ÖSTERREICH JOURNAL NR. 200 / 15. 10. 2021 Österreich, Europa und die Welt 38 Foto: BMEIA / Gruber Wir waren immer dort, wo man uns gebraucht hat: bei den Repatriierungsflügen in den Anfangszeiten der Pandemie, beim Heranschaffen medizinischer Güter, bei der Impfstoff-Hilfe für den Westbalkan und an - dere Partnerländer, oder zuletzt bei den Evakuierungen aus Afghanistan. Immer als erste, oft auch als einzige. – Dafür ein ganz großes Danke euch allen für euren Einsatz! Aber diese Herausforderungen haben uns auch geholfen. Niemand traut sich heute öf - fentlich in Frage zu stellen, daß es ein schlag - kräftiges Außenministerium mit einem weltweiten Vertretungsnetz braucht. Wie ich wiederholt im Parlament und in der Öffentlichkeit gesagt habe, hat diese Krise bewiesen, daß unsere Vertretungen kein Luxus sind, sondern eine Lebensversicherung für viele unserer Landsleute, wenn es hart auf hart kommt. Die Corona-Pandemie hat neuerlich mehr als deutlich gemacht, daß Österreich es sich einfach nicht erlauben kann, auf ein eigenes starkes internationales rot-weißrotes-Netzwerk zu verzichten! Eure umfassenden Berichte über die Covid-Maßnahmen in euren Empfangsstaaten und deren wirtschaftlichen und sozialen Comeback-Pläne waren und sind auch weiterhin wichtige Entscheidungsgrundlage für viele heimische Ressorts. Ihr seid die Augen und Ohren der Republik im Ausland. Nun geht es aber darum nach vorne zu blicken. Letztes Jahr haben wir den Österreichern im Ausland geholfen, ihnen konsularischen Schutz gegeben und dafür gesorgt, daß sie sicher nach Hause kommen. Jetzt geht es dar - um, den Österreichern im Inland zu helfen, damit sie ihren Arbeitsplatz behalten können. Außenminister Alexander Schallenberg bei seiner Eröffnungsrede vor der Botschaftrerkonferenz Mit seiner starken Exportwirtschaft hat Österreich beste Voraussetzungen, schneller und besser aus der Pandemie herauszukommen. Aber die Konkurrenz schläft nicht. Und viele Parameter haben sich in den vergangenen Monaten verschoben. In der Geopolitik ebenso wie in der Weltwirtschaft. Wir im Außenministerium müssen deshalb unsere Netzwerke und unser Know-how verstärkt in die Dienste der heimischen Wirtschaft stellen. Wir haben bewiesen, daß unser Vertretungsnetz in einer konsularischen Krise keine Luxuseinrichtung ist. Jetzt gilt es sichtbar zu machen, daß un - ser Vertretungsnetz ein wesentlicher Unterstützungsfaktor für unsere Exportwirtschaft ist. Morgen geben wir gemeinsam mit dem Bundeskanzler, der Wirtschaftskammer und dem Wirtschaftsministerium den Startschuß für ReFocus Austria. Wir starten damit den größten Business Outreach, den Österreich bisher gesehen hat. Mit dieser Kampagne wollen wir die Leistungsfähigkeit, die Innovationskraft und die Stärke der österreichischen Wirtschaft weltweit noch stärker ins Rampenlicht rücken. Bis Ende Juni 2022 werden unter einem Logo und einem Branding von Buenos Aires bis Peking, von Pretoria bis Ottawa maßgeschneiderte Veranstaltungen stattfinden, um die österreichische Exportwirtschaft zu unterstützen, nach der Covid-19 Pandemie wieder durchstarten zu können. Das Signal, das wir international aussenden wollen, ist: We are back in business! Selbstverständlich werden wir dabei als Team Austria engstens mit der Wirtschaftskammer, der Österreich Werbung und anderen Bundesministerien zusammenarbeiten. »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at Aber wir sollen und müssen mit den über 100 Auslandsvertretungen in der ganzen Welt die Träger und das Herz dieser Kampagne sein. Ich will, daß jedem in Österreich klar wird: m Wir im Außenministerium können nicht nur Politik, m wir können nicht nur Konsularisches – m wir können auch Wirtschaft! Ihr mit euren Kontakten in Wirtschaft, Politik, Medien und Kultur müsst die Türöffner und Plattform-Schaffer für unsere Wirtschaft im Ausland sein. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Auch in der Diplomatie hat die Pandemie massive Spuren hinterlassen. Zuerst das Positive. Die Krise hat uns in der Nachbarschaft enger zusammenrücken lassen. Wir haben einen Ring an tragfähigen Partnerschaften um uns herum aufgebaut – besonders zu unseren Slavkov- und C-5- Nachbarn. Wir haben diese Formate neu entwickelt beziehungsweise neu belebt. Und es vergeht kaum ein Monat, ohne daß wir uns in diesen Nachbarschaftsformaten virtuell oder physisch treffen oder telefonisch absprechen. Wir konnten die Krise aber auch nützen, um das Standing am Westbalkan zu stärken. Daß wir zu Beginn des Jahres vom Team Europe gebeten wurden, die EU-Impfhilfe für den Westbalkan zu koordinieren, war sehr ehrenvoll, zeigt aber auch wie stark unser Renommee auch aus Brüsseler Sicht in Südosteuropa ist. Das Projekt war wahrlich kein Selbstläufer und hat uns vor eine Fülle juris-
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 200 / 15. 10. 2021 Österreich, Europa und die Welt 39 tischer und logistischer Herausforderungen gestellt. Aber uns ist es als ersten EU-Mitgliedstaaten überhaupt gelungen, im Mai im Rahmen des EU vaccine sharing mechanism eine namhafte Anzahl an Impfdosen von Biontech-Pfizer in Sarajewo und in der Fol - ge in allen anderen Westbalkan-Staaten zu übergeben. Das hat uns nicht nur in den Westbalkan-6, sondern auch in Brüssel viel positive Beachtung eingebracht. Ich will da - her an dieser Stelle all jenen im Haus danken, die durch ihren Einsatz diesen soft po - wer Erfolg möglich gemacht haben. Wir haben damit bewiesen, daß Österreich gerade auch in Krisenzeiten ein verlässlicher Partner ist. Das hat auch der Gipfel des Bundeskanzlers mit allen Westbalkan-Staaten im Juni nochmals unterstrichen. Das juristische und logistische Knowhow, das wir uns dafür mühsam aneignen mußten, können wir jetzt gut nutzen, wenn wir bilateral Staaten mit Impfdosen aushelfen: Unter anderem für Bosnien-Herzegowina und der Ukraine (je 500.000) über Georgien und Tunesien, und noch heute hebt ein Flieger in den Iran ab, dem wir 1 Mio. Impfdosen zur Verfügung stellen. Aber unsere Kooperation mit unseren Freunden am Westbalkan beschränkt sich natürlich nicht auf die Hilfe bei der Beschaffung von Impfstoff und generell bei der Bekämpfung der Pandemie. Wir müssen vielmehr aktiv dagegen ankämpfen, daß es zu einer anhaltenden Balkan-Stagnation innerhalb der EU kommt. 2020 war ein verlorenes Jahr für den Weg des Westbalkans in die EU. Und es ist nicht ausgeschlossen, daß auch 2021 ohne größere Durchbrüche ins Land zieht. Das können wir schon aus Eigeninteresse nicht einfach so hinnehmen. Und wir müssen uns gegenüber Südosteu - ropa von der Fixation auf die Erweiterung lösen. Der Westbalkan ist viel mehr als nur die Beitrittsverhandlungen und das Schließen und Öffnen von Kapiteln. Wir machen oft den Fehler, den Erweite - rungsprozeß allzu sehr als legalistischen, bürokratischen, ja fast buchhalterischen Pro zeß zu sehen. Dabei geht es – wie schon bei den Er - weiterungen um Griechenland 1981, Spanien und Portugal 1986 oder die Osterweiterungen seit 2004 – um den Export und die Verankerung unseres demokratischen pluralistischen Lebensmodells. Wir müssen daher auch in den anderen EU-Hauptstädten klarmachen, daß es hier Foto: BKA / Dragan Tatic Bundeskanzler Sebastian Kurz (r.) mahm am 7. September an der Botschafterkonferenz 2021 teil – hier im Bild mit Außenminister Alexander Schallenberg. um eine eminente geostrategische Aufgabe für die EU geht. Entweder es gelingt uns, unser Lebensmodell nachhaltig am Balkan – in unserer unmittelbaren Nachbarschaft – zu verankern, oder wir werden dort eines Tages mit alternativen Konzepten konfrontiert sein, die nicht in unserem Interesse sind. Vor diesem Hintergrund bin ich daher überzeugt, daß wir auch in der Balkan-Politik eine stark und verläßliche transatlantische Dimension brauchen. Ich habe daher vorgeschlagen, daß wir nicht nur unsere massiven Finanzhilfen – allein das Corona- Hilfspaket umfaßt 3,3 Mrd. Euro – stärker mit unseren amerikanischen Partnern akkordieren, sondern daß wir die USA auch im Berlin-Prozeß an den Tisch holen, als geostrategische Aufgabe des Westens. Der Westbalkan sollte eines jener Themen sein, durch das wir unser Verhältnis zu den USA auf unseren gemeinsamen Werten basierend weiter stärken und mit konkreten Projekten füllen. Die vergangenen eineinhalb Jahre haben aber auch gezeigt, daß Corona als Brandbeschleuniger internationaler Krisenherde gewirkt hat. Es brennt an allen Ecken und Enden rund um Europa. Die Krisen-Landkarte zeigt einen Feuerring um uns – von der Westsahara über Li - byen und das Horn von Afrika, Syrien, Libanon und Berg-Karabach bis nach Belarus. Und jetzt natürlich Afghanistan, das derzeit zurecht im Epizentrum der internationalen Aufmerksamkeit steht. »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at Wir alle beobachten die rasante Entwick - lung mit einer Mischung aus Unglauben und Bestürzung. Daß sich 20 Jahre internationales Engagement scheinbar über Nacht in Luft aufzulösen scheinen, ist zutiefst verunsichernd. Die relevanteste Frage ist: Was können, ja was müssen wir tun? Die Antwort ist aus meiner Sicht klar: Erstens: Wir müssen helfen – und zwar dort wo die Hilfe am dringendsten benötigt wird – nämlich vor Ort in Afghanistan und in der Region. Wir haben daher mit 18 Mio. Euro das größte Sofort-Hilfspaket in der 2. Republik aufgestellt und unterstützen aktiv die Schaffung eines Afghanistan-Compacts für die Nachbarn, die drohen im Strudel der Ereignisse mitgerissen zu werden. Und zweitens: Wir müssen klare rules of engagement mit den neuen Machthabern in Kabul aufstellen. Wir werden nicht umhinkommen, pragmatisch mit den neuen Realitäten in Afghanistan umzugehen. Zugleich dürfen wir aber unsere Werte nicht verleugnen oder den Taliban einen Blankoscheck ausstellen. Beim informellen Außenministertreffen letzte Woche in Brdo haben wir uns daher auf eine klare gemeinsame Marschrichtung geeinigt und Mindestvoraussetzungen definiert, die erfüllt sein müssen, bevor wir die Taliban als legitime Führung des Landes ak - zeptieren. Die zweitrelevanteste Frage lautet aber: Was sollen wir nicht tun? Wir dürfen uns jetzt nicht auseinanderdividieren lassen. Wir dürfen nicht den Fehler
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Foto: Sandro Zanzinger / Belvedere,
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