ÖSTERREICH JOURNAL NR. 191 / 11. 03. 2020 Österreich, Europa und die Welt 10 Dann ist Auschwitz auch ihnen anvertraut“, lautete die Schlußfolgerung Keils. Schlußworte von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka In den Schlußworten zur Veranstaltung bekräftige Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka noch einmal das Bekenntnis zur Verantwortung Österreichs für seine Vergangenheit. Bei allem Suchen nach Erklärungen und allen Versuchen der Analyse, wie es dazu kommen konnte, bleibe das Geschehene letztlich unbegreiflich. Nach einem Besuch an den ehemaligen Orten des Grauens wie etwa der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau bleibe vor allem Sprachlosigkeit und, für einen nachgeborenen Österreicher, wie er es sei, ein Gefühl der tiefen Scham zurück, sagte Sobotka. Beim Besuch der Gedenkstätte sei ihm erst so richtig bewußt geworden, daß die Gleise, die an der Rampe von Birkenau enden, auch einen Ausgangspunkt haben: nämlich direkt in un - seren Städten, überall in Europa. Das Erinnern lebendig zu halten bleibe eine unerläßliche Aufgabe, hob der Nationalratspräsident hervor. Es gelte, sich aus der eigenen Geschichte nicht wegzustehlen, sondern sich ihr zu stellen. Für Österreich be - deutet das laut Sobotka, sich besonders dem Antisemitismus entgegenzustellen, in welchen Formen er auch auftreten mag. Dieser sei, wie man leider feststellen müsse, heute kein Randphänomen mehr, sondern in der Mitte der Gesellschaft angekommen, nicht zuletzt durch das Internet, das es leichtmache, Haß weiter zu verbreiten. Daher gelte es, der Ausbreitung antisemitischer Einstellungen entschieden entgegenzutreten. Ob JüdInnen sich sicher fühlen oder ob sie be - reits an Auswanderung denken, sei ein Indikator für den demokratischen Zustand in Ös - terreich und Europa. Erinnerung sei jedoch nicht nur eine Aufgabe der Politik oder von mit der Erforschung der Zeitgeschichte befaßten Fachleuten. Sie sei ein gesamtgesellschaftliches An - liegen. „Gedenken hat nur dann Sinn, wenn es zu Handlungen im Alltag führt, wenn es im Alltag angekommen ist“, unterstrich So - botka. Die Republik Österreich nehme diesen Handlungsauftrag mit dem Nationalfonds wahr, der vor 25 Jahren eingerichtet wurde. Er habe sich zur Aufgabe gemacht, so gut es nur geht, zumindest einen kleinen Teil des Unrechts der NS-Zeit wiedergutzumachen. Die se Aufgabe sei noch immer nicht zu Ende. Fotos: Parlamentsdirektion / Thomas Jantzen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka Untermalt wurde der Gedenkakt mit Musik aus dem Konzentrationslager Theresienstadt Eine wichtige Aufgabe übernehme der Nationalfonds mit der Neugestaltung der Österreich-Ausstellung an der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. Diese soll 2021 wieder - eröffnet werden und habe das Ziel, das historische Bild zurechtzurücken. Neben der Darstellung der Geschichte der österreichischen Opfer des KZ wird auch darauf hingewiesen, daß viele ÖsterreicherInnen damals auf der Täterseite zu finden waren. Musik aus dem Konzentrationslager Theresienstadt Über das Schicksal der vier Komponisten, deren Werke den Abend musikalisch um - rahmten, sprach Robert Ziegler, Moderator des Abends, mit Gerold Gruber, dem Leiter des Forschungszentrum exil.arte. Viktor Ullmann, Hans Krása, Gideon Klein und Pavel Haas wurden zuerst in Theresienstadt gefangen gehalten und dann nach Auschwitz de - portiert und dort oder in einem der Nebenlager ermordet. Die Werke, die bei der Ge denk - veranstaltung erklangen, sind während ihrer Zeit im Konzentrationslager Theresienstadt ent standen. Das Zentrum exil.arte hat sich zur Aufgabe gemacht, die vergessenen und verschollenen Werke von verfolgten, exi lier - ten und ermordeten KomponistInnen wie der - zuentdecken und zum Erklingen zu bringen. Bundeskanzler Sebastian Kurz „Nach 75 Jahren ist es wichtiger denn je, den über sechs Millionen jüdischen Opfern des Holocaust zu gedenken und weiter gegen alle Formen des Antisemitismus sowie Antizionismus anzukämpfen! Unser Ziel muß sein, daß Jüdinnen und Juden in Österreich und auf der ganzen Welt sicher leben können. Zugleich gedenken wir heute auch allen an - deren Opfern des NS-Regimes“, so Bundeskanzler Sebastian Kurz. „Wir müssen aus den Gräueltaten der Shoah die richtigen Konsequenzen für die Gegenwart und Zukunft ziehen und uns der Geschichte ehrlich und vorbehaltlos stellen. Für Antisemitismus, Rassismus und Hetze darf es niemals Platz in unserer Gesellschaft geben. International bemerkt man in den letz - ten Jahren wieder einen markanten Anstieg des Antisemitismus. Dieser nimmt verschiedene Formen an bis hin zu Boykott- und Sanktionsaufrufen gegen Israel, die absolut inakzeptabel sind. Es ist unsere Pflicht, diesen Tendenzen im In- und Ausland entschieden entgegenzutreten", so Sebastian Kurz abschließend. n https://www.parlament.gv.at/ https://www.nationalfonds.org/ https://www.bundeskanzleramt.gv.at Quelle: Parlamentskorrepsondenz, Bundeskanzleramt »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 191 / 11. 03. 2020 Österreich, Europa und die Welt Holocaust-Gedenktag in Linz Berührendes Zeitzeugeninterview bei einer Gedenkstunde der Österreichischen Freunde von Yad Vashem und der Stadt Linz mit dem Überlebenden der NS-Zeit, Univ.-Doz. Harry Merl 11 Foto: FoYV-Austria Nach der Gedenkstunde in Linz (v.l.): Landtags-Abgeordneter Severin Mayr, Pascal Merl, Landtagspräsidentin Gerda Weichsler-Hauer, Harry Merl, Vize-Bürgermeisterin Karin Hörzing, Honorar-Konsul Christian Hofer, Gemeinderat Martin Hajart, FoYV-Generalsekretärin Ulrike Schuster, Bischof Manfred Scheuer, IKG-Vertreterin Anna Mitgutsch, FoYV-Vorsitzender Günther Schuster und Bischof Maximilian Aichern Der renommierte Psychiater und Begründer der systemischen Familientherapie in Österreich, Univ.-Doz. Harry Merl, sprach am 27. Jänner 2020 im Alten Linzer Rathaus über seine Kindheit als jüdisches „U-Boot“ während der NS-Zeit. Auf Einladung der Ös - terreichischen Freunde von Yad Vashem und der Stadt Linz waren 135 Gäste zur Ge denk - stunde ins Pressezentrum gekommen, wo Harry Merl seinem Enkel Pascal ein be we - gendes Interview gab. Der weitum be kannte Experte scheute sich nicht, das Publikum in sein Herz blicken zu lassen. Seine Schilderungen des erlebten Grauens hinterließen bei seinen Zuhörern bleibenden Eindruck. Nach der Begrüßung zahlreicher Ehrengäste – unter ihnen Landtags-Präsidentin Gerda Weichsler-Hauer, die Bischöfe Manfred Scheuer und Maximilian Aichern, die Vertreterin der IKG, Anna Mitgutsch, mehrere PolitikerInnen, BildungsexpertInnen und VertreterInnen von Wirtschaft, Kunst und Kultur – hob der Vorsitzende des Freundeskreises, Günther Schuster, hervor, daß dieser Tag der Erinnerung Anlaß sei, Wahrheit und Gerechtigkeit im eigenen Handeln zu überprüfen und eine entsprechende Haltung einzunehmen. Die Lebensgeschichten von Überlebenden der Nazidiktatur würden dabei helfen, den richtigen Blick zu wahren. Die Linzer Vizebürgermeisterin Karin Hörzing bezeichnete es als unverständlich, daß es immer noch Menschen gebe, die die Gräuel des Holocaust und die Menschenvernichtung der Nationalsozialisten leugnen. Sie zitierte eine junge Deutsche, die bei einer Be - fragung meinte, sie sehe sich nicht als Schuldige am Holocaust, aber sie würde sich in Zukunft als Täterin fühlen, wenn sie nicht be - ständig mahnen würde, daß so etwas nie wieder passieren dürfe. Im anschließenden Interview mit seinem Enkel Pascal berichtete Harry Merl zunächst über seine Kindheit in Wien. Nach dem „An - schluß“ mußten seine jüdischen Eltern Zwangsarbeit verrichten. Er habe als Vierjähriger tagsüber oft bis zu 14 Stunden lang alleine in der Wohnung bleiben müssen. Sichtlich bewegt sprach er von Bildern, die er nie vergessen könne: Von seinem weinenden Vater, als die Großeltern deportiert wurden; von einer Kindheitsfreundin, die plötzlich nicht mehr wiederkehrte, weil sie in den Tod geschickt worden war. Später, als er das Schulalter erreicht hatte, habe er als jüdisches Kind keinen Unterricht besuchen dürfen. Ein Halt in jener Zeit sei das Buch „Dr. Doolittle und seine Tiere“ gewesen – sein be stes Lehrbuch, wie Harry Merl heute sagt. »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at Es habe in ihm den tiefen Wunsch geweckt, so ein Helfer ohne Vorbehalte zu werden wie der Protagonist des Buches. Doch noch wa - ren die Schrecken der NS-Herrschaft nicht ausgestanden. Die Familie erfuhr, daß die SS sie abholen und deportieren wollte, konnte sich aber rechtzeitig absetzten und monatelang in einem Kohlenkeller verstecken. Schließlich wurden die Merls von der Roten Armee befreit. Die Körper ermordeter Juden auf den Straßen, die zu einem Haufen aufgetürmt waren, brannten sich tief in die Erinnerung des Elfjährigen ein. Harry Merls weiterer Lebensweg war geprägt von seinem Motto, daß es auch eine Auferstehung in diesem Leben gebe: Ein Aufstehen und Weitergehen auch nach schlimmsten Schicksalsschlägen. Bis heute steht der renommierte Psychiater und Therapeut im Dienst der Men - schen. Er, der mit knapper Not überlebte, hilft als 85jähriger auch heute noch schwer traumatisierten Opfern zurück in ein selbstbestimmtes Leben. Die Gedenkstunde wurde musikalisch virtuos umrahmt von Mirjam Vesthi-Arthofer an der Querflöte und ihrem Mann Besmir Veshti am Piano. Der Abend fand bei vielen nachdenklichen und angeregten Gesprächen einen späten Ausklang. n http://yad-vashem.net/
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Foto: Andreas Marent / www.marent.i
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