ÖSTERREICH JOURNAL NR. 191 / 11. 03. 2020 »Burgenland Journal« 80 Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Jantzen Bei der Kranzniederlegung am Tatort (v.l.) Superintendent Manfred Koch, Weihbischof Franz Scharl, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Integrationsministerin Susanne Raab, Landtagspräsidentin Verena Dunst, Oberwarts Bürgermeister Georg Rosner, Vizebürgermeisterin Ilse Frühwirth und die Leiterin der Romapastoral der Diözese Eisenstadt, Manuela Horvath von wurden erst am Morgen des 5. Feber entdeckt. Die alarmierten Gendarmeriebeamten deuteten die Sachlage anfangs völlig falsch, denn sie verdächtigten die Opfer und gingen von einem Verbrechen aus, bei dem die Männer mit einer „Pump-Gun“ getötet worden seien. Die Frage, ob diese (Fehl-) Interpretation durch Vorurteile gegen die Ro ma-Minderheit beeinflußt war, kann wohl nicht mehr geklärt werden. Die Version einer internen Fehde wurde anfangs auch durch die elektronischen Medien verbreitet. (Wo - chen später, als längst der Zusammenhang zu den Briefbombenattentaten feststand, wurde sie von Jörg Haider wieder aufgegriffen und ausgeschmückt.) Erst Kriminalbeamte aus Eisenstadt stellten fest, daß die Männer durch ein Sprengstoffattentat umgekommen waren. Spurensicherer fanden auch die Tafel mit der rassistischen Aufschrift. Dennoch wurde eine Hausdurchsuchung in der gesamten Siedlung angeordnet und durchgeführt, was von den Roma als Schikane und als Demütigung empfunden wurde. Vermutungen, wonach die Männer Opfer eines rassistischen Terror-Aktes geworden sind, be - stätigen sich, als am 6. Feber in Stinatz eine weitere Bombe detonierte und ein Bekennerschreiben gefunden wurde. Das Oberwarter Attentat gilt als der folgenschwerste innenpolitisch motivierte An - schlag der Zweiten Republik. Zu dem Attentat bekannte sich eine rechtsextreme Gruppierung (Bajuwarische Befreiungsarmee), die Österreich schon längere Zeit mit Briefbombenserien und Rohrbomben terrorisierte. Die Exekutive konnte einige Jahre später Franz Fuchs als Täter ausforschen, der zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde und in der Haft Selbstmord verübte. Ob er wirklich als Einzeltäter handelte, was dieser immer bestritt, bleibt bis heute umstritten. Viele, der in den letzten Jahren aufgebauten Strukturen und auch der erarbeiteten Er - folge der Roma waren durch dieses Attentat in Frage gestellt. Unter den Roma wurden wieder Stimmen laut, die sagten, die Volksgruppe solle sich unauffälliger verhalten und keine Forderungen stellen. Man befürchtete, daß das hohe Maß an Aufmerksamkeit, das den Roma zuteil wurde, weitere Anschläge nach sich ziehen könnte. Doch trotz der be - rechtigten Verunsicherung wurde der be - schrittene Weg fortgesetzt und die Roma- Vereine konnten ihre erfolgreiche Arbeit fortsetzen. Gedenken In der Aula der Europäischen Mittelschule Oberwart wurde am 4. Feber eine Gedenkveranstaltung abgehalten sowie eine Kranzniederlegung beim Tatort für die vier Verstorbenen vorgenommen. Die anwesenden Ehrengäste zeigten bei der Gedenkfeier ihren Respekt gegenüber den Opfern und ihren Angehörigen. Der Friede muß auch in der https://www.burgenland.at Zukunft immer im Vordergrund stehen, da er das höchste Gut jedes Menschen ist. Landtagspräsidentin Dunst: Wir dürfen nicht vergessen, wer die Opfer waren, Menschen wie wir Landtagspräsidentin Verena Dunst sagte bei der Veranstaltung: „Seit der schreck li - chen Tat sind 25 Jahre vergangen, aber die Betroffenheit über dieses Attentat ist heute noch immer groß. Wir dürfen nicht vergessen, wer die Opfer waren, Menschen wie wir, es darf keine Ausgrenzung mehr geben.“ Um in Zukunft die Volksgruppe der Ro - ma weiterhin zu stärken, wurde von der Diözese Eisenstadt der Roma-Pastoral ins Leben gerufen. Dieser nimmt eine wichtige Funktion ein, indem er die Roma in ihrer Kultur und Tradition stärkt und sie als Bereicherung für die Gesellschaft und Kultur erhält. Dieser unterstützt auch die Stärkung der kulturellen Identität der Roma, organisiert Wahlfahrten und Gedenkfeiern. „Das Burgenland ist seit jeher ein Paradebeispiel einer Grenzregion, ein Land der Di - versität, stolz auf ihre Volksgruppen, wie die Roma, die das Burgenland ausmachen. Die Schrecken des Attentats ermahnen uns, gerade in Zeiten aufkeimender Anfeindungen ge - gen ganze Bevölkerungsgruppen achtsam zu sein und Werte wie Toleranz und Menschlichkeit zu leben. Das gilt für die Politik und für uns alle“, so die Dunst ab schließend.
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 191 / 11. 03. 2020 »Burgenland Journal« 81 Fotos: Parlamentsdirektion / Thomas Jantzen Landtagspräsidentin Verena Dunst Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka Nationalratspräsident Sobotka: Kultur der Roma und Sinti ist ein Bestandteil der österreichischen Identität „Das Rohrbomben-Attentat von Oberwart war ein perfider Anschlag auf die demokratischen Grundwerte“, sagte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka in Oberwart. Der Mord an vier Roma vor 25 Jahren bleibe nicht nur unvergessen, das Geschehen habe auch die Gesellschaft in Österreich verändert. „Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist wieder verletzlich geworden, obwohl wir bereits geglaubt haben, die Schrecken des Nazireiches und seiner Vernichtungsmaschinerie seien endgültig überwunden.“ „Die Kultur der Roma und Sinti ist ein Bestandteil der österreichischen Identität, die durch Vielfalt und ein klares Bekenntnis zu den Volksgruppen geprägt ist. Daher war die Anerkennung der Roma als Volksgruppe im Dezember 1993 ein wesentlicher Schritt“, er - klärte Sobotka. Er sprach sich dafür aus, daß die Auseinandersetzung mit der Geschichte der österreichischen Volksgruppen in den Schulen verankert und gefördert wird. Ein friedliches Miteinander aller Bevölkerungsgruppen in Österreich müsse ein gemeinsames Ziel sein, unterstrich der Nationalratspräsident. „In der Nacht von 4. auf 5. Februar 1995 haben wir alle gesehen, was Haß, Extremis - mus und Fremdenfeindlichkeit anrichten“, sagte Sobotka. „Als Republik Österreich tragen wir Verantwortung. Keiner darf daher die Augen vor der weiterhin bestehenden Roma- Feindlichkeit verschließen“, mahnte er. Das Erinnern lebendig zu halten bleibe eine unerläßliche Aufgabe. Erinnern müsse eine Haltung sein, die wir als Teil unseres Lebens verinnerlichen. Der Kampf gegen jede Form von Extremismus sei für eine von demokratischen Grundwerten geprägte Gesellschaft essentiell, betonte Sobotka. „Wir dürfen nicht zu - lassen, daß unsere Gesellschaft durch Haß, Extremismus und Fremdenfeindlichkeit ge - spalten wird“, sagte er weiter. „Wenn das Gedenken einen Sinn haben soll, dann kann es nicht nur darum gehen, den Familien der Opfer immer wieder unsere Anteilnahme zu bezeugen. Sein Sinn besteht vielmehr darin, uns in Erinnerung zu rufen, daß wir im täglichen Leben daran gemessen werden, daß wir erkennen, wo die kleinen Anfänge des Ras sismus, des Ausgrenzens zutage treten, vbvund die Stimme dagegen erheben. Wenn das nicht reicht, müssen wir auch den Schritt an die Öffentlichkeit machen und auch den Weg zur Polizei gehen, wenn rote Linien überschritten werden“, so der Nationalratspräsident. „Wir dürfen nicht müde werden, weiter gegen jede Form von Vorurteilen und Diskriminierung entschieden aufzutreten. Dabei ist es wichtig, wirksame Gegenstrategien zu ent - wickeln. Auch in sozialen Medien dürfen Haß und Hetze keinen Platz finden. Sie sind in jeder Form abzulehnen und zu verurteilen“, betonte Sobotka. Die Volksgruppe Roma in Österreich und Oberwart Die Volksgruppe der Roma in Österreich ist seit 1993 vom Staat Österreich anerkannt. Dazu zählen auch die im Burgenland lebenden Burgenland-Roma. Zu den bekanntesten Roma aus dem Südburgenland zählen der 2016 verstorbene Obmann des Kulturvereines Österreich, der Unterschützener Rudolf Sarközi, sowie der Oberwarter Stefan Horvath. Der Vater des von einer Rohrbombe ge - töteten Peter Horvath arbeitet seine seelische Probleme von diesem Attentat seitdem in Bü - chern auf und brachte drei Bänder unter den Titeln „Ich war nicht in Auschwitz“, „Katzenstreu“ und „Atsinganos – Die Oberwarter Roma und ihre Siedlungen“ heraus. Zudem produzierte Peter Wagner den Film „Stefan Horvath – Zigeuner aus Oberwart“ über ihn. n http://www.burgenland-roma.at/ Quellen: Land Burgenland, Parlamentskorrespondenz, Volkshochschule der Burgenländischen Roma Das Attentat von Oberwart – Terror, Schock und Wendepunkt Das vom bur genlän di - schen Journalisten Erich Schneller und der Lektorin der edition lex liszt 12 Annemarie Klinger herausgegebene Buch „Das Attentat von Oberwart – Terror, Schock und Wendepunkt“ präsentiert das Ergebnis einer kritischen Aus einandersetzung mit dem, was in Oberwart geschehen ist, was es bewirkt und ausgelöst und tatsächlich verändert hat. Zu Wort kommen ZeitzeugInnen und Pioniere der Volksgrup penarbeit sowie namhafte Journalisten und SchriftstellerInnen. Beiträge u.a. von Karl-Markus Gauß, Stefan Horvath, Gertraud Knoll-Lacina, Doron Rabinovici, Walter Reiss, Gerhard Roth, Peter Sitar, Marlene Streeruwitz, Ar min Thurnher, Oliver Vollmann und Peter Wagner. Edition lex liszt 12 Taschenbuch 156 Seiten ISBN 978-3-99016-077-0 https://www.lexliszt12.at/index.php/buecher/sachbuecher/das-attentat-von-oberwart-terror,-schock-und-wendepunkt-detail https://www.burgenland.at
Ausg. Nr. 191 • 11. März 2020 Da
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