ÖSTERREICH JOURNAL NR. 184 / 06. 05. 2019 Wissenschaft & Technik Mit Quantenphysik Gletscher datieren 100 Gletschereis mit Atomfallen datiert – Präzisere Ergebnisse mit weniger Eis Foto: ÖAW / IGF / Martin Stocker-Waldhuber Der Schaufelferner im Herbst 2016. Die Eishöhle befindet sich unter der Abdeckung (weisse Fläche) nahe der Seilbahnstation in Bildmitte. Um Gletschereis aus der Kleinen Eiszeit nun in Zusammenarbeit mit den Physikern präzise datieren zu können, entwickelten ForscherInnen der Österreichischen Aka- von der Universität Heidelberg eine Pilotstu- Markus Oberthaler und Werner Aeschbach demie der Wissenschaften (ÖAW) und der die mit Eis vom Schaufelferner in den Stubaier Alpen durchgeführt, die eine deutlich Universität Heidelberg eine neue Meßmethode, die auf quantenphysikalischen Techniken basiert. Nun wurde diese erfolgreich möglicht als bisher. Zudem ist die neue Me - präzisere Datierung des Gletschereises er - in den Ostalpen getestet. Die Methode soll thode praxistauglicher: Für die Altersbestimmung reichen rund fünf Kilogramm Eis, bis helfen, regionale Klimaänderungen besser zu verstehen, wie die ForscherInnen in der dato waren mehrere Tonnen notwendig. Fachzeitschrift PNAS schreiben. Gletschereis ist wie ein riesiges Klimaarchiv. Durch die Bestimmung seiner Beschaf- Die Studie basiert auf der sogenannten Gletschereis mit Atomfallen datiert fenheit und seines Alters können ForscherInnen mehr über Klimaveränderungen und Um - gon-39, die an der Universität Heidelberg Atomfallenmethode zur Messung von Ar - weltbedingungen in vergangenen Jahrhunderten, aber auch über zukünftige Entwick - unteren Rand des Schaufelferners, etwa Bild links: Die Eishöhle befindet sich am lungen herausfinden. 20 m von der Oberfläche entfernt. So ist Die GlaziologInnen Andrea Fischer und gesichert, daß die beprobten Strukturen bei etwa 0 Grad auch noch Jahre später wieder Pascal Bohleber vom Institut für interdisziplinäre Gebirgsforschung der ÖAW haben für neue Untersuchungen besucht werden können. Foto: ÖAW / IGF / Andrea Fischer »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 184 / 06. 05. 2019 Wissenschaft & Technik 101 entwickelt worden ist, und nun erstmals auch im Gletschereis eingesetzt wurde. Die Messungen führte Zhongyi Feng, Quantenphysiker und Erstautor der Studie, mit dem Eis aus den Ostalpen in Heidelberg durch. Die Ergebnisse, die einen Durchbruch in der Eisdatierung im Altersbereich der letzten 1.000 Jahre und einen Startschuß für künftige Forschungen darstellen, sind nun im US-Fachjournal PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences) erschienen. Schon jetzt wird die Methode der Atomfalle zur Datierung von älterem Eis der An - tarktis (mittels Krypton-81-Isotopen) und zur Datierung von Grundwasser (mittels Argon-39) eingesetzt. Argon ist ein radioaktives Edelgas und Spurenelement in unserer Umgebungsluft, dessen Isotop Argon-39 mit einer Halbwertszeit von 269 Jahren zerfällt. Weil Argon allerdings extrem selten vorkommt, sind in einem Kilogramm Eis typischerweise nur einige tausend bis zehntausend Atome Argon-39 enthalten. Für Messungen basierend auf dem radioaktiven Zerfall war daher bisher die Extraktion von Ar - gon aus Tonnen von Eis notwendig – weit jen seits einer realistischen Anwendung auf einem Gebirgsgletscher. Damit reichen ein paar Kilogramm Eis zur Altersbestimmung aus, gleichzeitig sind die Ergebnisse exakter als früher: Gletschereis, auch wenn es nur in geringen Mengen vor liegt, kann nun auf wenige Jahrzehnte ge - nau datiert werden. Vergleichswerte aus den ersten instrumentellen Klimamessungen so - wie zu den historisch dokumentierten turbulenten Witterungsabläufen am Ende der Klei - nen Eiszeit (ca. 1250 bis 1850 n. Chr.) bestätigen die mittels Quantenphysik erzielten Ergebnisse. Aus der Erforschung der Kleinen Eiszeit, die keineswegs gleichmäßig, sondern mit er - heblichen klimatologischen Schwankungen verlief, erhoffen sich die WissenschaftlerInnen auch neue Erkenntnisse über das Klimasystem insgesamt: „Ein besseres Verständnis des Zusammenspiels von Klima, Geologie und Ökosystemen kann uns helfen, auch künftige Witterungs- und Klimaschwankungen besser einzuordnen“, sagt ÖAW-Gletscherforscherin Andrea Fischer. n https://www.oeaw.ac.at/ Präzisere Ergebnisse mit weniger Eis Dank der Unterstützung durch die Quantenphysik konnten die GlaziologInnen dieses Problem nun lösen: Die wenigen im Eis eingeschlossenen Argon-39-Isotope werden mit - tels der Atomfalle gezählt indem eine resonante Multiphotonenstreuung von Laserlicht verwendet wird, um die gesuchten Isotope zu selektieren. Die quantenphysikalische Me - thode nutzt aus, daß verschiedene Isotope auf leicht unterschiedliches Laserlicht reagieren. Nur das gesuchte Argon-39 wird vom Licht abgebremst und detektiert, während die restlichen Isotope ungehindert an der Atomfalle vorbeifliegen. Foto: ÖAW / IGF / Andrea Fischer oben: Zur Probennahme werden Blöcke blasen- und damit luftreichen Eises mit einer Elektrokettensäge aus dem Eis geschnitten, verpackt und gekühlt ins Labor der Universität Heidelberg geschickt – unten: Die quantenphysikalische Methode basiert auf der selektiven Abbremsung der gesuchten Argon-39 Isotope durch Laserlicht. Foto: Universität Heidelberg / Christoph Kaup »Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at
Ausg. Nr. 184 • 6. Mai 2019 Das u
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