ÖSTERREICH JOURNAL NR. 183 / 01. 04. 2019 Kultur 102 Richard Gerstls ausdrucksstarke, gestisch expressive Malerei, die in manchen Gemälden in eine Formauflösung mündete, macht ihn zum ersten Vertreter des österreichischen Expressionismus. Das Leopold Museum be - sitzt die weltweit größte Sammlung von Wer - ken des Künstlers und präsentiert Selbstbildnisse, Porträts und Landschaftsbilder. Eingebettet in den Kontext des österreichischen Ex pressionismus wird das Œuvre von Egon Schiele präsentiert. Mit 42 Gemälden und über 180 Arbeiten auf Papier sowie Autografen, Gedichten und Fotografien beherbergt das Leopold Museum den umfangreichsten und bedeutendsten Bestand an Werken des Künstlers. Kunst und Krieg – Pluralismus der Stile Im Erdgeschoß findet die Dauerpräsentation ihre Fortsetzung. Die Künstlergeneration um Egon Schiele erlebte den Krieg am Schlachtfeld mit. Viele von ihnen hatten sich von der allgemeinen Begeisterung anstecken lassen, ihre Euphorie wich allerdings rasch einer Ernüchterung oder wandelte sich sogar in eine erbitterte Kriegsgegnerschaft. Die Aus - stellung veranschaulicht dies mit zahlreiche Arbeiten, darunter Werke von Anton Hanak, Albin Egger-Lienz oder Anton Ko lig. Neue Sachlichkeit und Magischer Realismus Die Präsentation gibt einen umfangreichen Einblick in das erste Jahrzehnt der jungen Republik mit ihren gemäßigt expressionistischen oder neusachlichen Tendenzen. In - novative Impulse wurden in den 1920er-Jahren durch die wirtschaftliche Instabilität, die eine Etablierung autoritärer und faschistischer Ideen begünstigte, zunehmend verhindert. Ne ben Werken von Carry Hauser, Otto Ru - dolf Schatz, Josef Dobrowsky, Albert Birkle, Alfred Wickenburg, Josef Gassler, Viktor Planckh und Sergius Pauser, die zu den Hauptvertretern der Neuen Sachlichkeit in Österreich zählen, ist mit La Femme aux Ro - ses auch ein Werk von Greta Freist zu sehen. Diese hatte ihre Werke wiederholt in den Ausstellungen des Hagenbundes präsentiert. Der Magische Realismus zeichnet sich durch eine fantastisch-surreale Grundstimmung aus, wobei die dargestellten Szenerien oft schwermütig und bedrohlich wirken. In Ru - dolf Wackers Werken etwa wird die rationale Wirklichkeit mit einer von Geheimnissen, Träumen und Halluzinationen geprägten Welt verflochten. „Die fragile Demokratie taumelte dem Untergang entgegen. Mit der Ausschaltung Foto: Leopold Museum, Wien / Manfred Thumberger Greta Freist (1904–1993), La Femme aux Roses, 1937, Öl auf Leinwand, 58,5 × 46 cm, Leopold Privatsammlung »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at des Parlaments und der Einsetzung einer autoritären Regierung, dem Verbot der sozialdemokratischen Partei und der Installierung des austrofaschistischen Ständestaates wurde dem Nationalsozialismus ein fruchtbarer Nährboden bereitet. Manche bildenden KünstlerInnen wiesen bereits früh auf die drohende Gefahr hin. Andere stellten sich in den Dienst der Propaganda und wurden später überzeugte NSDAP-Mitglieder. Schließlich wurde eine Vielzahl jener Leitfiguren aus Kunst, Musik, Literatur und Wissenschaft, die substanziell an der Hochblüte der Wiener Moderne beteiligt waren, zur Emigration ge - zwungen oder ermordet“, so Hans-Peter Wipplinger. Ausgewählte Werke aus dem Bereich der Gedächtniskunst beleuchten diese fatale Entwicklung und bilden das unheilvoll-visionäre Ende der Ausstellung: Peter Weibels In - stallation Vertreibung der Vernunft thematisiert den kulturellen Exodus und die systematische Auslöschung der jüdischen Bevölkerung und zwei Arbeiten von Heimrad Bäkker verweisen auf die Totalität der nationalsozialistischen Tötungsmaschinerie. Katalog Zur Ausstellung erscheint im Juni 2019 ein umfassender Katalog, herausgegeben von Hans-Peter Wipplinger, mit Beiträgen von An - drea Amort, Bazon Brock, Heike Eipeldauer, Verena Gamper, Allan Janik, Stefan Kutzenberger, Diethard Leopold, Monika Meister, Therese Muxeneder, Burghart Schmidt, Ernst Ploil, Ivan Ristic, August Ruhs, Hans-Peter Wipplinger und Thomas Zaunschirm (560 Seiten, ca. 1000 Abbildungen, Deutsch/Englisch in getrennter Auflage, Verlag der Buchhandlung Walther König, € 49,90). n http://www.leopoldmuseum.org/ https://www.buchhandlung-walther-koenig.de/
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 183 / 01. 04. 2019 Kultur Arik Brauer Alle meine Künste 103 Das Jüdische Museum Wien feiert den 90. Geburtstag des Universalgenies Arik Brauer mit einer Ausstellung, die die verschiedenen Facetten seines Lebens und seiner Arbeit präsentiert. Von Danielle Spera *) Es gibt nur wenige österreichische Künstler, deren OEuvre so gut in das Jüdische Museum Wien paßt, wie jenes von Arik Brauer. Sein Werk ist ursächlich verknüpft mit der Wiener Geschichte, mit der jüdischen Geschichte Wiens und mit dem Judentum per se. Als jüdischer Gassenbub aus Ottakring überlebt er die Schoah, studiert an der Akademie, reist mit dem Fahrrad durch Europa, Afrika und Israel und erobert sich von Paris aus seinen Platz in der Kunstwelt. „Alle meine Künste“ ist exakt der passende Titel für die Arbeit von Arik Brauer. Dargestellt hat er alle seine Künste in einem Bild an der Fassade des Wohnhauses in Wien, in dem er seit Jahrzehnten mit seiner Frau und Muse Naomi lebt. Man kann Arik Brauer zu Recht als künstlerisches Universalgenie bezeichnen: Er ist Maler, Grafiker, Keramiker, Architekt, Musiker, Sänger, Tänzer, Komponist, Texter, Bühnenbildner und vieles andere mehr. Aufgewachsen ist er in den 1930er-Jahren in einem bescheidenen Elternhaus, in einer „Zimmer-Küche-Wohnung mit Klo am Gang“, wie Brauer es selbst beschreibt. „So wie eben damals die meisten Menschen gelebt haben. Aber wir haben nie Hunger gelitten.“ 1) Arik Brauers jüdischer Vater wird von den Nazis im KZ ermordet. Arik bleibt mit seiner Mutter und seiner Schwester in Wien und arbeitet als Tischlerlehrling für den „Ältestenrat“ der Kultusgemeinde. In einem Schrebergarten versteckt, erlebt er das Ende der Nazi-Diktatur und die Ankunft der sowjetischen Armee in Wien als Befreiung. Keine Frage also, daß Brauer, der von klein auf sozialdemokratisch sozialisiert wurde, sich unmittelbar der Freien Österreichischen Jugend anschließt, der Jugendorganisation der kommunistischen Partei. Dort treffen sich *) Dr. Danielle Spera ist seit Juli 2010 Direktorin des Jüdischen Mu - seums Wien – dieser Text stammt aus dem Ausstellungskatalog „Arik Brauer. Alle meine Künste“ 2019 1) Danielle Spera, Der Antisemitismus ist auch nicht mehr, was er einmal war. Interview mit Arik Brauer, in: NU 34 (12/2008), 6–14. © Brigitte Lüttge-Dauth Arik Brauer, um 1965 mein Vater, Kurt Spera, und Arik, die beide als jüdische Ottakringer Arbeiterbuben ein ähnliches Schicksal zu meistern hatten. Wäh - rend mein Vater sich als ideologischer Parteitheoretiker im Vordenken bewährt, ist Arik unter dem Spitznamen Singerl für Kunst, Kultur und Sozialleben aktiv. Er ist im Chor führend, zeichnet für die Parteizeitung der Jugend und organisiert sportliche Unternehmungen. Bald erkennt er aber, daß das nicht sein Weg ist und wendet sich vom Kommunismus ab. Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs beginnt Arik Brauer sein Stu- »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at
Ausg. Nr. 183 • 1. April 2019 Das
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Foto: BKA / Dragan Tatic ÖSTERREIC
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Foto: Büro LR Eichtinger / Josef B
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