ÖSTERREICH JOURNAL NR. 186 / 01. 07. 2019 Österreich, Europa und die Welt Geist & Gegenwart »Fürchtet euch nicht. Es ist alles schon mal dagewesen.« Achter Pfingstdialog im steirischen Schloß Seggau 28 Foto: Michaela Lorber Beim achten Pfongstdialog im Schloß Seggau (v.l.): Superintendent Wolfgang Rehner, Landesrätin Barbara Eibinger-Miedl, Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl, Internetpionier Tim Cole und Geist und Gegenwart-Koordinator Herwig Hösele Die seit 2005 biennal abgehaltenen Pfingstdialoge „Geist & Gegenwart“ auf Schloß Seggau dienen immer auch der Standortbestimmung des „Projekts Europa“, seiner Chancen, Hoffnungen, aber auch Ge - fährdungen und Probleme, seiner Entwick - lungen und Herausforderungen. Der achte Pfingstdialog vom 5. bis 7. Juni 2019 stand unter dem Generalthema „Das digitale Europa. Digital Europe. No borders, no limits?“. Der Untertitel „No borders, no limits?“ wurde bewußt mit einem Fragezeichen versehen, denn die Idee der Grenzenlosigkeit unserer Gesellschaft kann gleichermaßen humanistisches Ideal wie in ihrer Verabsolutierung eine gefährliche Illusion sein. Unser Zusammenleben braucht Be grenzun - gen durch Ethik und Regeln. Das gilt ganz besonders für das Thema der Digitalisierung. Nach der offiziellen Begrüßung und Einleitung durch Geist und Gegenwart-Koordinator Herwig Hösele und Grußworten von Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl und Superintendent Wolfgang Rehner erinnerte Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer an die Bedeutung der bereits traditionellen Geist und Gegenwart-Pfingstdialoge. „Ein Problem in Europa und Österreich ist die Tat sache, daß uns teilweise der Dialog ab - handengekommen ist. Für faire und sachorientierte Diskussionen fehlen oft die Zeit und der Ort. Daher ist es gerade heute wichtig, daß es Veranstaltungen wie den Pfingstdialog gibt, denen es gelingt internationale Referenten einzuladen, die in die Breite und die Tiefe gehen und uns damit helfen, unsere eigene Position zu finden“, so der Landeshauptmann in seinem Eröffnungsstatement. Vor allem das Thema Digitalisierung dürfe man nicht ohne die Fragen der Ethik diskutieren. Die Auseinandersetzung damit was richtig ist, ist auch im Zeitalter der Digitalisierung von zentraler Bedeutung. Eibinger-Miedl: Digitalisierung als Chance sehen! Wissenschafts- und Wirtschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl führte in ihrer Re de wiederum die vielen Chancen der Di - gitalisierung für die Steiermark an und untermauerte dies mit zahlreichen Beispielen, wie dem Silicon Alps Cluster, dem »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at neuen Spitzenforschungszentrum Silicon Austria Labs oder der Ansiedelung des neu - en Cyber-Security-Campus im Umfeld der TU Graz. Eibinger-Miedl verwies aber auch auf die Tatsache, daß „Digitalisierung letztendlich eine Technologie ist, die dem Menschen nützen muß. Es liegt also an uns selbst, sie auch dementsprechend zu nutzen.“ Teil der Lösung sein: Für eine neue digitale Ethik Hauptredner des ersten Veranstaltungstages war der amerikanische Internetpionier Tim Cole, der in seiner Keynote-Speech wiederum dafür eintrat, negative Auswirkungen von Monopolbildungen großer Technologiekonzerne wie Google, Apple Facebook und Amazon durch gezielte Interventionen einzubremsen. Unter dem Motto „Fürchtet euch nicht. Es ist alles schon mal dagewesen“ verglich Cole die aktuelle Mo - nopolstellung der vier „GAFA“- Konzerne mit historischen Beispielen und zeigte dabei auf, wie diese zu Fall gebracht wurden. Daraus wiederum leitet Cole vier zentrale Forderungen ab, die vor allem vorsehen, die
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 186 / 01. 07. 2019 Österreich, Europa und die Welt 29 Mög lichkeiten der rechtlichen Regulierung etwa im Kartellrecht sowie die Markt- und Konsumentenmacht zu nutzen, um Großkonzernen wie Google oder Facebook nicht zu viel Macht über seine Kunden und Nutzer zu geben. Dazu notwendig sei auch eine in - tensive Diskussion über eine digitale Ethik. Cole rief die Anwesenden auf Einigkeit darüber herstellen, was im digitale Zeitalter ethisch ist und sich aktiv an diesem Prozess zu beteiligen. Denn wer nicht Teil der Lö - sung sein will, ist automatisch Teil des Problems. Leitmotive eines zu kunftsorientierten, kreativen und innovativen europäischen Lebensmodells Die fundamentalen Errungenschaften und Werte der Aufklärung leiten uns dabei. Die universellen Menschenrechte, die unantastbare Menschenwürde, der Rechtsstaat, die li - berale Demokratie und die offene Gesellschaft müssen die Leitmotive eines zu - kunftsorientierten, kreativen und innovativen europäischen Lebensmodells sein. Welche ethischen, philosophischen, mo - ralischen, demokratiepolitischen, technischen, wirtschaftlichen, arbeitsmarktpolitischen, sozialen, medialen, kulturellen und bildungsmäßigen Fragen stellen sich uns? Wie können wir die vielfältigen Chancen der Digitalisierung nutzen und gleichzeitig den Gefahren und Risken, die von unbegrenzter und regelloser Digitalisierung und künstli - cher Intelligenz ausgehen, bis hin zu den Hor - rorvisionen (diese hat es übrigens bei jeder Innovation gegeben und sie haben sich nie bewahrheitet, man denke nur an die Industrialisierung oder Computerisierung), begegnen? Bei weitem nicht alles, was machbar scheint, ist verantwortbar. Manche Verheissungen und Versprechungen einer schönen, neuen, digitalen Welt sind trügerisch. Es gibt eine generelle gesamtgesellschaftliche Verantwortung, aber wir müssen uns auch unserer individuellen Verantwortung im notwendigen Umgang mit den Möglichkeiten der Digitalisierung bewußt sein. Hat das digitale Europa überhaupt noch eine Chance gegen den Turbo-Datenkapitalismus der USA und das autoritär-dirigistisch, den sogenannten Fortschritt forcierende, chinesisch-asiatische System? Wie können wir in der Steiermark, in Österreich und Europa im globalen Wettbewerb, der vor allem von den Giganten USA und China bzw. Asien dominiert wird – erwähnt seien nur die Na - men Huawei, Alibaba, Google, Amazon, Microsoft, Facebook, Apple – mithalten, wo Fotos: Michaela Lorber Geist&Gegenwart-Koordinator Herwig Hösele Landeshaupütmann Hermann Schtüzenhöfer Landesrätin Barbara Eibinger-Miedl ist da unser Platz? Wie können wir bestmöglich die faszinierenden Chancen nützen?. Gerade nach den Europawahlen wird es eine große Aufgabe der EU sein, hier durch Förderung von Innovation und Kreativität sowie fairen Rahmen- und Wettbewerbsbedingungen die eigenständige Position Europas herauszuarbeiten. Europa muß offensiv, nicht defensiv und ängstlich agieren. Beim Pfingstdialog 2007 sprach der USamerikanische Zukunftsforscher Jeremy Rifkin in seinem Eröffnungsvortrag davon, daß die EU ein vorbildhaftes Modell für den ganzen Erdball mit großartigen Zukunftsperspektiven sein könnte. Das haben in den letzten Monaten auch zahlreiche weitere Denker wie der israelische Starhistoriker Yuval Noah Harari bestätigt, der sagt, die EU sei das „bessere Modell für die Welt“, das „Potential zu einer großen Zukunft“ habe. Und: „Es gibt weltweit keine Region mit einem derartigen Konzentrat an Talenten und schöpferischer Begabung“ sowie „Die geistige Offenheit, sich bis ins hohe Alter neu zu denken und zu entwerfen, wird für die Überlebensfähigkeit des Einzelnen und Eu - ropas entscheidend sein“. Europa kann, wenn es nur will, in allen wesentlichen Zukunftsfragen weltweit eine wichtige Rolle einnehmen. Vor 30 Jahren fiel durch den großartigen Aufbruch und das mutige Engagement freiheitsliebender Bürgerinnen und Bürger der Eiserne Vorhang in Europa und vor 25 Jahren stimmten die ÖsterreicherInnen mit eindrucksvoller Zweidrittelmehrheit für den EU-Beitritt unseres Landes. Es ist zu hoffen, daß die europäischen Institutionen mit Kraft, Mut und Intelligenz in den nächsten fünf Jahren die Weichen für einen neuen Aufbruch stellen und diese nicht in parteitaktischem und nationalistischem Klein-klein die Chancen verpaßt werden. Der Pfingstdialog 2019 wollte dabei für das entscheidende Zukunftsthema Digitalisierung Orientierung und Impulse für einen berechtigten und realistischen Optimismus geben. Im Sinne der Nachhaltigkeit des Pfingstdialogs werden seine Ergebnisse, Referate und Diskussionsbeiträge, verbunden mit Eck - punkten für eine zu entwickelnde „europäische und österreichische Ethik der Digitalisierung“, die nicht nur Grenzen, sondern vor allem gangbare Wege in die Zukunft aufzeigt, in einer Publikation und weiterführenden Diskursen präsentiert werden. n http://www.pfingstdialog-steiermark.at/ https://www.verwaltung.steiermark.at/ »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at
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Fotos: epd / Uschmann ÖSTERREICH J
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