ÖSTERREICH JOURNAL NR. 202 / 21. 03. 2022 eigenen Ansicht sind, herabzusetzen. Wir stehen alle unter Druck. Und trotzdem: Wir müssen an das Gute im anderen glauben. Und das Gute im anderen, das gibt es. Das ist keine bloße Behauptung, das sehen wir ja jeden Tag. Menschen, die anderen selbstlos und bedingungslos helfen. Menschen, besonders die in Gesundheitsberufen, die seit langer, langer Zeit an und über ihrem Limit sind und jetzt auch noch dafür attackiert werden, daß sie für andere da sind. Wir sollten uns an dieser Hingabe ein Beispiel nehmen. Wir müssen uns umeinander kümmern. Denn wir alle gemeinsam sind Österreich. Wir brauchen einander. Wir bedingen einander. Und eine große Mehrheit übernimmt diese gegenseitige Verantwortung, indem sie sich und andere schützt. Meine Damen und Herren, Es geht nicht darum immer einer Meinung zu sein. Nein, im Gegenteil, es muß sehr viele, teils gegensätzliche Meinungen geben. Aber trotzdem: Wir müssen wieder mehr ins Gespräch kommen. Wie kommen wir wieder ins Gespräch? Wir begegnen uns ja kaum noch im öffentlichen Raum. Und online treffen wir meistens ja nur die, die ohnehin unsere Meinung teilen. Gegenseitig bestärkt haben wir uns da genug. Jetzt geht es darum, jede Gelegenheit zum respektvollen Gespräch zu nutzen. In der Bahn, am Arbeitsplatz, in der Familie, wo auch immer. Es geht darum, wieder zu lernen, eine andere Meinung zu hören, zuzulassen und ein Argument dagegen oder dafür zu finden. Und irgendwann zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Und wenn sie auch nur in urösterreichischer Manier lautet: Wir beide sind uns zwar nicht einig, aber ich mag dich trotzdem. Trotz allem. Liebe Österreicherinnen und Österreicher und alle die hier leben, irgendwann – ich wage keine Prognose wann – werden wir gemeinsam wieder zurückblicken auf die Zeit der Pandemie. Sie wird hinter uns liegen. Und wir werden sagen: Gut, daß wir un sere Entspanntheit wiedergefunden ha - ben. Und unseren Mut und unsere Zuversicht nie verloren haben. Gut, daß wir einander noch in die Augen schauen können. Und dann widmen wir uns alle mit vereinten Kräften den vielen Herausforderungen, die vor uns liegen. Ich wünsche Ihnen und uns allen gemeinsam ein großartiges Jahr 2022. n https://www.bundespraesident.at/ Foto: Peter Lechner / HBF Innenpolitik Eröffnung des Klimarates der Bürgerinnen und Bürger Bundespräsident Alexander Van der Bellen (m.) und Umweltministerin Leonore Gewessler (links von ihm) mit Mitgliedern des zuvor eröffneten „Klimarates der Bürgerinnen und Bürger“ »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at 88 In einem Wiener Hotel hat am 15. Jänner der „Klimarat der Bürgerinnen und Bürger“ begonnen. Er wurde als Reaktion auf das Klimavolksbegehren initiiert. 100 per Zu - fallsprinzip ausgewählte Menschen trafen sich dabei sechs Wochenenden lang alternierend in Wien und in Salzburg, um als „Mini- Österreich“ umweltpolitische Zukunftsfragen zu besprechen und Empfehlungen an die Po - litik abzugeben. Zum Auftakt richteten Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Umweltministerin Leonore Gewessler Begrüßungsworte an die anwesenden Ratsmitglieder. Anschliessend erhielten die TeilnehmerInnen eine Einführung in die Abläufe, danach begann der interne Teil. Die BürgerInnen diskutierten und berieten sich in Gruppen, wobei sie nicht gänzlich auf sich allein gestellt waren: Unterstützung bekamen sie von einem 15köpfigen Wissenschaftergremium, einer Sozialpartner-, einer Umwelt-NGO-Gruppe und einem Moderato - renteam. „Ich bin sehr gespannt, wie das ausgeht. Das ist ein Experiment für Österreich“, zeigte sich Bundespräsident Van der Bellen in seiner Rede erwartungsfroh. Der Klimarat, so hob er hervor, würde sich einem zentralen Thema der nächsten Jahrzehnte widmen. Zwar sei man aktuell mit „Corona und seinen Mutanten“ beschäftigt: „Aber deswegen schläft die Klimakrise nicht und wir dürfen das auch nicht tun.“ Er selbst werde die ärgsten Auswirkungen wohl nicht mehr erleben, konstatierte der Bundespräsident. Wenn man über Maßnahmen nachdenke, tue man dies für „unsere Kinder, Enkel und Urenkel“. Er stellte fest, daß der Klimarat einen Querschnitt der Be - völkerung repräsentiere. „Sie sind sowas wie ein kleines Österreich.“ Die Resultate des Gremiums zu „schubladisieren“, werde nicht möglich sein, versicherte er. Denn es handle sich nicht um „ir - gendeine kleine Diskussionsgruppe“. „Nützen Sie die Chance, ist meine Bitte. Sie nehmen an etwas Neuem teil, machen Sie etwas daraus.“ „Wir müssen die Emission von Treibhausgasen reduzieren und zwar drastisch und rasch“, hielt er fest. Einfach seien die Lösungen dabei nicht. ExpertInnen hätten ihm etwa erläutert, daß das Stromnetz zu - sam menbrechen würde, wenn man sofort auf Elektroautos umstelle. Auch auf inter na - tiona le Beispiele verwies er – etwa auf den pazifischen Inselstaat Kiribati, dem der Un - tergang durch steigenden Meeresspiegel drohe. Klimarat als Forderung des Klimavolksbegehrens Geburtsstunde des Klimarats war das Klimavolksbegehren im Juni 2020, das von fast 400.000 Menschen unterstützt wurde. Eine der Kernforderungen: die österreichische Be völkerung aktiv bei Klimaschutzmaßnahmen mitbestimmen zu lassen. Im März 2021 hat der Nationalrat die Bundesregierung er - sucht, die Forderungen des Klimavolksbegehrens umzusetzen – und der Klimarat wur - de beschlossen. n https://klimarat.org/
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 202 / 21. 03. 2022 Innenpolitik Nationale Strategie gegen Antisemitismus Bundesministerin Karoline Edtstadler: »Kampf gegen Antisemitismus hat leider nichts an Aktualität verloren« Foto: BKA / Florian Schrötter Bundesministerin Karoline Edtstadler und IKG-Präsident Oskar Deutsch bei der Präsentation »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at 89 Leider hat der Kampf gegen Antisemitismus nichts an Aktualität verloren. Wir sehen antisemitische Vorfälle in der Mitte unserer Gesellschaft, mitten auf den Straßen. Wir sehen Menschen, die den Corona-Impfstoff mit dem Vernichtungsstoff Zyklon B vergleichen und Plakate, die wir bisher nur aus Geschichtsbüchern kennen“, hielt Verfassungsministerin Karoline Edtstadler am 31. Jänner bei der Präsentation des „Ersten Umsetzungsberichts der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus“ fest, die sie gemeinsam mit Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), im Bundeskanzleramt abhielt. „All das passiert im Jahr 2022 mitten in Österreich. Und es gibt Politikerinnen und Politiker, die sich nicht von der Verharmlosung der Shoah distanzieren und sich auf die Freiheit der Meinungsäußerung herausreden. Ich finde das be schämend. Das ist eines Landes wie Österreich unwürdig. Umso mehr ist es für uns ein Ansporn, weiter alle Kräfte zu bündeln, um gegen Antisemitismus anzukämpfen und für eine Vision einzutreten: eine Vision von einer Gesellschaft, die frei von Haß, Extremismus und Antisemitismus ist.“ In der Vergangenheit wurden wichtige Schritte gesetzt: So sei im Jahr 2016 auf EU- Ebene die IHRA-Definition zu Antisemitis - mus angenommen worden, die das österreichische Parlament ein Jahr später übernommen habe. Danach seien, auch unter der österreichischen Ratspräsidentschaft, weitere wichtige Fortschritte erzielt worden, so etwa die Verpflichtung aller Mitgliedstaaten, einen besseren Schutz der jüdischen Bevölkerung zu etablieren und nationale Strategien gegen Antisemitismus auf den Weg zu bringen. Schließlich sei der Entschluß gefaßt worden, den Kampf gegen Antisemitismus als Querschnittsmaterie in allen Rechtsbereichen der EU voranzutreiben. „Österreich ist Vorreiter in Europa, was den Kampf gegen Antisemitismus betrifft“, so Edtstadler. „Der Kampf gegen Antisemitismus ist kein Sprint, er ist ein Marathon. Je früher wir mit der Präventionsarbeit beginnen, desto bes ser kann sie wirken. Je mehr wir machen, desto nachhaltiger“, so die Verfassungsministerin, die erläuterte, daß alle vorgeschlagenen Maßnahmen stets auf Aktualität und Wirksamkeit überprüft werden. Von den 38 Maßnahmen der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus seien bereits neun umgesetzt worden, alle anderen befänden sich in der Umsetzung. Als Beispiele nannte Edtstadler das Österreichisch-Jüdische-Kulturerbegesetz, das pro Jahr 4 Millionen Euro für den Schutz und die Förderung jüdischen Lebens vorsieht, den Ausbau von Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen für den Bereich Sicherheit, Justiz und Bundesheer oder das Flagging von Strafanzeigen, um antisemitische Motive erfassen zu können. „Mit unserer nationalen Strategie ist der Fokus auf dieses sehr sensible und wesentliche Thema gerichtet“, betonte Edtstadler, die auf weitere Meilensteine, wie die Errichtung der Namensmauern Gedenkstätte im Ostarrichipark und die erstmalige Ausschreibung des Simon-Wiesental-Preises erinnerte. Im Laufe des Jahres 2022 wolle sie vor allem verstärkt die Zivilgesellschaft einbinden und mit den Städten, Gemeinden und Län dern verstärkt zusammenarbeiten. Wei - ters sei eine Konferenz mit allen europäischen Antisemitismusbeauftragten in Wien geplant, um Lösungsansätze zu diskutieren. „Ich weiß, wir haben noch sehr viel zu tun. Ich weiß aber auch, daß wir durch die gut etablierte Zusammenarbeit mit der Israelitischen Kultusgemeinde und mit der Stabstelle für jüdisches Kulturerbe im Bundeskanzleramt gestärkt sind. Wenn wir die Ar - beit so engagiert fortsetzen, wie das im ersten Jahr der Umsetzung begonnen hat, dann kön - nen wir auch in diesem sehr schweren Kampf vieles erreichen“, so Edtstadler. Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch, betonte in seinem Statement, daß die Ziele und Maßnahmen der Nationalen Strategie „wegweisend“ im Kampf gegen Antisemitismus seien, „nicht nur in Österreich, sondern europaweit“. Deutsch dankte der Verfassungsministerin, daß sie dafür Ideen- und Impulsgeberin war. „Es gibt kein anderes Land in der EU und keine andere Regierung, die ein so umfassendes und ressortübergreifendes Maß - nahmenpaket geschnürt hat“, zeigte sich der IKG-Präsident erfreut. Die Strategie und ihre Maßnahmen seien ein Anfang zur effektiven Bekämpfung von Antisemitismus. „Sie ist der Beginn eines lan gen, steinigen Weges.“ Die Entwicklungen in der letzten Zeit und der Anstieg an antisemitischen Vorfällen, vor allem im Kon - text der Anti-Corona-Demonstrationen und des Nahost-Konflikts, hätten gezeigt, daß es noch viel zu tun gebe. Die Umsetzung der Strategie und die Bekämpfung von Antisemitismus kön nen nur gemeinsam gelingen, so Deutsch. n https://www.bundeskanzleramt.gv.at/ https://www.ikg-wien.at/
Ausg. Nr. 202 • 21. März 2022 Da
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Foto: Universalmuseum Joanneum / J.
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