wien) veröffentlicht. Peer-Reviewer und Herausgeber haben die Richtigkeit von Niklas Rafetseders wissenschaftlichen Rückschlüssen bereits bestätigt. „Es sind aus dem römischen Reich nur wenige Stadtrechte überliefert worden, da diese Art der Urkunde auf Bronze geschrieben worden ist. Dieses Material war begehrt und wurde daher im Laufe der Geschichte immer wieder eingeschmolzen, um es anderwärtig zu verwenden. Deswegen werden Texte auf Bronze sehr selten gefunden. Das macht den Fund noch sensationeller“, konstatierte Franziska Beutler, Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik. 99 Niklas Rafetseder Geboren 1991, ist er im Raum Amstetten aufgewachsen. 2010 Lehramtsstudium Latein und Geschichte an der Universität Wien, seit 2015 Dissertation über das Römische Stadtrecht bei Professor Mitthof, Institut für Alte Geschichte, Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik der Universität Wien, und Loredana Cappelletti, Institut für Römisches Recht und Antike Rechtsgeschichte der Universität Wien. Im Juni 2019 wurde die Dissertation mit dem Theodor-Körner-Förderpreis ausgezeichnet. 2017/2018 Mitarbeit am Institut für Römisches Recht am FWF-Projekt zur Mu - nizipalisierung des Antiken Siziliens. Seit Herbst 2018 Latein- und Ge schichtslehrer am Gymnasium Waidhofen/ Ybbs. Stadtarchäologie Wien Seit rund 100 Jahren ist es die Hauptaufgabe der Stadtarchäologie Wien, die Vergangenheit der Bundeshauptstadt archäologisch zu erforschen. Damals begann man, archäologische Objekte systematisch zu verwahren und die Fundzusammenhänge vor Ort zu do - kumentieren. Im Lauf der Jahrzehnte ist so ein dichtes Netz an archäologischen Informationen entstanden, das Auskunft über die Besiedelung des Wiener Raums vom 6. Jahrtausend v. Chr. bis zur Gegenwart gibt. Die umfangreiche archäologische Sammlung des Wien Museums umfaßt bislang rund 150.000 Objekte, die im Zuge des Um - baus der Stadt seit dem späten 19. Jahrhundert geborgen wurden. n https://stadtarchaeologie.at/ https://www.wienmuseum.at/ »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at

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